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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Die anatolische Bahn

hervorrufen würden, hatten sie eine Ahnung, das hat ihr Thun in Bern be¬
wiesen.

Der einzige Punkt, in dem sich die Forderungen der beiden Friedens¬
kongresse begegnen, sind die "Schiedsgerichte." Nur daß sich der "Weltfriedens¬
kongreß" natürlich wieder die Menschen, das heißt hier eigentlich die Menschheit,
als Gummipüppchen denkt, die sich unter solchem Schiedsgerichtsdruck beliebig
zusammenquetschen laßt, der ,,Interparlamentarische Friedenskongreß" auch da
gesündre Wünsche hat! er will ein Eingreifen eines internationalen Schieds¬
gerichts in besondern Fällen. Wenn wir dabei auch daran denken müssen
daß sich die Regierungen auch ohne den interparlamentarischen Friedenskongreß
dieses Mittels in Fällen, wo es möglich war, zur Schlichtung ernster Diffe¬
renzen bedient haben, so bleibt doch das Bestreben der Herren, so weit es sich
in dem Rahmen des von dem Vorsitzenden, dem Herrn Oberbürgermeister
Baumbach in Danzig, in seiner Eröffnungsrede entwickelten Programm bewegt,
eine That, die möglichenfalls gute Früchte tragen kann. Über die Utopie des
"Weltfriedenskongresses" aber wird wohl die Welt und die Menschheit in
kurzem einfach zur Tagesordnung übergehen mit dem frommen Wunsche:
Ewiger Friede seiner Asche!




Die anatolische Bahn

n den volkswirtschaftlichen Betrachtungen"! im W. Hefte der
Grenzboten findet sich der Satz: "Die Herrschaft über das andre
Volk wird das Volk erlangen, das die Arbeit an sich zieht,
und zwar deshalb, weil der Arbeit der Reichtum folgt, und
Reichtum zunächst das wirtschaftliche Übergewicht, auf die Dauer
auch politische Überlegenheit verleiht." Die Wahrheit dieses Satzes Habensich
unsre deutschen Geldleute viel zu wenig zu nutze gemacht. Anstatt den Über¬
schuß des deutschen Vermögens zu industriellen Unternehmungen und zur
Hebung der Bodenschätze noch uuerschlossener Länder zu verwenden, legten sie
ihn in den Papieren halbverkrachter Staaten an, die einige Zeit zwar hohe
Zinsen trugen, nachher aber gar nichts brachten. So ist es uns in Argentinien
ergangen, so in Portugal. Während aber die Deutschen die wertlosen argen¬
tinischen und portugiesischen Schuldscheine in den Händen halten, haben die
Engländer ihr Geld in den Eisen- und Pferdebahnen, in Bergwerken und
industriellen Anlagen jener Länder untergebracht und sehen ruhig der Zukunft
entgegen.


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hervorrufen würden, hatten sie eine Ahnung, das hat ihr Thun in Bern be¬
wiesen.

Der einzige Punkt, in dem sich die Forderungen der beiden Friedens¬
kongresse begegnen, sind die „Schiedsgerichte." Nur daß sich der „Weltfriedens¬
kongreß" natürlich wieder die Menschen, das heißt hier eigentlich die Menschheit,
als Gummipüppchen denkt, die sich unter solchem Schiedsgerichtsdruck beliebig
zusammenquetschen laßt, der ,,Interparlamentarische Friedenskongreß" auch da
gesündre Wünsche hat! er will ein Eingreifen eines internationalen Schieds¬
gerichts in besondern Fällen. Wenn wir dabei auch daran denken müssen
daß sich die Regierungen auch ohne den interparlamentarischen Friedenskongreß
dieses Mittels in Fällen, wo es möglich war, zur Schlichtung ernster Diffe¬
renzen bedient haben, so bleibt doch das Bestreben der Herren, so weit es sich
in dem Rahmen des von dem Vorsitzenden, dem Herrn Oberbürgermeister
Baumbach in Danzig, in seiner Eröffnungsrede entwickelten Programm bewegt,
eine That, die möglichenfalls gute Früchte tragen kann. Über die Utopie des
„Weltfriedenskongresses" aber wird wohl die Welt und die Menschheit in
kurzem einfach zur Tagesordnung übergehen mit dem frommen Wunsche:
Ewiger Friede seiner Asche!




