Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches er lachen und unserm Heinrich zunicken und zutrinken, bis es diesem unge¬ Habt ihr noch Kuchen? fragte er. als wir auf der Straße standen- Wir hatten Hunde und Taschen voll, und er nahm von jedem von uns So geschah es denn auch, und ich glaube, diese süße Spende hat den Maßgebliches und Unmaßgebliches Noch ein Wörtchen zum Schulradau. Auf einer westfälische" Protest- Die Herren Protestiren gegen den Vorwurf, daß sie dem Volke die Religion Maßgebliches und Unmaßgebliches er lachen und unserm Heinrich zunicken und zutrinken, bis es diesem unge¬ Habt ihr noch Kuchen? fragte er. als wir auf der Straße standen- Wir hatten Hunde und Taschen voll, und er nahm von jedem von uns So geschah es denn auch, und ich glaube, diese süße Spende hat den Maßgebliches und Unmaßgebliches Noch ein Wörtchen zum Schulradau. Auf einer westfälische» Protest- Die Herren Protestiren gegen den Vorwurf, daß sie dem Volke die Religion <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0562" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/211730"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1637" prev="#ID_1636"> er lachen und unserm Heinrich zunicken und zutrinken, bis es diesem unge¬<lb/> mütlich wurde und er uns ein Zeichen gab, daß wir fortgehn wollten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1638"> Habt ihr noch Kuchen? fragte er. als wir auf der Straße standen-</p><lb/> <p xml:id="ID_1639"> Wir hatten Hunde und Taschen voll, und er nahm von jedem von uns<lb/> einen Teil. Das ist für Polizeidiener Weber! sagte er. Sein Bein ist<lb/> immer noch nicht besser, und es soll ihm arg weh thun. Ich leg es ihm<lb/> gleich ins Fenster!</p><lb/> <p xml:id="ID_1640"> So geschah es denn auch, und ich glaube, diese süße Spende hat den<lb/> guten Weber getröstet über die klägliche Rolle, die er am Polterabend gespielt<lb/> hatte. Jürgen und ich waren aber auch zufrieden, denn ins Gefängnis sind<lb/> wir nicht gekommen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <div n="2"> <head> Noch ein Wörtchen zum Schulradau.</head> <p xml:id="ID_1641"> Auf einer westfälische» Protest-<lb/> Versammlung äußerte ein Redner, die Losunq sei nicht: Atheismus oder Christentum,<lb/> sondern: freie Forschung oder Dogmenzwang. Ja, wollen denn die Herren die<lb/> bisher ungelösten theologischen Streitfragen, wie die nach der Abstammung des<lb/> Menschengeschlechts und nach der Abfassungszeit der Bestandteile des Pentateuchs,<lb/> oder ob die Auferstehungsgeschichte reiner Mythus oder schlaue Erfindung oder das<lb/> Ergebnis von Halluzinationen sei, wollen sie diese Fragen von frei forschenden<lb/> Schulkindern lösen lassen? Oder meinen sie nur, daß es keinem Lehrer gewehrt<lb/> sein soll, die Ergebnisse seiner eignen oder fremder Forschungen den Schulkindern<lb/> aufzutischen? Wollen sie, daß der eine Lehrer den .Kindern Christus, der zweite<lb/> Hegel, der dritte Schopenhauer predige? Der zuletzt genannte hat bekanntlich<lb/> Hegeln als einen dummen Kerl und von der Regierung zum Zweck der Volks¬<lb/> verdummung bezahlte» Charlatan hingestellt. Wollen sie, daß Luther vom Lehrer<lb/> ^ deu Kindern als der große Reformator und teure Gottesmann, von ö als ein<lb/> orger Ketzer, von <Z als ein Finsterling und Reaktionär dargestellt werde? Wollen<lb/> sie die ohnehin überangesirenglen Kindcrlöpfe vollends durch Widersprüche zu Grunde<lb/> richten und schon zwölfjährige Knaben und Mädchen durch philosophischen Wahnsinn<lb/> ins Irrenhaus bringen? Oder »vollen sie, daß die Kinder diese Widersprüche<lb/> leicht nehmen und sich über die Autoritäten der Wissenschaft lustig machen?</p><lb/> <p xml:id="ID_1642" next="#ID_1643"> Die Herren Protestiren gegen den Vorwurf, daß sie dem Volke die Religion<lb/> raube» wollten. Läßt sich aber Religion lehren ohne Glaubenssätze? Giebt es<lb/> außer den Katechismen der zwei großen Konfessionen »och eine dritte lehrbare<lb/> Form der christlichen Religion, etwa einen egidianischeu Katechismus? Nein, es<lb/> giebt nichts dergleichen, sondern nur ein Gewirr einander widersprechender<lb/> Meinungen, und das ist nicht lehrbar, am wenigsten in der Kinderschule! Versuche<lb/> siud zwar gemacht worden^ in Gotha, in der Schweiz sind rationalistische Reu<lb/> givnshandbücher erschienen, aber diese dem gläubigen Teile der Bevölkerung auf-<lb/> zuzwinge» würde keine Macht der Erde stark genng sein, und uicht einmal die<lb/> Freidenker würden, wenn es sich um die Approbation eines dieser Bücher handelte.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0562]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
er lachen und unserm Heinrich zunicken und zutrinken, bis es diesem unge¬
mütlich wurde und er uns ein Zeichen gab, daß wir fortgehn wollten.
