Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Litteratur

Über das Juristendeutsch

schreibt der preußische Justiznnmfter an den
Herausgeber der Deutschen Revue folgendes: "Ans die Klarheit und Einfachheit
der Ausdrucksweise in den Entscheidungen und Verfügungen der Justizbehörden
lege ich meinerseits einen großen Wert. Daher kann ich es nur dankbar begrüßen,
wenn Sie den hierauf gerichteten, auch in Richterkreisen schon hervorgetretenen
Bestrebungen durch eine Erörterung in Ihrer Zeitschrift eine Förderung zuteil
werden lassen."

Excellenz hätten auch schreiben können: "Auf klare und einfache Ausdrucks¬
weise in den Entscheidungen und Verfügungen der Justizbehörden lege ich großen
Wert und begrüße es daher dankbar, daß Sie solche Bestrebungen, die auch in
Richterkreisen schon hervorgetreten sind, in Ihrer Zeitschrift erörtern und dadurch
fördern."




Litteratur
Fraueiivilder. Zwei neue Novellen von Ferdinand von Surr. Heidelberg, Georg
Weiß, 1892.

Ferdinand von Saar gehört zu den besten und feinsinnigsten Talenten, die
Deutschösterreich unsrer Litteratur gegeben hat. Freilich mangelt seinen Novellen
jene robuste Energie, die augenblicklich mehr als jede andre Eigenschaft gepriesen
wird, aber Erfindung und Ausführung zeichnen sich durch lhrische Stimmung,
schlichte Anmut des Vortrags und echte Lebenswahrheit ans. Auch die vorliegenden
beiden, "Ginwra" und "Geschichte eines Wiener Kindes," zeigen die alten Vorzüge
des poetischen Erzählers. Namentlich die erste Resignationsnovelle, die Geschichte
einer leichtsinnig verscherzten Jugendliebe, deren Andenken wie ein trüber Schatten
auf der Seele eines tapfern Soldaten liegt, entspricht dem besondern Naturell und
dem künstlerischen Zuge Saars. In der zweiten, umfangreichern Erzählung stellt
der Verfasser den Lebenslauf eines leichtsinnigen, leichtherzigen Mädchens dar, die
eine tief unglückliche Frau wird und durch Selbstmord endet. Nicht die Tragik
des Borgangs und die schwüle Atmosphäre, von der die feingezeichneten Situationen
teilweise umhaucht sind, sondern die bedenkliche Dunkelheit, in der der Charakter
des Herrn Roher bleibt, dem zuliebe Frau Elsa Stadler Haus, Mutterglück, Ehre
und schließlich das Leben opfert, beeinträchtigt die Wirkung dieser Novelle, die
die Umrisse zu einem ganzen Roman enthält. Im Ganzen muß mau vor der
ernsten Lebensanschauung und der ruhigen Sicherheit der Lebensdarstellung Saars
aufrichtige Achtung hegen, wenn man mich wünschen möchte, daß er sich einmal
mit kühnerem Schwung über die Linie erhöbe, die seine Produktion bis jetzt einhält.




Für die Redaktion verantwortlich! Johannes Grnnow in Leipzig
Bcrlag von Fr, Wilh. Grunvw in Leipzig - Druck von Carl Mnrgunrt in Leipzig
Litteratur

Über das Juristendeutsch

schreibt der preußische Justiznnmfter an den
Herausgeber der Deutschen Revue folgendes: „Ans die Klarheit und Einfachheit
der Ausdrucksweise in den Entscheidungen und Verfügungen der Justizbehörden
lege ich meinerseits einen großen Wert. Daher kann ich es nur dankbar begrüßen,
wenn Sie den hierauf gerichteten, auch in Richterkreisen schon hervorgetretenen
Bestrebungen durch eine Erörterung in Ihrer Zeitschrift eine Förderung zuteil
werden lassen."

Excellenz hätten auch schreiben können: „Auf klare und einfache Ausdrucks¬
weise in den Entscheidungen und Verfügungen der Justizbehörden lege ich großen
Wert und begrüße es daher dankbar, daß Sie solche Bestrebungen, die auch in
Richterkreisen schon hervorgetreten sind, in Ihrer Zeitschrift erörtern und dadurch
fördern."




Litteratur
Fraueiivilder. Zwei neue Novellen von Ferdinand von Surr. Heidelberg, Georg
Weiß, 1892.

