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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Zum Schutze der deutschen Landschaft

zuzüchteu, so müßte man unzweifelhaft alle jene "Reaktious- und Ressentiments-
Instinkte, " mit deren Hilfe die vornehmen Geschlechter überwältigt worden sind,
als die eigentlichen Werkzeuge der Kultur betrachten. Aber das Gegenteil ist
nicht nur wahrscheinlich, nein, es ist heute sogar augenscheinlich. Diese Träger
der niederdrückenden, vergeltungslüsternen Instinkte, die Nachkommen alles
europäischen und nichteuropüischen Sklaventums -- sie stellen den Rückgang
der Menschheit dar. Diese "Werkzeuge der Kultur" sind eine Schande der
Menschheit und eher ein Verdacht, ein Gegenargument gegen Kultur
überhaupt. Deal wir leiden am Menschen, es ist kein Zweifel. Wir sehen
heute nichts, das größer werden will; wir ahnen, daß es immer nach ab¬
wärts, abwärts geht, ins Dünnere, Gutmütigere, Klügere, Behaglichere, Mittel¬
müßigere, Gleichgiltigere, Chinesischere, Christlichere -- der Mensch, es ist kein
Zweifel, wird immer besser. .Hier liegt das Verhängnis Enrvpns. Mit der
Furcht vor dem Menschen haben wir auch die Liebe zu ihm, die Ehrfurcht
vor ihm, die Hoffnung auf ihn eingebüßt. Der Anblick des Menschen
macht müde.

(Schluß folgt)




Zum Schutze der deutschen Landschaft

or dem nen gegründeten Allgemeinen deutschen Verein in Berlin,
der deutsches Bolkstum pflegen und auf diesem Wege die geistige
und sittliche Wohlfahrt des deutschen Volkes heben und fördern
will, hielt Professor Rudvrff letzten Frühling einen Vortrag
über den Schutz der landschaftlichen Natur und der geschicht¬
lichen Denkmäler Deutschlands. Der von Einsicht und warmer Liebe zur
Schönheit und Eigentümlichkeit unsers Landes zeugende Vortrag ist im Ver¬
lage dieses Vereins erschienen und verdient die weiteste Verbreitung.*)

Rndorff hat nicht bloß die Zerstörungen und Schändungen gebrandmarkt,
schnöde Gewinn- und Neuerungssucht an unsrer Landschaft verüben, und
^ geistverlassenen Regulirungen unsrer Städte, Forsten und Felder gegeißelt:
hat auch die Auswüchse gezeigt, die das Touristentum selbst hervorbringt,
die reine Quelle trübt, aus der es Labung trinken will. In dem Teil
Wner Ausführungen, wo er "den Afterknltns der Natur im modernen
^ouristeutum" bespricht, besonders die Sucht, der Bequemlichkeit und der



b°> - ^ Mitglied mit 1 Mark Jahresbeitrag dem Allgemeinen deutschen Nerein
""et, erhAr diesen Vortrag zugesandt.
Zum Schutze der deutschen Landschaft

zuzüchteu, so müßte man unzweifelhaft alle jene „Reaktious- und Ressentiments-
Instinkte, " mit deren Hilfe die vornehmen Geschlechter überwältigt worden sind,
als die eigentlichen Werkzeuge der Kultur betrachten. Aber das Gegenteil ist
nicht nur wahrscheinlich, nein, es ist heute sogar augenscheinlich. Diese Träger
der niederdrückenden, vergeltungslüsternen Instinkte, die Nachkommen alles
europäischen und nichteuropüischen Sklaventums — sie stellen den Rückgang
der Menschheit dar. Diese „Werkzeuge der Kultur" sind eine Schande der
Menschheit und eher ein Verdacht, ein Gegenargument gegen Kultur
überhaupt. Deal wir leiden am Menschen, es ist kein Zweifel. Wir sehen
heute nichts, das größer werden will; wir ahnen, daß es immer nach ab¬
wärts, abwärts geht, ins Dünnere, Gutmütigere, Klügere, Behaglichere, Mittel¬
müßigere, Gleichgiltigere, Chinesischere, Christlichere — der Mensch, es ist kein
Zweifel, wird immer besser. .Hier liegt das Verhängnis Enrvpns. Mit der
Furcht vor dem Menschen haben wir auch die Liebe zu ihm, die Ehrfurcht
vor ihm, die Hoffnung auf ihn eingebüßt. Der Anblick des Menschen
macht müde.

