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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Doch leuchtete nicht die Laterne, sondern die flammende Julisonne, die
noch hoher am Himmel hing und schon seit lauger Zeit angezündet und auf¬
gezogen sein mochte. Ans der Straße wimmelte es von Soldaten.

Im Schlafe war ich, ohne zu wissen wie, mitten in den Krieg geraten, als
ob mich ein Wunschmantel hineingetragen hätte.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Vom wissenschaftlichen Materialismus.

Man muß es den beiden alten
Knaben, Büchner und Vogt, lassen, daß sie sich rechtschaffen Mühe geben, mit den
übrigen jungen Alten unsers Jahrhunderts Schritt zu halten. Ludwig Büchner
unternimmt, so viel wir wisse", "och Vortrngstournceu und hat voriges Jahr
wieder ein Erbauungsbuch für die reifere Jugend: Das goldne Zeitalter,
oder das Leben vor der Geschichte (Berlin. Allgemeiner Verein für deutsche
Litteratur) herausgegeben, worin er das Idyll des voreiszeitlichen Menschen an¬
mutig beschreibt und die Abschnitte seiner Entwicklungszeit sehr genau auf 78 000,
33 000 u. f. w. Jahre angiebt. Etwas Neues haben wir in seinem Buche nicht
gefunden, ausgenommen den Bericht über die musikalischen Affen. Die Schimpanse
sollen förmliche Konzerte aufführen, sie erzengen in größerer Gesellschaft Töne dnrch
Aufschlagen auf hohle Baumstämme und schreien dazu; da hätten wir also Chor¬
gesang mit Xylophoubegleituug. Karl Vogt wendet sich in seinem Buche: Die
Menschwerdung (Leipzig/Ernst Wiese. 1892) an die Gelehrten. Er sucht
darin alle Veränderungen in der Welt als die Ergebnisse eines Kreislaufs ab¬
wechselnder Verdichtung und Verdünnung der Weltsubstanz klar zu machen. Wenn
eine "Weltzonc," wie gegenwärtig die, der unser Sonnensystem angehört, Wärme
ausstrahlt, so befindet sie sich "als Trägerin emissiver Potentiale in der absteigenden
Phase des Kreisprozesses," ihre Körper sind in der Verdichtung begriffen und gehn
der Erstarrung entgegen. Ist der Endzustand eingetreten, dann empfängt diese
Zone wieder Wärme aus den benachbarten Zonen, ihre Körper werden wieder in
Gas aufgelöst, und die Entwicklung beginnt von neuem. Der jeweilige Zustand
des organischen Lebens auf den Planeten hängt von dem gleichzeitigen Zustande der
betreffenden Weltzone ab. "Jedesmal, wenn die Souue in den untern Teil ihrer
Bahn, in die höher gespannten Atherregionen eintritt, nehmen die sämtlichen physi¬
kalischen Prozesse an Intensität wieder zu. Es entstehen neue Arten, die den
physikalischen Konstellationen der neuen säkularen Entwicklungsperiode angepaßt sind,
während die alten nicht angepaßten zu Grunde gehen." Sehr schön und sehr klar!
Nun fehlt weiter nichts, als daß man ein paar Trillionen Jahre auf einem dem
Kreisprozesse entrückten ganz unparteiischen Sterne leben und von da die periodische
Weltwerdnug beobachten könnte, um zu sehn, ob und wieweit die Hypothese wahr
ist. Näher als der Anfang oder das Ende eines solchen Kreislaufs liegt uns die


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Doch leuchtete nicht die Laterne, sondern die flammende Julisonne, die
noch hoher am Himmel hing und schon seit lauger Zeit angezündet und auf¬
gezogen sein mochte. Ans der Straße wimmelte es von Soldaten.

Im Schlafe war ich, ohne zu wissen wie, mitten in den Krieg geraten, als
ob mich ein Wunschmantel hineingetragen hätte.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Vom wissenschaftlichen Materialismus.

