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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr.

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Reformen ans dem Gebiete der Interessenvertretungen

es gar nicht möglich sein, den Kleinhandel aus den jetzigen Handelskammern
herauszulösen, wenigstens nicht in der Weise, wie sich dies die Negierung
wohl denkt, nämlich dadurch, daß das Wahlrecht an eine bestimmte Gewerbe-
steuerstnfe gebunden wird. Denn entweder würde diese Stufe hoch gegriffen,
dann würde eine große Anzahl kleinerer gewerblicher Unternehmungen eben¬
falls ihre natürliche Vertretung verlieren, oder sie würde niedrig gegriffen,
dann würde die Absicht der Regierung, die Gewerbekammern wieder zu
ausschließlichen Vertretungen des Großhandels und der Großindustrie zu
macheu, nicht erfüllt werden, ES giebt einen andern Weg, den Inter¬
essen des Großhandels und der Großindustrie wie denen des Kleinhandels
gerecht zu werden: man teile die jetzigen Kammern in zwei Abteilungen,
d. h. man nehme die Vertretung des Kleinhandels nicht ans den Handels¬
kammern heraus, sondern gebe ihr innerhalb der Handelskammern eine ge¬
wisse Selbständigkeit, z, B. eigne Wahlen und eignen Vorsitz, lasse aber im
übrigen den Zusammenhang zwischen beiden Abteilungen so weit bestehen, daß
neben den AbteilungSsitzuugen die Plenarsitznngen, die einheitliche Geschäfts¬
führung und die einheitliche Berichterstattung fortbestehen bleiben. Auf diese
Weise wird den beiderseitigen Interessen am besten gedient sein.

Wir können bei dieser Gelegenheit eine irrtümliche Auffassung nicht nn-
widerlegt lassen, die sich in einer offiziösen Korrespondenz findet. Es wird
den Apothekenbesitzern, die eine eigne Standesvertretnng anstreben, der Rat
gegeben, sie möchten ihre Vertretung in den Handelskammern suchen, und es
wird ihnen zum Vorwurf gemacht, daß sie dieses ihr Interesse bisher so wenig
mahrgenommen hätten. Für den, der mit den Wahlbewegungen der Handels¬
kammern einigermaßen vertraut ist, wird das Irrtümliche dieser Auffassung
ohne weiteres hervortrete", um in das Kollegium einer Handelskammer
gewählt zu werden, muß der Bewerber den Anhang des am stärksten ver-
tretnen ober einflußreichsten Gewerbes hinter sich haben. Diese Voraussetzung
kann bei den Apothekern, deren es in den Wahlbezirken immer nur einige
wenige geben wird, nie zutreffen, ganz davon abgesehen, daß zwischen den
Kaufleuten und dein Apotheker doch immer eine kleine Kluft besteht, sodaß die
einen den andern doch nicht gerade zum Vertreter ihrer Interessen wählen
werden.


Z. Handwerkerkammern.

Die Grundzüge ihres Organisationsplanes sind
bereits halbamtlich bekannt gemacht. Es ist zunächst anzuerkennen, daß man
eine reichsgesetzliche Regelung ins Auge gefaßt hat, und daß man vou der
Überzeugung ausgegangen ist, daß ohne ein entsprechendes Maß festbestimmter
Aufgaben die Lebensfähigkeit der Handwerkerkammern nicht gewährleistet ist.
Da zur Zeit noch kein fertiger Entwurf vorliegt, so versage" wir es uns um
so mehr, näher auf die Sache einzugehen, als dem Anschein nach die neuen
Handwerkerkammern mit so bedeutender Machtfülle ausgestattet sein werden,


Reformen ans dem Gebiete der Interessenvertretungen

es gar nicht möglich sein, den Kleinhandel aus den jetzigen Handelskammern
herauszulösen, wenigstens nicht in der Weise, wie sich dies die Negierung
wohl denkt, nämlich dadurch, daß das Wahlrecht an eine bestimmte Gewerbe-
steuerstnfe gebunden wird. Denn entweder würde diese Stufe hoch gegriffen,
dann würde eine große Anzahl kleinerer gewerblicher Unternehmungen eben¬
falls ihre natürliche Vertretung verlieren, oder sie würde niedrig gegriffen,
dann würde die Absicht der Regierung, die Gewerbekammern wieder zu
ausschließlichen Vertretungen des Großhandels und der Großindustrie zu
macheu, nicht erfüllt werden, ES giebt einen andern Weg, den Inter¬
essen des Großhandels und der Großindustrie wie denen des Kleinhandels
gerecht zu werden: man teile die jetzigen Kammern in zwei Abteilungen,
d. h. man nehme die Vertretung des Kleinhandels nicht ans den Handels¬
kammern heraus, sondern gebe ihr innerhalb der Handelskammern eine ge¬
wisse Selbständigkeit, z, B. eigne Wahlen und eignen Vorsitz, lasse aber im
übrigen den Zusammenhang zwischen beiden Abteilungen so weit bestehen, daß
neben den AbteilungSsitzuugen die Plenarsitznngen, die einheitliche Geschäfts¬
führung und die einheitliche Berichterstattung fortbestehen bleiben. Auf diese
Weise wird den beiderseitigen Interessen am besten gedient sein.

Wir können bei dieser Gelegenheit eine irrtümliche Auffassung nicht nn-
widerlegt lassen, die sich in einer offiziösen Korrespondenz findet. Es wird
den Apothekenbesitzern, die eine eigne Standesvertretnng anstreben, der Rat
gegeben, sie möchten ihre Vertretung in den Handelskammern suchen, und es
wird ihnen zum Vorwurf gemacht, daß sie dieses ihr Interesse bisher so wenig
mahrgenommen hätten. Für den, der mit den Wahlbewegungen der Handels¬
kammern einigermaßen vertraut ist, wird das Irrtümliche dieser Auffassung
ohne weiteres hervortrete», um in das Kollegium einer Handelskammer
gewählt zu werden, muß der Bewerber den Anhang des am stärksten ver-
tretnen ober einflußreichsten Gewerbes hinter sich haben. Diese Voraussetzung
kann bei den Apothekern, deren es in den Wahlbezirken immer nur einige
wenige geben wird, nie zutreffen, ganz davon abgesehen, daß zwischen den
Kaufleuten und dein Apotheker doch immer eine kleine Kluft besteht, sodaß die
einen den andern doch nicht gerade zum Vertreter ihrer Interessen wählen
werden.


Z. Handwerkerkammern.

Die Grundzüge ihres Organisationsplanes sind
bereits halbamtlich bekannt gemacht. Es ist zunächst anzuerkennen, daß man
eine reichsgesetzliche Regelung ins Auge gefaßt hat, und daß man vou der
Überzeugung ausgegangen ist, daß ohne ein entsprechendes Maß festbestimmter
Aufgaben die Lebensfähigkeit der Handwerkerkammern nicht gewährleistet ist.
Da zur Zeit noch kein fertiger Entwurf vorliegt, so versage» wir es uns um
so mehr, näher auf die Sache einzugehen, als dem Anschein nach die neuen
Handwerkerkammern mit so bedeutender Machtfülle ausgestattet sein werden,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_213113/64>, abgerufen am 27.04.2024.