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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Liudahls Stammbuch

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und Menschenkenntnis" zeigt sich von der poetischen Strömung der Zeit er¬
griffen und zeichnet ein:


Bleibt mir, o nennr! nur deiner Freuden seeliger Genuß


Bernoulli.

Bedeutender und reicher zeigt sich die Ausbeute des Jahres 1798. Schon
im Jahre zuvor, ehe er seiue Reise antrat, empfing Lindahl ein schönes Er¬
innerungsblatt von dem damaligen Patriarchen der deutschen Dichtung. Aus
Hamburg, deu 28. Januar 1797 schreibt der greise Dichter des Messias:


An Herrn Lindahl.

Ich habe es schon einigen Ihrer Landsleute mündlich gesagt; und ich sage es Ihnen
jetzt schriftlich, daß meine Verehrung gegen die schwedische Nation mit der Zahl der Schweden
zunimmt, welche mich auf ihren Reisen besuchen. Erinnern Sie sich dieser mir sehr ange¬
nehmen Vorstellung bey folgender Ode, welche Sie in der neuen Ausgabe meiner Schriften
Klopstock. finden werden.

Nun folgt im Album die eigenhändige Abschrift der Ode "Mein Gram" von
1796: Einer der hohen Geister ist heruntergestiegen u. s. w., worin der Dichter
seinen Kummer bekennt, daß er der Verheißung der Franken: "Nie führt unser
Volk den Krieg der Eroberung" geglaubt habe und nun überall den Kriegs-
donner vernehme, als Verkündiger "des schönen heiligen nicht gehaltnen Worts."

Von den ersten Stationen der Reise des Jahres 1798 stammen die In¬
schriften der Freunde Johann Heinrich Voß und C. A. Overbeck. Voß muß
politische Berührungspunkte mit dem schwedischen Besucher gefunden haben,
das Herz geht ihm auf, und er schreibt in Lindahls Buch:

Eutin, 9 August 1798.


Ihr Guten, widerstrebet
Der rohen Zeit;
Zur Griechenhöh' erhebet
Die Menschlichkeit.
Voll edler Seel' erblühe
Ein neu Geschlecht;
Und tief in Wälder fliehe
Das Stärkerecht.
Dem guten Schwede" Lindahl empfiehlt sich der gute Deutsche

I. H. Voß.

Und am folgenden Tage, den 10. August, variirt C. A. Overbeck in Lübeck
dasselbe Thema, indem er ans seinem Liede: ,,Warum sind der Thränen unterm
Mond so viel?" die Strophe einzeichnet:


Wies nun ist auf Erden
Also folles nicht seyn.
Laßt uns besser werden
Gleich wirds besser sehn!

Liudahls Stammbuch

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und Menschenkenntnis" zeigt sich von der poetischen Strömung der Zeit er¬
griffen und zeichnet ein:


Bleibt mir, o nennr! nur deiner Freuden seeliger Genuß


Bernoulli.

Bedeutender und reicher zeigt sich die Ausbeute des Jahres 1798. Schon
im Jahre zuvor, ehe er seiue Reise antrat, empfing Lindahl ein schönes Er¬
innerungsblatt von dem damaligen Patriarchen der deutschen Dichtung. Aus
Hamburg, deu 28. Januar 1797 schreibt der greise Dichter des Messias:


An Herrn Lindahl.

Ich habe es schon einigen Ihrer Landsleute mündlich gesagt; und ich sage es Ihnen
jetzt schriftlich, daß meine Verehrung gegen die schwedische Nation mit der Zahl der Schweden
zunimmt, welche mich auf ihren Reisen besuchen. Erinnern Sie sich dieser mir sehr ange¬
nehmen Vorstellung bey folgender Ode, welche Sie in der neuen Ausgabe meiner Schriften
Klopstock. finden werden.