Man muß es den beiden alten
Knaben, Büchner und Vogt, lassen, daß sie sich rechtschaffen Mühe geben, mit den
übrigen jungen Alten unsers Jahrhunderts Schritt zu halten. Ludwig Büchner
unternimmt, so viel wir wisse», «och Vortrngstournceu und hat voriges Jahr
wieder ein Erbauungsbuch für die reifere Jugend: Das goldne Zeitalter,
oder das Leben vor der Geschichte (Berlin. Allgemeiner Verein für deutsche
Litteratur) herausgegeben, worin er das Idyll des voreiszeitlichen Menschen an¬
mutig beschreibt und die Abschnitte seiner Entwicklungszeit sehr genau auf 78 000,
33 000 u. f. w. Jahre angiebt. Etwas Neues haben wir in seinem Buche nicht
gefunden, ausgenommen den Bericht über die musikalischen Affen. Die Schimpanse
sollen förmliche Konzerte aufführen, sie erzengen in größerer Gesellschaft Töne dnrch
Aufschlagen auf hohle Baumstämme und schreien dazu; da hätten wir also Chor¬
gesang mit Xylophoubegleituug. Karl Vogt wendet sich in seinem Buche: Die
Menschwerdung (Leipzig/Ernst Wiese. 1892) an die Gelehrten. Er sucht
darin alle Veränderungen in der Welt als die Ergebnisse eines Kreislaufs ab¬
wechselnder Verdichtung und Verdünnung der Weltsubstanz klar zu machen. Wenn
eine „Weltzonc," wie gegenwärtig die, der unser Sonnensystem angehört, Wärme
ausstrahlt, so befindet sie sich „als Trägerin emissiver Potentiale in der absteigenden
Phase des Kreisprozesses," ihre Körper sind in der Verdichtung begriffen und gehn
der Erstarrung entgegen. Ist der Endzustand eingetreten, dann empfängt diese
Zone wieder Wärme aus den benachbarten Zonen, ihre Körper werden wieder in
Gas aufgelöst, und die Entwicklung beginnt von neuem. Der jeweilige Zustand
des organischen Lebens auf den Planeten hängt von dem gleichzeitigen Zustande der
betreffenden Weltzone ab. „Jedesmal, wenn die Souue in den untern Teil ihrer
Bahn, in die höher gespannten Atherregionen eintritt, nehmen die sämtlichen physi¬
kalischen Prozesse an Intensität wieder zu. Es entstehen neue Arten, die den
physikalischen Konstellationen der neuen säkularen Entwicklungsperiode angepaßt sind,
während die alten nicht angepaßten zu Grunde gehen." Sehr schön und sehr klar!
Nun fehlt weiter nichts, als daß man ein paar Trillionen Jahre auf einem dem
Kreisprozesse entrückten ganz unparteiischen Sterne leben und von da die periodische
Weltwerdnug beobachten könnte, um zu sehn, ob und wieweit die Hypothese wahr
ist. Näher als der Anfang oder das Ende eines solchen Kreislaufs liegt uns die


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[0244] Maßgebliches und Unmaßgebliches Doch leuchtete nicht die Laterne, sondern die flammende Julisonne, die noch hoher am Himmel hing und schon seit lauger Zeit angezündet und auf¬ gezogen sein mochte. Ans der Straße wimmelte es von Soldaten. Im Schlafe war ich, ohne zu wissen wie, mitten in den Krieg geraten, als ob mich ein Wunschmantel hineingetragen hätte. (Fortsetzung folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Vom wissenschaftlichen Materialismus. Man muß es den beiden alten Knaben, Büchner und Vogt, lassen, daß sie sich rechtschaffen Mühe geben, mit den übrigen jungen Alten unsers Jahrhunderts Schritt zu halten. Ludwig Büchner unternimmt, so viel wir wisse», «och Vortrngstournceu und hat voriges Jahr wieder ein Erbauungsbuch für die reifere Jugend: Das goldne Zeitalter, oder das Leben vor der Geschichte (Berlin. Allgemeiner Verein für deutsche Litteratur) herausgegeben, worin er das Idyll des voreiszeitlichen Menschen an¬ mutig beschreibt und die Abschnitte seiner Entwicklungszeit sehr genau auf 78 000, 33 000 u. f. w. Jahre angiebt. Etwas Neues haben wir in seinem Buche nicht gefunden, ausgenommen den Bericht über die musikalischen Affen. Die Schimpanse sollen förmliche Konzerte aufführen, sie erzengen in größerer Gesellschaft Töne dnrch Aufschlagen auf hohle Baumstämme und schreien dazu; da hätten wir also Chor¬ gesang mit Xylophoubegleituug. Karl Vogt wendet sich in seinem Buche: Die Menschwerdung (Leipzig/Ernst Wiese. 1892) an die Gelehrten. Er sucht darin alle Veränderungen in der Welt als die Ergebnisse eines Kreislaufs ab¬ wechselnder Verdichtung und Verdünnung der Weltsubstanz klar zu machen. Wenn eine „Weltzonc," wie gegenwärtig die, der unser Sonnensystem angehört, Wärme ausstrahlt, so befindet sie sich „als Trägerin emissiver Potentiale in der absteigenden Phase des Kreisprozesses," ihre Körper sind in der Verdichtung begriffen und gehn der Erstarrung entgegen. Ist der Endzustand eingetreten, dann empfängt diese Zone wieder Wärme aus den benachbarten Zonen, ihre Körper werden wieder in Gas aufgelöst, und die Entwicklung beginnt von neuem. Der jeweilige Zustand des organischen Lebens auf den Planeten hängt von dem gleichzeitigen Zustande der betreffenden Weltzone ab. „Jedesmal, wenn die Souue in den untern Teil ihrer Bahn, in die höher gespannten Atherregionen eintritt, nehmen die sämtlichen physi¬ kalischen Prozesse an Intensität wieder zu. Es entstehen neue Arten, die den physikalischen Konstellationen der neuen säkularen Entwicklungsperiode angepaßt sind, während die alten nicht angepaßten zu Grunde gehen." Sehr schön und sehr klar! Nun fehlt weiter nichts, als daß man ein paar Trillionen Jahre auf einem dem Kreisprozesse entrückten ganz unparteiischen Sterne leben und von da die periodische Weltwerdnug beobachten könnte, um zu sehn, ob und wieweit die Hypothese wahr ist. Näher als der Anfang oder das Ende eines solchen Kreislaufs liegt uns die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/244>, abgerufen am 02.05.2024.