Die anatolische Bahn

n den volkswirtschaftlichen Betrachtungen"! im W. Hefte der
Grenzboten findet sich der Satz: „Die Herrschaft über das andre
Volk wird das Volk erlangen, das die Arbeit an sich zieht,
und zwar deshalb, weil der Arbeit der Reichtum folgt, und
Reichtum zunächst das wirtschaftliche Übergewicht, auf die Dauer
auch politische Überlegenheit verleiht." Die Wahrheit dieses Satzes Habensich
unsre deutschen Geldleute viel zu wenig zu nutze gemacht. Anstatt den Über¬
schuß des deutschen Vermögens zu industriellen Unternehmungen und zur
Hebung der Bodenschätze noch uuerschlossener Länder zu verwenden, legten sie
ihn in den Papieren halbverkrachter Staaten an, die einige Zeit zwar hohe
Zinsen trugen, nachher aber gar nichts brachten. So ist es uns in Argentinien
ergangen, so in Portugal. Während aber die Deutschen die wertlosen argen¬
tinischen und portugiesischen Schuldscheine in den Händen halten, haben die
Engländer ihr Geld in den Eisen- und Pferdebahnen, in Bergwerken und
industriellen Anlagen jener Länder untergebracht und sehen ruhig der Zukunft
entgegen.


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[0158] Die anatolische Bahn hervorrufen würden, hatten sie eine Ahnung, das hat ihr Thun in Bern be¬ wiesen. Der einzige Punkt, in dem sich die Forderungen der beiden Friedens¬ kongresse begegnen, sind die „Schiedsgerichte." Nur daß sich der „Weltfriedens¬ kongreß" natürlich wieder die Menschen, das heißt hier eigentlich die Menschheit, als Gummipüppchen denkt, die sich unter solchem Schiedsgerichtsdruck beliebig zusammenquetschen laßt, der ,,Interparlamentarische Friedenskongreß" auch da gesündre Wünsche hat! er will ein Eingreifen eines internationalen Schieds¬ gerichts in besondern Fällen. Wenn wir dabei auch daran denken müssen daß sich die Regierungen auch ohne den interparlamentarischen Friedenskongreß dieses Mittels in Fällen, wo es möglich war, zur Schlichtung ernster Diffe¬ renzen bedient haben, so bleibt doch das Bestreben der Herren, so weit es sich in dem Rahmen des von dem Vorsitzenden, dem Herrn Oberbürgermeister Baumbach in Danzig, in seiner Eröffnungsrede entwickelten Programm bewegt, eine That, die möglichenfalls gute Früchte tragen kann. Über die Utopie des „Weltfriedenskongresses" aber wird wohl die Welt und die Menschheit in kurzem einfach zur Tagesordnung übergehen mit dem frommen Wunsche: Ewiger Friede seiner Asche! Die anatolische Bahn n den volkswirtschaftlichen Betrachtungen"! im W. Hefte der Grenzboten findet sich der Satz: „Die Herrschaft über das andre Volk wird das Volk erlangen, das die Arbeit an sich zieht, und zwar deshalb, weil der Arbeit der Reichtum folgt, und Reichtum zunächst das wirtschaftliche Übergewicht, auf die Dauer auch politische Überlegenheit verleiht." Die Wahrheit dieses Satzes Habensich unsre deutschen Geldleute viel zu wenig zu nutze gemacht. Anstatt den Über¬ schuß des deutschen Vermögens zu industriellen Unternehmungen und zur Hebung der Bodenschätze noch uuerschlossener Länder zu verwenden, legten sie ihn in den Papieren halbverkrachter Staaten an, die einige Zeit zwar hohe Zinsen trugen, nachher aber gar nichts brachten. So ist es uns in Argentinien ergangen, so in Portugal. Während aber die Deutschen die wertlosen argen¬ tinischen und portugiesischen Schuldscheine in den Händen halten, haben die Engländer ihr Geld in den Eisen- und Pferdebahnen, in Bergwerken und industriellen Anlagen jener Länder untergebracht und sehen ruhig der Zukunft entgegen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/158>, abgerufen am 27.04.2024.