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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Die politische Lage auf den hawaiischen Inseln

nde Januar kam nach Europa die Nachricht, daß am 16. die
Regierung auf den hawaiischen Inseln gestürzt worden sei. Die
Kunde kam dem nicht im geringsten überraschend, der sich in
letzter Zeit ein wenig um dieses herrliche Jnselland, dieses Pa¬
radies der Sttdsee, gekümmert hatte; schon längst mußte man
eine derartige Nachricht erwarten.

Am 20. Januar 1891 wurde König Kalakana auf einer Vergnügungs¬
reise plötzlich in San Franzisko vom Tode überrascht. Derselbe ameri¬
kanische Kriegsdampfer Charleston, der den Lebensfroher kurz zuvor ab¬
geholt hatte, brachte den toten König in die Heimat. In seiner Hauptstadt
Honolulu fand ein glänzendes Begräbnis statt. Die Kanälen, Chinesen und
Japaner betrauerten ihn herzlich, denn in den kostspieligen, stets dur be¬
zahlten Neigungen ihres Herrschers erblickten sie die schönste Eigenschaft eines
auf das Nvlkswohl bedachten Landesvaters. Die Thronfvlgerin war die
Schwester des Königs, die Prinzessin Lilinokolani, eine fromme Dame im
Alter von zweiundfünfzig Jahren. Gleich damals wurde vornnsgesagt, daß
es ihr schwer werden würde, mit ihrer tugendhaften Einfachheit den Glanz
der Krone zu erhalten. Um die Achtung der Unterthanen zu gewinnen, müßte
sie sich zu einer kostspieligem Lebensweise entschließen.

In der That hat denn auch seit ihrem Regierungsantritt auf diesen
glücklichen Eilanden nur selteu Ruhe geherrscht. Es stehen hier schon seit
längerer Zeit zwei Parteien ziemlich schroff einander gegenüber: die einge-
bornen Farbigen und die eingewanderten Weißen. Schon am 30. Juli 1889,
"och bei Lebzeiten Kalakauas, machten die Eingebornen unter Führung des
Mischlings George Wileox einen Aufstand, allerdings erfolglos. Durch fünf
Deutschamerikaner, die den Regierungstruppeu zu Hilfe kamen und sich der


Grenzboten I 1893 45


Die politische Lage auf den hawaiischen Inseln

nde Januar kam nach Europa die Nachricht, daß am 16. die
Regierung auf den hawaiischen Inseln gestürzt worden sei. Die
Kunde kam dem nicht im geringsten überraschend, der sich in
letzter Zeit ein wenig um dieses herrliche Jnselland, dieses Pa¬
radies der Sttdsee, gekümmert hatte; schon längst mußte man
eine derartige Nachricht erwarten.

Am 20. Januar 1891 wurde König Kalakana auf einer Vergnügungs¬
reise plötzlich in San Franzisko vom Tode überrascht. Derselbe ameri¬
kanische Kriegsdampfer Charleston, der den Lebensfroher kurz zuvor ab¬
geholt hatte, brachte den toten König in die Heimat. In seiner Hauptstadt
Honolulu fand ein glänzendes Begräbnis statt. Die Kanälen, Chinesen und
Japaner betrauerten ihn herzlich, denn in den kostspieligen, stets dur be¬
zahlten Neigungen ihres Herrschers erblickten sie die schönste Eigenschaft eines
auf das Nvlkswohl bedachten Landesvaters. Die Thronfvlgerin war die
Schwester des Königs, die Prinzessin Lilinokolani, eine fromme Dame im
Alter von zweiundfünfzig Jahren. Gleich damals wurde vornnsgesagt, daß
es ihr schwer werden würde, mit ihrer tugendhaften Einfachheit den Glanz
der Krone zu erhalten. Um die Achtung der Unterthanen zu gewinnen, müßte
sie sich zu einer kostspieligem Lebensweise entschließen.

In der That hat denn auch seit ihrem Regierungsantritt auf diesen
glücklichen Eilanden nur selteu Ruhe geherrscht. Es stehen hier schon seit
längerer Zeit zwei Parteien ziemlich schroff einander gegenüber: die einge-
bornen Farbigen und die eingewanderten Weißen. Schon am 30. Juli 1889,
»och bei Lebzeiten Kalakauas, machten die Eingebornen unter Führung des
Mischlings George Wileox einen Aufstand, allerdings erfolglos. Durch fünf
Deutschamerikaner, die den Regierungstruppeu zu Hilfe kamen und sich der


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[0363] [Abbildung] Die politische Lage auf den hawaiischen Inseln nde Januar kam nach Europa die Nachricht, daß am 16. die Regierung auf den hawaiischen Inseln gestürzt worden sei. Die Kunde kam dem nicht im geringsten überraschend, der sich in letzter Zeit ein wenig um dieses herrliche Jnselland, dieses Pa¬ radies der Sttdsee, gekümmert hatte; schon längst mußte man eine derartige Nachricht erwarten. Am 20. Januar 1891 wurde König Kalakana auf einer Vergnügungs¬ reise plötzlich in San Franzisko vom Tode überrascht. Derselbe ameri¬ kanische Kriegsdampfer Charleston, der den Lebensfroher kurz zuvor ab¬ geholt hatte, brachte den toten König in die Heimat. In seiner Hauptstadt Honolulu fand ein glänzendes Begräbnis statt. Die Kanälen, Chinesen und Japaner betrauerten ihn herzlich, denn in den kostspieligen, stets dur be¬ zahlten Neigungen ihres Herrschers erblickten sie die schönste Eigenschaft eines auf das Nvlkswohl bedachten Landesvaters. Die Thronfvlgerin war die Schwester des Königs, die Prinzessin Lilinokolani, eine fromme Dame im Alter von zweiundfünfzig Jahren. Gleich damals wurde vornnsgesagt, daß es ihr schwer werden würde, mit ihrer tugendhaften Einfachheit den Glanz der Krone zu erhalten. Um die Achtung der Unterthanen zu gewinnen, müßte sie sich zu einer kostspieligem Lebensweise entschließen. In der That hat denn auch seit ihrem Regierungsantritt auf diesen glücklichen Eilanden nur selteu Ruhe geherrscht. Es stehen hier schon seit längerer Zeit zwei Parteien ziemlich schroff einander gegenüber: die einge- bornen Farbigen und die eingewanderten Weißen. Schon am 30. Juli 1889, »och bei Lebzeiten Kalakauas, machten die Eingebornen unter Führung des Mischlings George Wileox einen Aufstand, allerdings erfolglos. Durch fünf Deutschamerikaner, die den Regierungstruppeu zu Hilfe kamen und sich der Grenzboten I 1893 45

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/363>, abgerufen am 27.04.2024.