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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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hinausschieben lassen, wenn die Einrichtung nicht selbst Schaden leiden soll.
In erster Linie verstehen wir hierunter die jetzt so ungleichmäßige Verteilung
der Handelskammern über die Monarchie. Wir finden neben Handelskammern,
die ganze Regierungsbezirke vertreten, kleine Kammern, die nur eine mittlere
Stadt oder einen landrntlichen Kreis umschließen, wir finden andrerseits um¬
fangreiche Landesteile ohne jede Vertretung. Wir halten es für dringlich, daß
in beiden Richtungen möglichst bald Abhilfe geschaffen werde. Ferner muß
der Wirkungskreis der Handelskammern nach dem österreichische" Muster er¬
weitert werden. Es würde in Erwägung zu ziehen sein, ob den Handels¬
kammern nicht eine weitere Mitwirkung bei der Regiftrirung der Firmen- und
Fabrikzeichen, bei der Regelung des Konkursweseus, bei der Beaufsichtigung
des kaufmännischen und gewerblichen Fachunterrichtes, bei der Ausübung der
Gewerbeinspektion, bei der Durchführung der sozialen Gesetzgebung, bei der
Jndustriestatistik und bei der Ausbildung unsrer gewerblichen Beamten (Kon¬
suln, Fabrikinspektoren u. s. w.) zuzuweisen sei. Auch eine einheitliche Regelung
in den Anstelluugs- und Dienstverhältnissen ihrer Beamten und in der Bericht¬
erstattung würde sich als zweckmäßig erweisen. Wenn man einmal an die
Aufgabe hinantritt, die Handelskammern zeitgemäß umzuformen, thue man es
auch gründlich, damit sie sich auf erweiterter Grundlage auch ersprießlich
weiter entwickeln können. Dann beschränke man aber auch die Reform nicht
auf die Handelskammern selbst, sondern ziehe auch die Einrichtung des deutschen
Haudelstages, der jetzt als freie Organisation kein recht wirksames Bindeglied
zwischen der Staatsregierung und den Handelskammern darstellt, in den Be¬
reich der Umformung.


2. Kleinhandelskammern.

Wie aus den Andeutungen der Berliner Po¬
litischen Nachrichten hervorgeht, soll der Kleinhandel künftighin durch eine be¬
sondre Gruppe innerhalb der Handwerker- oder, wie sie dann wohl heißen
werden, der Gewerbekammer vertreten werden. Wir mochten hiervon ent¬
schieden abraten, da die Berührung zwischen Handwerk und Kleinhandel doch
nur äußerlich ist. Schon einmal ist ein solcher Versuch schlecht abgelaufen.
Wir erinnern an die Worte, die der ehemalige Handelsminister Graf von
Jtzenplitz am 14. Januar 1870 im preußische" Abgeordnetenhause gesprochen
hat: "Wenn der Herr Abgeordnete Richter der frühern Gewerberäte gedacht
hat, so hatte das einen bestimmten Grund, warum die nicht lebensfähig waren,
nämlich weil das Gesetz über die Gewerberäte zu deu Handwerkern auch die
Kaufleute mit hineingebracht hat, und das waren verschiedne Interessen, die
ihre besondre Vertretung verlangten, und deshalb sind die so zusammengesetzten
Gewerberäte gestorben." Überdies wäre es doch gewiß unnatürlich, einen
Stand so auseinanderzureißen, daß die kleinern Berufsgenossen einer ganz
fremdartigen Berufsklasse zugewiesen werden, während doch eine Grenze zwischen
Groß- und Kleinkaufmann praktisch gar nicht zu ziehen ist. Schließlich würde


hinausschieben lassen, wenn die Einrichtung nicht selbst Schaden leiden soll.
In erster Linie verstehen wir hierunter die jetzt so ungleichmäßige Verteilung
der Handelskammern über die Monarchie. Wir finden neben Handelskammern,
die ganze Regierungsbezirke vertreten, kleine Kammern, die nur eine mittlere
Stadt oder einen landrntlichen Kreis umschließen, wir finden andrerseits um¬
fangreiche Landesteile ohne jede Vertretung. Wir halten es für dringlich, daß
in beiden Richtungen möglichst bald Abhilfe geschaffen werde. Ferner muß
der Wirkungskreis der Handelskammern nach dem österreichische» Muster er¬
weitert werden. Es würde in Erwägung zu ziehen sein, ob den Handels¬
kammern nicht eine weitere Mitwirkung bei der Regiftrirung der Firmen- und
Fabrikzeichen, bei der Regelung des Konkursweseus, bei der Beaufsichtigung
des kaufmännischen und gewerblichen Fachunterrichtes, bei der Ausübung der
Gewerbeinspektion, bei der Durchführung der sozialen Gesetzgebung, bei der
Jndustriestatistik und bei der Ausbildung unsrer gewerblichen Beamten (Kon¬
suln, Fabrikinspektoren u. s. w.) zuzuweisen sei. Auch eine einheitliche Regelung
in den Anstelluugs- und Dienstverhältnissen ihrer Beamten und in der Bericht¬
erstattung würde sich als zweckmäßig erweisen. Wenn man einmal an die
Aufgabe hinantritt, die Handelskammern zeitgemäß umzuformen, thue man es
auch gründlich, damit sie sich auf erweiterter Grundlage auch ersprießlich
weiter entwickeln können. Dann beschränke man aber auch die Reform nicht
auf die Handelskammern selbst, sondern ziehe auch die Einrichtung des deutschen
Haudelstages, der jetzt als freie Organisation kein recht wirksames Bindeglied
zwischen der Staatsregierung und den Handelskammern darstellt, in den Be¬
reich der Umformung.


2. Kleinhandelskammern.

Wie aus den Andeutungen der Berliner Po¬
litischen Nachrichten hervorgeht, soll der Kleinhandel künftighin durch eine be¬
sondre Gruppe innerhalb der Handwerker- oder, wie sie dann wohl heißen
werden, der Gewerbekammer vertreten werden. Wir mochten hiervon ent¬
schieden abraten, da die Berührung zwischen Handwerk und Kleinhandel doch
nur äußerlich ist. Schon einmal ist ein solcher Versuch schlecht abgelaufen.
Wir erinnern an die Worte, die der ehemalige Handelsminister Graf von
Jtzenplitz am 14. Januar 1870 im preußische« Abgeordnetenhause gesprochen
hat: „Wenn der Herr Abgeordnete Richter der frühern Gewerberäte gedacht
hat, so hatte das einen bestimmten Grund, warum die nicht lebensfähig waren,
nämlich weil das Gesetz über die Gewerberäte zu deu Handwerkern auch die
Kaufleute mit hineingebracht hat, und das waren verschiedne Interessen, die
ihre besondre Vertretung verlangten, und deshalb sind die so zusammengesetzten
Gewerberäte gestorben." Überdies wäre es doch gewiß unnatürlich, einen
Stand so auseinanderzureißen, daß die kleinern Berufsgenossen einer ganz
fremdartigen Berufsklasse zugewiesen werden, während doch eine Grenze zwischen
Groß- und Kleinkaufmann praktisch gar nicht zu ziehen ist. Schließlich würde


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/63>, abgerufen am 27.04.2024.