Ferdinand von Saar gehört zu den besten und feinsinnigsten Talenten, die
Deutschösterreich unsrer Litteratur gegeben hat. Freilich mangelt seinen Novellen
jene robuste Energie, die augenblicklich mehr als jede andre Eigenschaft gepriesen
wird, aber Erfindung und Ausführung zeichnen sich durch lhrische Stimmung,
schlichte Anmut des Vortrags und echte Lebenswahrheit ans. Auch die vorliegenden
beiden, „Ginwra" und „Geschichte eines Wiener Kindes," zeigen die alten Vorzüge
des poetischen Erzählers. Namentlich die erste Resignationsnovelle, die Geschichte
einer leichtsinnig verscherzten Jugendliebe, deren Andenken wie ein trüber Schatten
auf der Seele eines tapfern Soldaten liegt, entspricht dem besondern Naturell und
dem künstlerischen Zuge Saars. In der zweiten, umfangreichern Erzählung stellt
der Verfasser den Lebenslauf eines leichtsinnigen, leichtherzigen Mädchens dar, die
eine tief unglückliche Frau wird und durch Selbstmord endet. Nicht die Tragik
des Borgangs und die schwüle Atmosphäre, von der die feingezeichneten Situationen
teilweise umhaucht sind, sondern die bedenkliche Dunkelheit, in der der Charakter
des Herrn Roher bleibt, dem zuliebe Frau Elsa Stadler Haus, Mutterglück, Ehre
und schließlich das Leben opfert, beeinträchtigt die Wirkung dieser Novelle, die
die Umrisse zu einem ganzen Roman enthält. Im Ganzen muß mau vor der
ernsten Lebensanschauung und der ruhigen Sicherheit der Lebensdarstellung Saars
aufrichtige Achtung hegen, wenn man mich wünschen möchte, daß er sich einmal
mit kühnerem Schwung über die Linie erhöbe, die seine Produktion bis jetzt einhält.




