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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

gehen und den Goldsmied snacken lassen. Und wie ich mir denn nach diesen
Freund umkucke, so is das ein Herr aus Hamburg, heißt Rosenstein und
scheint ein ganz gebildeten Mann zu sein!

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Geplagte Herren.

Viele Geiwssen der sozialdemokratischen Partei haben
jedenfalls keine Ahnung davon gehabt, wieviel die Leiter der Partei zu thun haben,
sonst hätten nicht verschiedne Abgeordnete auf dem Parteitage zu Berlin ihre An¬
träge auf Kürzung der "Gehälter" und ihre Wünsche auf mehr und bessere
Leistungen vorgebracht. Wie wenig muß der Hamburger Abgeordnete, der einen
Gehalt von 2500 Mark für ausreichend hielt, dcwou versteh", was es für Mühe
kostet, eine Partei ordentlich zu regieren! Es ist in der That kein Wunder, daß
die Parteiregieruug seinen Vorschlag für "unannehmbar" erklärte und, wie andre
Regierungen vor ihr gethan haben, im Fall der Annahme Aussicht auf ihren Rück¬
tritt machte. Nun, die Vernunft hat die Oberhand behalten, man hat eingesehn,
daß Regieren eine Kunst ist, zu der nicht jeder Genosse geschickt ist, daß ein Chef
redakteur eine andre Bezahlung für seine Arbeit verlangen muß als ein schlesischer
Gebirgsproletnrier, daß die Menschen sehr verschieden befähigt sind und demnach
die Gleichheit ein schöner Traum ist. So groß die Masse ist, über die die Partei¬
leitung verfügt, um die Talente für den Kampf mit den Gegnern auszuwählen,
so gering ist die Zahl der brauchbaren "Kräfte," die ihr die schwere Last der
Arbeit tragen helfen können. Schon hat man bemerkt, daß Liebknecht "unersetz¬
bar" ist, so unersetzbar für die Partei wie -- si xsrvg. liost oomxonsrv inaxms --
Fürst Bismarck für die Negierung des Reichs- Der gescheidte und redegewandte Auer
faßte den ganzen Streit mit einer glücklichen Wendung in den Ruf zusammen!
Mehr Bebel her! Als ob das so leicht wäre, als ob die fleißigen und tüchtigen
Leute so auf der Straße herumlagen und nur so aufgelesen zu werden brauchten!

Die Folge ist, dnß sich die wenigen Leiter über alle Gebühr anstrengen
müssen. Ein Abgeordneter entschuldigt Auer wegen seiner Schroffheit damit, daß
er, wie man bedenken müsse, sehr in Anspruch genommen werde. Liebknecht er¬
klärt, er habe selbst vielleicht in seinem Leben nie so gearbeitet, als seit er am
"Vorwärts" sei. und oft schon sei er mit dem Gedanken umgegangen, entweder
sein Mandat und die Agitation aufzugeben oder die Redaktion niederzulegen. Er
stehe ganz im Dienste der Partei, die Partei verdiene durch ihn. Man sieht
daraus, daß die Umwnndlnng zweier bekannten Wahlspruche in ihre Gegenstücke:
?frei inskrvisvÄo oonsnmor und Lslns xarti" suxrvw" 1"x (Singer: "Für jeden
Parteigenossen muß das Wohl der Partei dus oberste Gesetz sein") keine Erleich¬
terungen an Beschwerden gewährt, wenn sie von den Personen ernst genommen
werden; es ist immer wieder das alte Bild der Geschichte, nnr init formalen
Änderungen, es geschieht nichts neues unter der Sonne. Der zweite Redakteur


Maßgebliches und Unmaßgebliches

gehen und den Goldsmied snacken lassen. Und wie ich mir denn nach diesen
Freund umkucke, so is das ein Herr aus Hamburg, heißt Rosenstein und
scheint ein ganz gebildeten Mann zu sein!

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Geplagte Herren.

Viele Geiwssen der sozialdemokratischen Partei haben
jedenfalls keine Ahnung davon gehabt, wieviel die Leiter der Partei zu thun haben,
sonst hätten nicht verschiedne Abgeordnete auf dem Parteitage zu Berlin ihre An¬
träge auf Kürzung der „Gehälter" und ihre Wünsche auf mehr und bessere
Leistungen vorgebracht. Wie wenig muß der Hamburger Abgeordnete, der einen
Gehalt von 2500 Mark für ausreichend hielt, dcwou versteh«, was es für Mühe
kostet, eine Partei ordentlich zu regieren! Es ist in der That kein Wunder, daß
die Parteiregieruug seinen Vorschlag für „unannehmbar" erklärte und, wie andre
Regierungen vor ihr gethan haben, im Fall der Annahme Aussicht auf ihren Rück¬
tritt machte. Nun, die Vernunft hat die Oberhand behalten, man hat eingesehn,
daß Regieren eine Kunst ist, zu der nicht jeder Genosse geschickt ist, daß ein Chef
redakteur eine andre Bezahlung für seine Arbeit verlangen muß als ein schlesischer
Gebirgsproletnrier, daß die Menschen sehr verschieden befähigt sind und demnach
die Gleichheit ein schöner Traum ist. So groß die Masse ist, über die die Partei¬
leitung verfügt, um die Talente für den Kampf mit den Gegnern auszuwählen,
so gering ist die Zahl der brauchbaren „Kräfte," die ihr die schwere Last der
Arbeit tragen helfen können. Schon hat man bemerkt, daß Liebknecht „unersetz¬
bar" ist, so unersetzbar für die Partei wie — si xsrvg. liost oomxonsrv inaxms —
Fürst Bismarck für die Negierung des Reichs- Der gescheidte und redegewandte Auer
faßte den ganzen Streit mit einer glücklichen Wendung in den Ruf zusammen!
Mehr Bebel her! Als ob das so leicht wäre, als ob die fleißigen und tüchtigen
Leute so auf der Straße herumlagen und nur so aufgelesen zu werden brauchten!

