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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Gin Vankdepotgesetz
von Julius Lubszynski

is vor einigen Monaten der Fragebogen der Börscnenqueten-
Kommission nach schwerem Ringen schlecht und recht das Licht
der Öffentlichkeit erblickte, suchte man darin vergeblich nach
dem Worte, das die Quelle der ganzen Reformbewegung ge¬
wesen war. Wo war das Bankdepot geblieben? Sollten die
unglückseligen Ereignisse der letzten Jahre nicht deutlich genug der modernen
Ausartung dieses Instituts das Kainszeichen auf die Stirn gedrückt haben?
Wollte man noch weitere Beweise erwarten, um seine Neformbedürftigkeit zu
begreifen?

Verwundert schüttelten weise Philister ihre Köpfe. Die öffentliche
Meinung aber, die damals über der deutschen Börseneuquete noch nicht
eingeschlafen war, erörterte lebhaft das Warum und beruhigte sich erst, als
eine offiziöse Mitteilung durch die Zeitungen ging, daß eine von der allge¬
meinen Vörsenreform unabhängige, abgesonderte reichsgesetzliche Regelung des
Vankdepotwesens in Aussicht genommen und eine Kommission dazu bereits
vom Neichsjustizamt zusammenberufen sei. Die Kommission ist auch zusammen¬
getreten. In welcher Richtung sich jedoch die geplanten gesetzgeberischen Ma߬
nahmen erstrecken sollen, oder wieweit die bisherigen Verhandlungen überhaupt
gediehen sind, darüber hat die Öffentlichkeit noch nichts zu hören bekommen.
Was bisher davon verlautet, beruht meist ans bloßen Vermutungen. Der
Grundsatz der Geheimhaltung ist ja eine der neuesten Errungenschaften deutscher
Gesetzgebungskunst, und trotz der täglich sich von neuem aufdrängenden Über¬
zeugung, daß dieser Grundsatz für das Allgemeiuintcresse ungefähr dieselbe
Wirkung haben müsse wie das Morphium für den einzelnen, wird er streng
durchgeführt.


Grenzboten IV 1892 37


Gin Vankdepotgesetz
von Julius Lubszynski

is vor einigen Monaten der Fragebogen der Börscnenqueten-
Kommission nach schwerem Ringen schlecht und recht das Licht
der Öffentlichkeit erblickte, suchte man darin vergeblich nach
dem Worte, das die Quelle der ganzen Reformbewegung ge¬
wesen war. Wo war das Bankdepot geblieben? Sollten die
unglückseligen Ereignisse der letzten Jahre nicht deutlich genug der modernen
Ausartung dieses Instituts das Kainszeichen auf die Stirn gedrückt haben?
Wollte man noch weitere Beweise erwarten, um seine Neformbedürftigkeit zu
begreifen?

Verwundert schüttelten weise Philister ihre Köpfe. Die öffentliche
Meinung aber, die damals über der deutschen Börseneuquete noch nicht
eingeschlafen war, erörterte lebhaft das Warum und beruhigte sich erst, als
eine offiziöse Mitteilung durch die Zeitungen ging, daß eine von der allge¬
meinen Vörsenreform unabhängige, abgesonderte reichsgesetzliche Regelung des
Vankdepotwesens in Aussicht genommen und eine Kommission dazu bereits
vom Neichsjustizamt zusammenberufen sei. Die Kommission ist auch zusammen¬
getreten. In welcher Richtung sich jedoch die geplanten gesetzgeberischen Ma߬
nahmen erstrecken sollen, oder wieweit die bisherigen Verhandlungen überhaupt
gediehen sind, darüber hat die Öffentlichkeit noch nichts zu hören bekommen.
Was bisher davon verlautet, beruht meist ans bloßen Vermutungen. Der
Grundsatz der Geheimhaltung ist ja eine der neuesten Errungenschaften deutscher
Gesetzgebungskunst, und trotz der täglich sich von neuem aufdrängenden Über¬
zeugung, daß dieser Grundsatz für das Allgemeiuintcresse ungefähr dieselbe
Wirkung haben müsse wie das Morphium für den einzelnen, wird er streng
durchgeführt.


Grenzboten IV 1892 37
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[0297] [Abbildung] Gin Vankdepotgesetz von Julius Lubszynski is vor einigen Monaten der Fragebogen der Börscnenqueten- Kommission nach schwerem Ringen schlecht und recht das Licht der Öffentlichkeit erblickte, suchte man darin vergeblich nach dem Worte, das die Quelle der ganzen Reformbewegung ge¬ wesen war. Wo war das Bankdepot geblieben? Sollten die unglückseligen Ereignisse der letzten Jahre nicht deutlich genug der modernen Ausartung dieses Instituts das Kainszeichen auf die Stirn gedrückt haben? Wollte man noch weitere Beweise erwarten, um seine Neformbedürftigkeit zu begreifen? Verwundert schüttelten weise Philister ihre Köpfe. Die öffentliche Meinung aber, die damals über der deutschen Börseneuquete noch nicht eingeschlafen war, erörterte lebhaft das Warum und beruhigte sich erst, als eine offiziöse Mitteilung durch die Zeitungen ging, daß eine von der allge¬ meinen Vörsenreform unabhängige, abgesonderte reichsgesetzliche Regelung des Vankdepotwesens in Aussicht genommen und eine Kommission dazu bereits vom Neichsjustizamt zusammenberufen sei. Die Kommission ist auch zusammen¬ getreten. In welcher Richtung sich jedoch die geplanten gesetzgeberischen Ma߬ nahmen erstrecken sollen, oder wieweit die bisherigen Verhandlungen überhaupt gediehen sind, darüber hat die Öffentlichkeit noch nichts zu hören bekommen. Was bisher davon verlautet, beruht meist ans bloßen Vermutungen. Der Grundsatz der Geheimhaltung ist ja eine der neuesten Errungenschaften deutscher Gesetzgebungskunst, und trotz der täglich sich von neuem aufdrängenden Über¬ zeugung, daß dieser Grundsatz für das Allgemeiuintcresse ungefähr dieselbe Wirkung haben müsse wie das Morphium für den einzelnen, wird er streng durchgeführt. Grenzboten IV 1892 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/297>, abgerufen am 27.04.2024.