Für die Redaktion verantwortlich! Johannes Grnnow in Leipzig
Bcrlag von Fr, Wilh. Grunvw in Leipzig - Druck von Carl Mnrgunrt in Leipzig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0056" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/212532"/>
            <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Über das Juristendeutsch</head>
            <p xml:id="ID_131"> schreibt der preußische Justiznnmfter an den<lb/>
Herausgeber der Deutschen Revue folgendes: &#x201E;Ans die Klarheit und Einfachheit<lb/>
der Ausdrucksweise in den Entscheidungen und Verfügungen der Justizbehörden<lb/>
lege ich meinerseits einen großen Wert. Daher kann ich es nur dankbar begrüßen,<lb/>
wenn Sie den hierauf gerichteten, auch in Richterkreisen schon hervorgetretenen<lb/>
Bestrebungen durch eine Erörterung in Ihrer Zeitschrift eine Förderung zuteil<lb/>
werden lassen."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_132"> Excellenz hätten auch schreiben können: &#x201E;Auf klare und einfache Ausdrucks¬<lb/>
weise in den Entscheidungen und Verfügungen der Justizbehörden lege ich großen<lb/>
Wert und begrüße es daher dankbar, daß Sie solche Bestrebungen, die auch in<lb/>
Richterkreisen schon hervorgetreten sind, in Ihrer Zeitschrift erörtern und dadurch<lb/>
fördern."</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Litteratur</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Fraueiivilder.  Zwei neue Novellen von Ferdinand von Surr.  Heidelberg, Georg<lb/>
Weiß, 1892.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_133"> Ferdinand von Saar gehört zu den besten und feinsinnigsten Talenten, die<lb/>
Deutschösterreich unsrer Litteratur gegeben hat. Freilich mangelt seinen Novellen<lb/>
jene robuste Energie, die augenblicklich mehr als jede andre Eigenschaft gepriesen<lb/>
wird, aber Erfindung und Ausführung zeichnen sich durch lhrische Stimmung,<lb/>
schlichte Anmut des Vortrags und echte Lebenswahrheit ans. Auch die vorliegenden<lb/>
beiden, &#x201E;Ginwra" und &#x201E;Geschichte eines Wiener Kindes," zeigen die alten Vorzüge<lb/>
des poetischen Erzählers. Namentlich die erste Resignationsnovelle, die Geschichte<lb/>
einer leichtsinnig verscherzten Jugendliebe, deren Andenken wie ein trüber Schatten<lb/>
auf der Seele eines tapfern Soldaten liegt, entspricht dem besondern Naturell und<lb/>
dem künstlerischen Zuge Saars. In der zweiten, umfangreichern Erzählung stellt<lb/>
der Verfasser den Lebenslauf eines leichtsinnigen, leichtherzigen Mädchens dar, die<lb/>
eine tief unglückliche Frau wird und durch Selbstmord endet. Nicht die Tragik<lb/>
des Borgangs und die schwüle Atmosphäre, von der die feingezeichneten Situationen<lb/>
teilweise umhaucht sind, sondern die bedenkliche Dunkelheit, in der der Charakter<lb/>
des Herrn Roher bleibt, dem zuliebe Frau Elsa Stadler Haus, Mutterglück, Ehre<lb/>
und schließlich das Leben opfert, beeinträchtigt die Wirkung dieser Novelle, die<lb/>
die Umrisse zu einem ganzen Roman enthält. Im Ganzen muß mau vor der<lb/>
ernsten Lebensanschauung und der ruhigen Sicherheit der Lebensdarstellung Saars<lb/>
aufrichtige Achtung hegen, wenn man mich wünschen möchte, daß er sich einmal<lb/>
mit kühnerem Schwung über die Linie erhöbe, die seine Produktion bis jetzt einhält.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich! Johannes Grnnow in Leipzig<lb/>
Bcrlag von Fr, Wilh. Grunvw in Leipzig - Druck von Carl Mnrgunrt in Leipzig</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0056] Litteratur Über das Juristendeutsch schreibt der preußische Justiznnmfter an den Herausgeber der Deutschen Revue folgendes: „Ans die Klarheit und Einfachheit der Ausdrucksweise in den Entscheidungen und Verfügungen der Justizbehörden lege ich meinerseits einen großen Wert. Daher kann ich es nur dankbar begrüßen, wenn Sie den hierauf gerichteten, auch in Richterkreisen schon hervorgetretenen Bestrebungen durch eine Erörterung in Ihrer Zeitschrift eine Förderung zuteil werden lassen." Excellenz hätten auch schreiben können: „Auf klare und einfache Ausdrucks¬ weise in den Entscheidungen und Verfügungen der Justizbehörden lege ich großen Wert und begrüße es daher dankbar, daß Sie solche Bestrebungen, die auch in Richterkreisen schon hervorgetreten sind, in Ihrer Zeitschrift erörtern und dadurch fördern." Litteratur Fraueiivilder. Zwei neue Novellen von Ferdinand von Surr. Heidelberg, Georg Weiß, 1892. Ferdinand von Saar gehört zu den besten und feinsinnigsten Talenten, die Deutschösterreich unsrer Litteratur gegeben hat. Freilich mangelt seinen Novellen jene robuste Energie, die augenblicklich mehr als jede andre Eigenschaft gepriesen wird, aber Erfindung und Ausführung zeichnen sich durch lhrische Stimmung, schlichte Anmut des Vortrags und echte Lebenswahrheit ans. Auch die vorliegenden beiden, „Ginwra" und „Geschichte eines Wiener Kindes," zeigen die alten Vorzüge des poetischen Erzählers. Namentlich die erste Resignationsnovelle, die Geschichte einer leichtsinnig verscherzten Jugendliebe, deren Andenken wie ein trüber Schatten auf der Seele eines tapfern Soldaten liegt, entspricht dem besondern Naturell und dem künstlerischen Zuge Saars. In der zweiten, umfangreichern Erzählung stellt der Verfasser den Lebenslauf eines leichtsinnigen, leichtherzigen Mädchens dar, die eine tief unglückliche Frau wird und durch Selbstmord endet. Nicht die Tragik des Borgangs und die schwüle Atmosphäre, von der die feingezeichneten Situationen teilweise umhaucht sind, sondern die bedenkliche Dunkelheit, in der der Charakter des Herrn Roher bleibt, dem zuliebe Frau Elsa Stadler Haus, Mutterglück, Ehre und schließlich das Leben opfert, beeinträchtigt die Wirkung dieser Novelle, die die Umrisse zu einem ganzen Roman enthält. Im Ganzen muß mau vor der ernsten Lebensanschauung und der ruhigen Sicherheit der Lebensdarstellung Saars aufrichtige Achtung hegen, wenn man mich wünschen möchte, daß er sich einmal mit kühnerem Schwung über die Linie erhöbe, die seine Produktion bis jetzt einhält. Für die Redaktion verantwortlich! Johannes Grnnow in Leipzig Bcrlag von Fr, Wilh. Grunvw in Leipzig - Druck von Carl Mnrgunrt in Leipzig

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/56
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_212475/56>, abgerufen am 02.05.2024.