Habt ihr noch Kuchen? fragte er. als wir auf der Straße standen-
Wir hatten Hunde und Taschen voll, und er nahm von jedem von uns
einen Teil. Das ist für Polizeidiener Weber! sagte er. Sein Bein ist
immer noch nicht besser, und es soll ihm arg weh thun. Ich leg es ihm
gleich ins Fenster!
So geschah es denn auch, und ich glaube, diese süße Spende hat den
guten Weber getröstet über die klägliche Rolle, die er am Polterabend gespielt
hatte. Jürgen und ich waren aber auch zufrieden, denn ins Gefängnis sind
wir nicht gekommen.
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Noch ein Wörtchen zum Schulradau. Auf einer westfälische» Protest-
Versammlung äußerte ein Redner, die Losunq sei nicht: Atheismus oder Christentum,
sondern: freie Forschung oder Dogmenzwang. Ja, wollen denn die Herren die
bisher ungelösten theologischen Streitfragen, wie die nach der Abstammung des
Menschengeschlechts und nach der Abfassungszeit der Bestandteile des Pentateuchs,
oder ob die Auferstehungsgeschichte reiner Mythus oder schlaue Erfindung oder das
Ergebnis von Halluzinationen sei, wollen sie diese Fragen von frei forschenden
Schulkindern lösen lassen? Oder meinen sie nur, daß es keinem Lehrer gewehrt
sein soll, die Ergebnisse seiner eignen oder fremder Forschungen den Schulkindern
aufzutischen? Wollen sie, daß der eine Lehrer den .Kindern Christus, der zweite
Hegel, der dritte Schopenhauer predige? Der zuletzt genannte hat bekanntlich
Hegeln als einen dummen Kerl und von der Regierung zum Zweck der Volks¬
verdummung bezahlte» Charlatan hingestellt. Wollen sie, daß Luther vom Lehrer
^ deu Kindern als der große Reformator und teure Gottesmann, von ö als ein
orger Ketzer, von <Z als ein Finsterling und Reaktionär dargestellt werde? Wollen
sie die ohnehin überangesirenglen Kindcrlöpfe vollends durch Widersprüche zu Grunde
richten und schon zwölfjährige Knaben und Mädchen durch philosophischen Wahnsinn
ins Irrenhaus bringen? Oder »vollen sie, daß die Kinder diese Widersprüche
leicht nehmen und sich über die Autoritäten der Wissenschaft lustig machen?
Die Herren Protestiren gegen den Vorwurf, daß sie dem Volke die Religion
raube» wollten. Läßt sich aber Religion lehren ohne Glaubenssätze? Giebt es
außer den Katechismen der zwei großen Konfessionen »och eine dritte lehrbare
Form der christlichen Religion, etwa einen egidianischeu Katechismus? Nein, es
giebt nichts dergleichen, sondern nur ein Gewirr einander widersprechender
Meinungen, und das ist nicht lehrbar, am wenigsten in der Kinderschule! Versuche
siud zwar gemacht worden^ in Gotha, in der Schweiz sind rationalistische Reu
givnshandbücher erschienen, aber diese dem gläubigen Teile der Bevölkerung auf-
zuzwinge» würde keine Macht der Erde stark genng sein, und uicht einmal die
Freidenker würden, wenn es sich um die Approbation eines dieser Bücher handelte.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |