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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Schwarzes Bret

folgendes. Ein Kollege des Ostens hat einige Monate vor und kurze Zeit noch
der Verleihung des Oberlehrertitels von einer Westdeutschen Firma Wein bezogen.
Er erhält jetzt die neue Preisliste und zwar in zwei Exemplaren; der eine Brief¬
umschlag hat nur die schlichte Aufschrift: Herrn Dr. N, N., Gymnasiallehrer, Wohl-
geboren, der andre dagegen ist an Herrn Dr. N. N, Königl. Gymiiasialvberlehrer,
Hochwohlgeboren gerichtet. Gott Lob, daß der preußische Gymnasiallehrer endlich
die Stufe des Seloudelentnants erklommen hat! Titel, nicht bloß Kleider machen
Leute.

Im engern Kreise bleibt es natürlich beim alten: das Proviuzialschulkollegium
oder der Direktor wird nach wie vor den Oberlehrer als einen schlechthin wohl-
geborner betrachten; und das ist hübsch, es zeugt von väterlicher Vertraulichkeit.
Wie steif geht es dagegen bei den Juristen zu, wo der Oberpräsident u. s. w. den
ihm unterstellten Amtsrichter gewöhnlich mit dem förmlichen Hochwohlgeboren
beehrt. Doch das ist Nebensache, bleiben wir bei den Philologen. Den Pro-
gymnasialdirektvren soll nach den neuen Bestimmungen der persönliche Rang der
Räte vierter Klasse verliehen werde" (auch einem Teil der Professoren). Die Er¬
füllung dieser Bestimmung läßt vorläufig noch etwas auf sich warten (ebenso wie
die sogenannte Funktionsznlcige bei vielen Oberlehrern, die der erstell Hälfte an¬
gehören). Wie hilft man sich uun inzwischen aus der peinlichen Verlegenheit, einen
Prvgymnasialdireltor zu benennen, der als Direktor eigentlich hochwohlgeboren,
zunächst aber nur noch wohlgeboren ist? Höchst einfach. Man bildet einen neuen
Begriff und schreibt an die Prvgymuasialdirektivns!), unter Vermeidung alles Ge-
bornen, was wenigstens ein Vorzug dieser angenehmen Neuerung ist.

Das Ganze ist im einzelnen und im allgemeinen lehrreich. Das hübsche
Zöpfchen, daß wir uns besonders seit dem letzten Jahrzehnt wieder mit dem Wohl-
geboren und Hochwohlgeboren lustig haben wachsen lassen, kann bald einmal zu
ernsthaften Streitigkeiten im Parlament sichren. Die bisher nur Wohlgeboren titn-
lirten, aber sich Hochwohlgeboren fühlenden Berufsarten kommen um das ihnen
bis jetzt schmählich vorenthaltene Hochwohlgeboren ein. Frackgeschmücttc Abgeordnete
erscheinen zu feierlicher Audienz beim Herrn Minister Exzellenz -- sie drehn sich
links, sie drehn sich rechts, der Zopf hängt ihnen hinten.




Schwarzes Bret

Die erste Nummer der "Landwirtschaftlichen Tierzucht" richtet in ihrer Beilage eine
ausführliche und von vielen hervorragenden Vertretern der deutschen Landwirtschaft unter¬
zeichnete Frage an die Regierung, die zugleich eine Mahnung an die deutschen Landwirte sein
soll. Die Hauptschaden, an denen unsre Landwirtschaft krankt, werden lebhaft und gut erörtert.
Wir wollen hier nur einen Punkt hervorheben, die Klage über den Bureaukralismus und
das Juristenunwesen. Giebt den", heißt es auf der zweiten Seite, das Studium des römischen
Rechts allein die Fähigkeit zur Verwaltung, zur richtigen Beurteilung der praktischen Ver¬
hältnisse? Wäre es nicht viel besser, man ließe den Referendar oder Assessor eines der Jahre,


Schwarzes Bret

folgendes. Ein Kollege des Ostens hat einige Monate vor und kurze Zeit noch
der Verleihung des Oberlehrertitels von einer Westdeutschen Firma Wein bezogen.
Er erhält jetzt die neue Preisliste und zwar in zwei Exemplaren; der eine Brief¬
umschlag hat nur die schlichte Aufschrift: Herrn Dr. N, N., Gymnasiallehrer, Wohl-
geboren, der andre dagegen ist an Herrn Dr. N. N, Königl. Gymiiasialvberlehrer,
Hochwohlgeboren gerichtet. Gott Lob, daß der preußische Gymnasiallehrer endlich
die Stufe des Seloudelentnants erklommen hat! Titel, nicht bloß Kleider machen
Leute.

Im engern Kreise bleibt es natürlich beim alten: das Proviuzialschulkollegium
oder der Direktor wird nach wie vor den Oberlehrer als einen schlechthin wohl-
geborner betrachten; und das ist hübsch, es zeugt von väterlicher Vertraulichkeit.
Wie steif geht es dagegen bei den Juristen zu, wo der Oberpräsident u. s. w. den
ihm unterstellten Amtsrichter gewöhnlich mit dem förmlichen Hochwohlgeboren
beehrt. Doch das ist Nebensache, bleiben wir bei den Philologen. Den Pro-
gymnasialdirektvren soll nach den neuen Bestimmungen der persönliche Rang der
Räte vierter Klasse verliehen werde» (auch einem Teil der Professoren). Die Er¬
füllung dieser Bestimmung läßt vorläufig noch etwas auf sich warten (ebenso wie
die sogenannte Funktionsznlcige bei vielen Oberlehrern, die der erstell Hälfte an¬
gehören). Wie hilft man sich uun inzwischen aus der peinlichen Verlegenheit, einen
Prvgymnasialdireltor zu benennen, der als Direktor eigentlich hochwohlgeboren,
zunächst aber nur noch wohlgeboren ist? Höchst einfach. Man bildet einen neuen
Begriff und schreibt an die Prvgymuasialdirektivns!), unter Vermeidung alles Ge-
bornen, was wenigstens ein Vorzug dieser angenehmen Neuerung ist.

Das Ganze ist im einzelnen und im allgemeinen lehrreich. Das hübsche
Zöpfchen, daß wir uns besonders seit dem letzten Jahrzehnt wieder mit dem Wohl-
geboren und Hochwohlgeboren lustig haben wachsen lassen, kann bald einmal zu
ernsthaften Streitigkeiten im Parlament sichren. Die bisher nur Wohlgeboren titn-
lirten, aber sich Hochwohlgeboren fühlenden Berufsarten kommen um das ihnen
bis jetzt schmählich vorenthaltene Hochwohlgeboren ein. Frackgeschmücttc Abgeordnete
erscheinen zu feierlicher Audienz beim Herrn Minister Exzellenz — sie drehn sich
links, sie drehn sich rechts, der Zopf hängt ihnen hinten.




Schwarzes Bret

Die erste Nummer der „Landwirtschaftlichen Tierzucht" richtet in ihrer Beilage eine
ausführliche und von vielen hervorragenden Vertretern der deutschen Landwirtschaft unter¬
zeichnete Frage an die Regierung, die zugleich eine Mahnung an die deutschen Landwirte sein
soll. Die Hauptschaden, an denen unsre Landwirtschaft krankt, werden lebhaft und gut erörtert.
Wir wollen hier nur einen Punkt hervorheben, die Klage über den Bureaukralismus und
das Juristenunwesen. Giebt den», heißt es auf der zweiten Seite, das Studium des römischen
Rechts allein die Fähigkeit zur Verwaltung, zur richtigen Beurteilung der praktischen Ver¬
hältnisse? Wäre es nicht viel besser, man ließe den Referendar oder Assessor eines der Jahre,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/417>, abgerufen am 27.04.2024.