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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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drückten nur ans, daß die zu diesem Zweck angewandten Mittel ungeeignet gewesen
seien; habe es der Verfasser anders gemeint, so habe er sich undeutlich ausgedrückt.

Die Sache ist wohl des langen Geredes nicht wert, da ja solche Kleinig¬
keiten der vom Rezensenten ausdrücklich anerkannten Brauchbarkeit des Buches keinen
Abbruch thun.




Litteratur

Zwölf Jahre deutscher Parteikämpfe (1881-1892). Von I. Seidl". (Fünftes Heft
der zweiten Reihe der von Eugen Wolff herausgegebnen Deutschen Schriften für nationales
Leben.) Kiel und Leipzig, Lipsius und Tischer, 1892

Eine ziemlich unparteiische Naturgeschichte unsrer gegenwärtigen Parteien,
deren Inhalt für Leser, die sich den Einblick ersparen wollen, auf dem Titelblatte
angegeben ist: ,,Politische und wirtschaftliche Theorien, die Parteien als Interessen¬
vertretung, persönliche Verhältnisse und Taktik der Parteien, sachliches aus dem
Parlament, die Parteien der Zukunft." Viel kommt bei dieser Aufzählung be¬
kannter Thatsachen und Ereignisse nicht heraus. Als Parteien der Zukunft nennt
der Verfasser: eine ultrakonservative Agrarierpartei, eine gemäßigt konservative in¬
dustrielle Partei, eine liberale individualistische Partei, die die Interesse" des
Handels wahrnimmt, und eine demokratisch-kommunistische Arbeiterpartei. Das ist
ja aber gar keine Zukunft, sondern (da die Bezeichnungen freikonservativ, national-
liberal und deutschfreisinnig bedeutungslos sind und nur als Köder für unklare
Kopfe dienen) die reine Gegenwart, nur daß das durchs Zentrum gebundne Drittel
der Nation noch nicht in die Gliederung eingegangen ist. Das Zentrum, meint
sadin, werde sich erst auslösen, ,,wenn die Katholiken anders geworden sind, wenn
sie sich von dem Bann des römischen Priestertums losgemacht haben." Das kann,
wie sadin sehr richtig bemerkt, noch lange dauern. Vielleicht gehts rascher, wenn
die Protestanten anders werden, womit wir natürlich nicht meinen, daß sie katho¬
lisch werden, sondern daß sie die Kulturpaukerei lassen sollen, die den katholischen
Fanatismus und die Furcht der Katholiken vor Vernichtung ihrer Religion immer
wieder aufs neue weckt.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr, Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
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drückten nur ans, daß die zu diesem Zweck angewandten Mittel ungeeignet gewesen
seien; habe es der Verfasser anders gemeint, so habe er sich undeutlich ausgedrückt.

Die Sache ist wohl des langen Geredes nicht wert, da ja solche Kleinig¬
keiten der vom Rezensenten ausdrücklich anerkannten Brauchbarkeit des Buches keinen
Abbruch thun.




Litteratur

Zwölf Jahre deutscher Parteikämpfe (1881-1892). Von I. Seidl». (Fünftes Heft
der zweiten Reihe der von Eugen Wolff herausgegebnen Deutschen Schriften für nationales
Leben.) Kiel und Leipzig, Lipsius und Tischer, 1892

Eine ziemlich unparteiische Naturgeschichte unsrer gegenwärtigen Parteien,
deren Inhalt für Leser, die sich den Einblick ersparen wollen, auf dem Titelblatte
angegeben ist: ,,Politische und wirtschaftliche Theorien, die Parteien als Interessen¬
vertretung, persönliche Verhältnisse und Taktik der Parteien, sachliches aus dem
Parlament, die Parteien der Zukunft." Viel kommt bei dieser Aufzählung be¬
kannter Thatsachen und Ereignisse nicht heraus. Als Parteien der Zukunft nennt
der Verfasser: eine ultrakonservative Agrarierpartei, eine gemäßigt konservative in¬
dustrielle Partei, eine liberale individualistische Partei, die die Interesse» des
Handels wahrnimmt, und eine demokratisch-kommunistische Arbeiterpartei. Das ist
ja aber gar keine Zukunft, sondern (da die Bezeichnungen freikonservativ, national-
liberal und deutschfreisinnig bedeutungslos sind und nur als Köder für unklare
Kopfe dienen) die reine Gegenwart, nur daß das durchs Zentrum gebundne Drittel
der Nation noch nicht in die Gliederung eingegangen ist. Das Zentrum, meint
sadin, werde sich erst auslösen, ,,wenn die Katholiken anders geworden sind, wenn
sie sich von dem Bann des römischen Priestertums losgemacht haben." Das kann,
wie sadin sehr richtig bemerkt, noch lange dauern. Vielleicht gehts rascher, wenn
die Protestanten anders werden, womit wir natürlich nicht meinen, daß sie katho¬
lisch werden, sondern daß sie die Kulturpaukerei lassen sollen, die den katholischen
Fanatismus und die Furcht der Katholiken vor Vernichtung ihrer Religion immer
wieder aufs neue weckt.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr, Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0400] Litteratur drückten nur ans, daß die zu diesem Zweck angewandten Mittel ungeeignet gewesen seien; habe es der Verfasser anders gemeint, so habe er sich undeutlich ausgedrückt. Die Sache ist wohl des langen Geredes nicht wert, da ja solche Kleinig¬ keiten der vom Rezensenten ausdrücklich anerkannten Brauchbarkeit des Buches keinen Abbruch thun. Litteratur Zwölf Jahre deutscher Parteikämpfe (1881-1892). Von I. Seidl». (Fünftes Heft der zweiten Reihe der von Eugen Wolff herausgegebnen Deutschen Schriften für nationales Leben.) Kiel und Leipzig, Lipsius und Tischer, 1892 Eine ziemlich unparteiische Naturgeschichte unsrer gegenwärtigen Parteien, deren Inhalt für Leser, die sich den Einblick ersparen wollen, auf dem Titelblatte angegeben ist: ,,Politische und wirtschaftliche Theorien, die Parteien als Interessen¬ vertretung, persönliche Verhältnisse und Taktik der Parteien, sachliches aus dem Parlament, die Parteien der Zukunft." Viel kommt bei dieser Aufzählung be¬ kannter Thatsachen und Ereignisse nicht heraus. Als Parteien der Zukunft nennt der Verfasser: eine ultrakonservative Agrarierpartei, eine gemäßigt konservative in¬ dustrielle Partei, eine liberale individualistische Partei, die die Interesse» des Handels wahrnimmt, und eine demokratisch-kommunistische Arbeiterpartei. Das ist ja aber gar keine Zukunft, sondern (da die Bezeichnungen freikonservativ, national- liberal und deutschfreisinnig bedeutungslos sind und nur als Köder für unklare Kopfe dienen) die reine Gegenwart, nur daß das durchs Zentrum gebundne Drittel der Nation noch nicht in die Gliederung eingegangen ist. Das Zentrum, meint sadin, werde sich erst auslösen, ,,wenn die Katholiken anders geworden sind, wenn sie sich von dem Bann des römischen Priestertums losgemacht haben." Das kann, wie sadin sehr richtig bemerkt, noch lange dauern. Vielleicht gehts rascher, wenn die Protestanten anders werden, womit wir natürlich nicht meinen, daß sie katho¬ lisch werden, sondern daß sie die Kulturpaukerei lassen sollen, die den katholischen Fanatismus und die Furcht der Katholiken vor Vernichtung ihrer Religion immer wieder aufs neue weckt. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr, Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/400>, abgerufen am 27.04.2024.