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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Reformen auf dem Gebiete der Interessenvertretungen
von R. Steg ein anII

W''^Äur den, der sich daran gewöhnt hat, Erscheinungen des öffent¬
lichen Lebens in ihrem Zusammenhange zu beobachten, ist eine
Bewegung nicht ohne Interesse, die sich gegenwärtig auf dein
Gebiete der Interessenvertretungen vollzieht: der Drang der ein¬
zelnen Erwerbsgruppcn nach einer staatlich anerkannten Vertre-
tung. Das Bezeichnende dieser Bestrebungen ist das offenbare Ringen nach
Einfluß und Macht, und zwar nach außen wie nach innen, d, h, im Staate
und gegenüber den einzelnen Berufsgenossen,

Während in Deutschland lange Zeit Großhandel und Fabrikation in den
Handels- und Gcwerbekmnmern das einzige Beispiel einer staatlich organisirten
Interessengemeinschaft darstellten, sehen wir neuerdings anch die andern große"
Erwerbsgruppen: Landwirtschaft, Handwerk und die Verkehrsgewerbe, sich um
autoritative Vertretung ihrer Interessen bemühen, und selbst die in andern,
Sinne erwerbenden Gruppen der Anwälte und Ärzte haben es sür notwendig
befunden, sich eine staatlich anerkannte, ständische Gliederung zu geben.

Suchen wir nach deu tiefer liegenden Beweggründen, die allen diesen
Bestrebungen gemeinsam sind, so werden sich diese am deutlichsten ergeben,
wenn wir die Bedeutung der "Kammern" mit der der freien Vereinigungen
vergleichen.

Die unterscheidenden Merkmale zwischen beiden Formen der Interessen-
Vereinigung dürften hauptsächlich folgende sein: 1. Während die freie Ver¬
ewigung nur einen Teil der Verufsgenossen umfaßt, nämlich den, der für sich
einen Vorteil in dem Veitritt sieht, umschließt die Kammer sämtliche Berufs-
genosseii, die nicht als der Gemeinschaft unwürdig befunden werden. 2. Wäh-


Giniziwten IV 1892 7


Reformen auf dem Gebiete der Interessenvertretungen
von R. Steg ein anII

W''^Äur den, der sich daran gewöhnt hat, Erscheinungen des öffent¬
lichen Lebens in ihrem Zusammenhange zu beobachten, ist eine
Bewegung nicht ohne Interesse, die sich gegenwärtig auf dein
Gebiete der Interessenvertretungen vollzieht: der Drang der ein¬
zelnen Erwerbsgruppcn nach einer staatlich anerkannten Vertre-
tung. Das Bezeichnende dieser Bestrebungen ist das offenbare Ringen nach
Einfluß und Macht, und zwar nach außen wie nach innen, d, h, im Staate
und gegenüber den einzelnen Berufsgenossen,

Während in Deutschland lange Zeit Großhandel und Fabrikation in den
Handels- und Gcwerbekmnmern das einzige Beispiel einer staatlich organisirten
Interessengemeinschaft darstellten, sehen wir neuerdings anch die andern große»
Erwerbsgruppen: Landwirtschaft, Handwerk und die Verkehrsgewerbe, sich um
autoritative Vertretung ihrer Interessen bemühen, und selbst die in andern,
Sinne erwerbenden Gruppen der Anwälte und Ärzte haben es sür notwendig
befunden, sich eine staatlich anerkannte, ständische Gliederung zu geben.

Suchen wir nach deu tiefer liegenden Beweggründen, die allen diesen
Bestrebungen gemeinsam sind, so werden sich diese am deutlichsten ergeben,
wenn wir die Bedeutung der „Kammern" mit der der freien Vereinigungen
vergleichen.

Die unterscheidenden Merkmale zwischen beiden Formen der Interessen-
Vereinigung dürften hauptsächlich folgende sein: 1. Während die freie Ver¬
ewigung nur einen Teil der Verufsgenossen umfaßt, nämlich den, der für sich
einen Vorteil in dem Veitritt sieht, umschließt die Kammer sämtliche Berufs-
genosseii, die nicht als der Gemeinschaft unwürdig befunden werden. 2. Wäh-


Giniziwten IV 1892 7
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[0057] [Abbildung] Reformen auf dem Gebiete der Interessenvertretungen von R. Steg ein anII W''^Äur den, der sich daran gewöhnt hat, Erscheinungen des öffent¬ lichen Lebens in ihrem Zusammenhange zu beobachten, ist eine Bewegung nicht ohne Interesse, die sich gegenwärtig auf dein Gebiete der Interessenvertretungen vollzieht: der Drang der ein¬ zelnen Erwerbsgruppcn nach einer staatlich anerkannten Vertre- tung. Das Bezeichnende dieser Bestrebungen ist das offenbare Ringen nach Einfluß und Macht, und zwar nach außen wie nach innen, d, h, im Staate und gegenüber den einzelnen Berufsgenossen, Während in Deutschland lange Zeit Großhandel und Fabrikation in den Handels- und Gcwerbekmnmern das einzige Beispiel einer staatlich organisirten Interessengemeinschaft darstellten, sehen wir neuerdings anch die andern große» Erwerbsgruppen: Landwirtschaft, Handwerk und die Verkehrsgewerbe, sich um autoritative Vertretung ihrer Interessen bemühen, und selbst die in andern, Sinne erwerbenden Gruppen der Anwälte und Ärzte haben es sür notwendig befunden, sich eine staatlich anerkannte, ständische Gliederung zu geben. Suchen wir nach deu tiefer liegenden Beweggründen, die allen diesen Bestrebungen gemeinsam sind, so werden sich diese am deutlichsten ergeben, wenn wir die Bedeutung der „Kammern" mit der der freien Vereinigungen vergleichen. Die unterscheidenden Merkmale zwischen beiden Formen der Interessen- Vereinigung dürften hauptsächlich folgende sein: 1. Während die freie Ver¬ ewigung nur einen Teil der Verufsgenossen umfaßt, nämlich den, der für sich einen Vorteil in dem Veitritt sieht, umschließt die Kammer sämtliche Berufs- genosseii, die nicht als der Gemeinschaft unwürdig befunden werden. 2. Wäh- Giniziwten IV 1892 7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/57>, abgerufen am 27.04.2024.