Die Folge ist, dnß sich die wenigen Leiter über alle Gebühr anstrengen
müssen. Ein Abgeordneter entschuldigt Auer wegen seiner Schroffheit damit, daß
er, wie man bedenken müsse, sehr in Anspruch genommen werde. Liebknecht er¬
klärt, er habe selbst vielleicht in seinem Leben nie so gearbeitet, als seit er am
„Vorwärts" sei. und oft schon sei er mit dem Gedanken umgegangen, entweder
sein Mandat und die Agitation aufzugeben oder die Redaktion niederzulegen. Er
stehe ganz im Dienste der Partei, die Partei verdiene durch ihn. Man sieht
daraus, daß die Umwnndlnng zweier bekannten Wahlspruche in ihre Gegenstücke:
?frei inskrvisvÄo oonsnmor und Lslns xarti» suxrvw» 1«x (Singer: „Für jeden
Parteigenossen muß das Wohl der Partei dus oberste Gesetz sein") keine Erleich¬
terungen an Beschwerden gewährt, wenn sie von den Personen ernst genommen
werden; es ist immer wieder das alte Bild der Geschichte, nnr init formalen
Änderungen, es geschieht nichts neues unter der Sonne. Der zweite Redakteur


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[0498] Maßgebliches und Unmaßgebliches gehen und den Goldsmied snacken lassen. Und wie ich mir denn nach diesen Freund umkucke, so is das ein Herr aus Hamburg, heißt Rosenstein und scheint ein ganz gebildeten Mann zu sein! (Fortsetzung folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Geplagte Herren. Viele Geiwssen der sozialdemokratischen Partei haben jedenfalls keine Ahnung davon gehabt, wieviel die Leiter der Partei zu thun haben, sonst hätten nicht verschiedne Abgeordnete auf dem Parteitage zu Berlin ihre An¬ träge auf Kürzung der „Gehälter" und ihre Wünsche auf mehr und bessere Leistungen vorgebracht. Wie wenig muß der Hamburger Abgeordnete, der einen Gehalt von 2500 Mark für ausreichend hielt, dcwou versteh«, was es für Mühe kostet, eine Partei ordentlich zu regieren! Es ist in der That kein Wunder, daß die Parteiregieruug seinen Vorschlag für „unannehmbar" erklärte und, wie andre Regierungen vor ihr gethan haben, im Fall der Annahme Aussicht auf ihren Rück¬ tritt machte. Nun, die Vernunft hat die Oberhand behalten, man hat eingesehn, daß Regieren eine Kunst ist, zu der nicht jeder Genosse geschickt ist, daß ein Chef redakteur eine andre Bezahlung für seine Arbeit verlangen muß als ein schlesischer Gebirgsproletnrier, daß die Menschen sehr verschieden befähigt sind und demnach die Gleichheit ein schöner Traum ist. So groß die Masse ist, über die die Partei¬ leitung verfügt, um die Talente für den Kampf mit den Gegnern auszuwählen, so gering ist die Zahl der brauchbaren „Kräfte," die ihr die schwere Last der Arbeit tragen helfen können. Schon hat man bemerkt, daß Liebknecht „unersetz¬ bar" ist, so unersetzbar für die Partei wie — si xsrvg. liost oomxonsrv inaxms — Fürst Bismarck für die Negierung des Reichs- Der gescheidte und redegewandte Auer faßte den ganzen Streit mit einer glücklichen Wendung in den Ruf zusammen! Mehr Bebel her! Als ob das so leicht wäre, als ob die fleißigen und tüchtigen Leute so auf der Straße herumlagen und nur so aufgelesen zu werden brauchten! Die Folge ist, dnß sich die wenigen Leiter über alle Gebühr anstrengen müssen. Ein Abgeordneter entschuldigt Auer wegen seiner Schroffheit damit, daß er, wie man bedenken müsse, sehr in Anspruch genommen werde. Liebknecht er¬ klärt, er habe selbst vielleicht in seinem Leben nie so gearbeitet, als seit er am „Vorwärts" sei. und oft schon sei er mit dem Gedanken umgegangen, entweder sein Mandat und die Agitation aufzugeben oder die Redaktion niederzulegen. Er stehe ganz im Dienste der Partei, die Partei verdiene durch ihn. Man sieht daraus, daß die Umwnndlnng zweier bekannten Wahlspruche in ihre Gegenstücke: ?frei inskrvisvÄo oonsnmor und Lslns xarti» suxrvw» 1«x (Singer: „Für jeden Parteigenossen muß das Wohl der Partei dus oberste Gesetz sein") keine Erleich¬ terungen an Beschwerden gewährt, wenn sie von den Personen ernst genommen werden; es ist immer wieder das alte Bild der Geschichte, nnr init formalen Änderungen, es geschieht nichts neues unter der Sonne. Der zweite Redakteur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/498>, abgerufen am 27.04.2024.