(Schluß folgt)




Zum Schutze der deutschen Landschaft

or dem nen gegründeten Allgemeinen deutschen Verein in Berlin,
der deutsches Bolkstum pflegen und auf diesem Wege die geistige
und sittliche Wohlfahrt des deutschen Volkes heben und fördern
will, hielt Professor Rudvrff letzten Frühling einen Vortrag
über den Schutz der landschaftlichen Natur und der geschicht¬
lichen Denkmäler Deutschlands. Der von Einsicht und warmer Liebe zur
Schönheit und Eigentümlichkeit unsers Landes zeugende Vortrag ist im Ver¬
lage dieses Vereins erschienen und verdient die weiteste Verbreitung.*)

Rndorff hat nicht bloß die Zerstörungen und Schändungen gebrandmarkt,
schnöde Gewinn- und Neuerungssucht an unsrer Landschaft verüben, und
^ geistverlassenen Regulirungen unsrer Städte, Forsten und Felder gegeißelt:
hat auch die Auswüchse gezeigt, die das Touristentum selbst hervorbringt,
die reine Quelle trübt, aus der es Labung trinken will. In dem Teil
Wner Ausführungen, wo er „den Afterknltns der Natur im modernen
^ouristeutum" bespricht, besonders die Sucht, der Bequemlichkeit und der



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[0039] Zum Schutze der deutschen Landschaft zuzüchteu, so müßte man unzweifelhaft alle jene „Reaktious- und Ressentiments- Instinkte, " mit deren Hilfe die vornehmen Geschlechter überwältigt worden sind, als die eigentlichen Werkzeuge der Kultur betrachten. Aber das Gegenteil ist nicht nur wahrscheinlich, nein, es ist heute sogar augenscheinlich. Diese Träger der niederdrückenden, vergeltungslüsternen Instinkte, die Nachkommen alles europäischen und nichteuropüischen Sklaventums — sie stellen den Rückgang der Menschheit dar. Diese „Werkzeuge der Kultur" sind eine Schande der Menschheit und eher ein Verdacht, ein Gegenargument gegen Kultur überhaupt. Deal wir leiden am Menschen, es ist kein Zweifel. Wir sehen heute nichts, das größer werden will; wir ahnen, daß es immer nach ab¬ wärts, abwärts geht, ins Dünnere, Gutmütigere, Klügere, Behaglichere, Mittel¬ müßigere, Gleichgiltigere, Chinesischere, Christlichere — der Mensch, es ist kein Zweifel, wird immer besser. .Hier liegt das Verhängnis Enrvpns. Mit der Furcht vor dem Menschen haben wir auch die Liebe zu ihm, die Ehrfurcht vor ihm, die Hoffnung auf ihn eingebüßt. Der Anblick des Menschen macht müde. (Schluß folgt) Zum Schutze der deutschen Landschaft or dem nen gegründeten Allgemeinen deutschen Verein in Berlin, der deutsches Bolkstum pflegen und auf diesem Wege die geistige und sittliche Wohlfahrt des deutschen Volkes heben und fördern will, hielt Professor Rudvrff letzten Frühling einen Vortrag über den Schutz der landschaftlichen Natur und der geschicht¬ lichen Denkmäler Deutschlands. Der von Einsicht und warmer Liebe zur Schönheit und Eigentümlichkeit unsers Landes zeugende Vortrag ist im Ver¬ lage dieses Vereins erschienen und verdient die weiteste Verbreitung.*) Rndorff hat nicht bloß die Zerstörungen und Schändungen gebrandmarkt, schnöde Gewinn- und Neuerungssucht an unsrer Landschaft verüben, und ^ geistverlassenen Regulirungen unsrer Städte, Forsten und Felder gegeißelt: hat auch die Auswüchse gezeigt, die das Touristentum selbst hervorbringt, die reine Quelle trübt, aus der es Labung trinken will. In dem Teil Wner Ausführungen, wo er „den Afterknltns der Natur im modernen ^ouristeutum" bespricht, besonders die Sucht, der Bequemlichkeit und der b°> - ^ Mitglied mit 1 Mark Jahresbeitrag dem Allgemeinen deutschen Nerein ""et, erhAr diesen Vortrag zugesandt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/39>, abgerufen am 27.04.2024.