Nun folgt im Album die eigenhändige Abschrift der Ode „Mein Gram" von
1796: Einer der hohen Geister ist heruntergestiegen u. s. w., worin der Dichter
seinen Kummer bekennt, daß er der Verheißung der Franken: „Nie führt unser
Volk den Krieg der Eroberung" geglaubt habe und nun überall den Kriegs-
donner vernehme, als Verkündiger „des schönen heiligen nicht gehaltnen Worts."

Von den ersten Stationen der Reise des Jahres 1798 stammen die In¬
schriften der Freunde Johann Heinrich Voß und C. A. Overbeck. Voß muß
politische Berührungspunkte mit dem schwedischen Besucher gefunden haben,
das Herz geht ihm auf, und er schreibt in Lindahls Buch:

Eutin, 9 August 1798.


Ihr Guten, widerstrebet
Der rohen Zeit;
Zur Griechenhöh' erhebet
Die Menschlichkeit.
Voll edler Seel' erblühe
Ein neu Geschlecht;
Und tief in Wälder fliehe
Das Stärkerecht.
Dem guten Schwede» Lindahl empfiehlt sich der gute Deutsche

I. H. Voß.

Und am folgenden Tage, den 10. August, variirt C. A. Overbeck in Lübeck
dasselbe Thema, indem er ans seinem Liede: ,,Warum sind der Thränen unterm
Mond so viel?" die Strophe einzeichnet:


Wies nun ist auf Erden
Also folles nicht seyn.
Laßt uns besser werden
Gleich wirds besser sehn!

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[0048] Liudahls Stammbuch ^ und Menschenkenntnis" zeigt sich von der poetischen Strömung der Zeit er¬ griffen und zeichnet ein: Bleibt mir, o nennr! nur deiner Freuden seeliger Genuß Bernoulli. Bedeutender und reicher zeigt sich die Ausbeute des Jahres 1798. Schon im Jahre zuvor, ehe er seiue Reise antrat, empfing Lindahl ein schönes Er¬ innerungsblatt von dem damaligen Patriarchen der deutschen Dichtung. Aus Hamburg, deu 28. Januar 1797 schreibt der greise Dichter des Messias: An Herrn Lindahl. Ich habe es schon einigen Ihrer Landsleute mündlich gesagt; und ich sage es Ihnen jetzt schriftlich, daß meine Verehrung gegen die schwedische Nation mit der Zahl der Schweden zunimmt, welche mich auf ihren Reisen besuchen. Erinnern Sie sich dieser mir sehr ange¬ nehmen Vorstellung bey folgender Ode, welche Sie in der neuen Ausgabe meiner Schriften Klopstock. finden werden. Nun folgt im Album die eigenhändige Abschrift der Ode „Mein Gram" von 1796: Einer der hohen Geister ist heruntergestiegen u. s. w., worin der Dichter seinen Kummer bekennt, daß er der Verheißung der Franken: „Nie führt unser Volk den Krieg der Eroberung" geglaubt habe und nun überall den Kriegs- donner vernehme, als Verkündiger „des schönen heiligen nicht gehaltnen Worts." Von den ersten Stationen der Reise des Jahres 1798 stammen die In¬ schriften der Freunde Johann Heinrich Voß und C. A. Overbeck. Voß muß politische Berührungspunkte mit dem schwedischen Besucher gefunden haben, das Herz geht ihm auf, und er schreibt in Lindahls Buch: Eutin, 9 August 1798. Ihr Guten, widerstrebet Der rohen Zeit; Zur Griechenhöh' erhebet Die Menschlichkeit. Voll edler Seel' erblühe Ein neu Geschlecht; Und tief in Wälder fliehe Das Stärkerecht. Dem guten Schwede» Lindahl empfiehlt sich der gute Deutsche I. H. Voß. Und am folgenden Tage, den 10. August, variirt C. A. Overbeck in Lübeck dasselbe Thema, indem er ans seinem Liede: ,,Warum sind der Thränen unterm Mond so viel?" die Strophe einzeichnet: Wies nun ist auf Erden Also folles nicht seyn. Laßt uns besser werden Gleich wirds besser sehn!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/48>, abgerufen am 27.04.2024.