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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Schwarzes Bret

Berlin, im Wintergarteiltheater in Berlin, im Reichshallentheater in Berlin, im
Karl Schnlzetheater in Hamburg, im Stadttheater in Czernowitz, im Ungarischen
Volkstheater in Budapest, in Felds Sommertheater in Budapest, in Somosys Or-
Pheum in Budapest.

Im Residenztheater in Dresden nud un Viktoriasalon in Dresden wird gegen¬
wartig an der Herstellung der Vorhänge vom k. k. Hoftheatermaler Burkhart in
Wien gearbeitet, und sind noch einige Annoneenflächcn auf dieselben zu vergeben.
Reflektanten hierauf belieben an den zur Zeit hier weilenden Repräsentanten der
Unternehmung (M. Stern) im Hotel Stadt Gotha behufs Bestellung schriftliche
Mitteilung zukommen zu lassen."

Deutlicher, als es durch diese Anzeige und die darin mitgeteilten Thatsachen
geschieht, kann wohl kaum ausgedrückt werden, wie tief das deutsche Thcaterwesen
gegenwärtig gefüllten ist. Also so weit sind wir gekommen, daß der Bühnenteil,
zu dessen Schmückung sonst die Kunst eingeladen wurde, und über den auch oft
genug die größten Künstler das Füllhorn ihrer Phantasie ausgeschüttet daheim der
Theatervorhang, zu einem riesengroßen Jnseratenblatt herabgewürdigt wird, mit
dem sich das verehrungswürdige Publikum in den Zwischenakten über die besten
Bezngsgnellen von Handschuhen, Schokolade, Seife und Hühueraugenriugen belehren
soll. Pfui!

Man sage nicht, der Vorhang sei eine Äußerlichkeit des Theaters, die mit
den Kunstleistungen aus der Bühne nichts thun habe. Der Theatervorhang als
Plakattafel stimmt vollständig zu dem, was hinterm Vorhang jetzt geleistet wird.
Kunststätten siud ja unsre Theater schon längst nicht mehr; im besten und harm¬
losesten Falle sind es Vergnügnngsanstalten, in jedem Falle -- Geschäftshäuser.
Der Theatervvrhaug als Plakattafel spricht das endlich unverblümt aus. Es fehlte
nur noch, daß statt der Namen großer Dichter und Musiker, wie sie in manchen
Theatern nu Plafonds und Brüstungen angebracht siud, in Zukunft Namen wie
Stollwerck, Mey ^ Etlich, Blumenschmidt, Liugner 6? Kraft, Matheus Müller,
A. Wasmuth 6- Co. erschienen. Vielleicht kommt das auch noch.




Schwarzes Bret

Aller zwei Wochen muß eins der Bismarclischen Blätter gegen andre Blätter erkläre",
daß der frühere Reich-kanzler seine Meinung über öffentliche Angelegenheiten abgebe, ohne
dabei besondre Ämtervlmie für sich oder andre zu haben. Sind wir wirklich schon so weit
w Denischland, daß es eine gangbare Überzeugung ist: wer sich eifrig um das Vaterland
kümmert, der suche nur sein Prositchen? Selbst wenn er zu Deutschland in einem doch nicht
ganz zu leugnenden Vaterverhältnis steht?




Welch glänzender Kreis "edler" und "geheimer" Herren sich zu der Trauerfeier für den
verstorbnen Herrn Gerson Bleichröder versammelt hatte, haben gewiß alle Leser mit der
gleichen freudigen Überraschung wie wir ans den Zeitungen vernommen. Nur eins fanden


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Berlin, im Wintergarteiltheater in Berlin, im Reichshallentheater in Berlin, im
Karl Schnlzetheater in Hamburg, im Stadttheater in Czernowitz, im Ungarischen
Volkstheater in Budapest, in Felds Sommertheater in Budapest, in Somosys Or-
Pheum in Budapest.

Im Residenztheater in Dresden nud un Viktoriasalon in Dresden wird gegen¬
wartig an der Herstellung der Vorhänge vom k. k. Hoftheatermaler Burkhart in
Wien gearbeitet, und sind noch einige Annoneenflächcn auf dieselben zu vergeben.
Reflektanten hierauf belieben an den zur Zeit hier weilenden Repräsentanten der
Unternehmung (M. Stern) im Hotel Stadt Gotha behufs Bestellung schriftliche
Mitteilung zukommen zu lassen."

Deutlicher, als es durch diese Anzeige und die darin mitgeteilten Thatsachen
geschieht, kann wohl kaum ausgedrückt werden, wie tief das deutsche Thcaterwesen
gegenwärtig gefüllten ist. Also so weit sind wir gekommen, daß der Bühnenteil,
zu dessen Schmückung sonst die Kunst eingeladen wurde, und über den auch oft
genug die größten Künstler das Füllhorn ihrer Phantasie ausgeschüttet daheim der
Theatervorhang, zu einem riesengroßen Jnseratenblatt herabgewürdigt wird, mit
dem sich das verehrungswürdige Publikum in den Zwischenakten über die besten
Bezngsgnellen von Handschuhen, Schokolade, Seife und Hühueraugenriugen belehren
soll. Pfui!

Man sage nicht, der Vorhang sei eine Äußerlichkeit des Theaters, die mit
den Kunstleistungen aus der Bühne nichts thun habe. Der Theatervorhang als
Plakattafel stimmt vollständig zu dem, was hinterm Vorhang jetzt geleistet wird.
Kunststätten siud ja unsre Theater schon längst nicht mehr; im besten und harm¬
losesten Falle sind es Vergnügnngsanstalten, in jedem Falle — Geschäftshäuser.
Der Theatervvrhaug als Plakattafel spricht das endlich unverblümt aus. Es fehlte
nur noch, daß statt der Namen großer Dichter und Musiker, wie sie in manchen
Theatern nu Plafonds und Brüstungen angebracht siud, in Zukunft Namen wie
Stollwerck, Mey ^ Etlich, Blumenschmidt, Liugner 6? Kraft, Matheus Müller,
A. Wasmuth 6- Co. erschienen. Vielleicht kommt das auch noch.




Schwarzes Bret

Aller zwei Wochen muß eins der Bismarclischen Blätter gegen andre Blätter erkläre»,
daß der frühere Reich-kanzler seine Meinung über öffentliche Angelegenheiten abgebe, ohne
dabei besondre Ämtervlmie für sich oder andre zu haben. Sind wir wirklich schon so weit
w Denischland, daß es eine gangbare Überzeugung ist: wer sich eifrig um das Vaterland
kümmert, der suche nur sein Prositchen? Selbst wenn er zu Deutschland in einem doch nicht
ganz zu leugnenden Vaterverhältnis steht?




Welch glänzender Kreis „edler" und „geheimer" Herren sich zu der Trauerfeier für den
verstorbnen Herrn Gerson Bleichröder versammelt hatte, haben gewiß alle Leser mit der
gleichen freudigen Überraschung wie wir ans den Zeitungen vernommen. Nur eins fanden


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[0513] Schwarzes Bret Berlin, im Wintergarteiltheater in Berlin, im Reichshallentheater in Berlin, im Karl Schnlzetheater in Hamburg, im Stadttheater in Czernowitz, im Ungarischen Volkstheater in Budapest, in Felds Sommertheater in Budapest, in Somosys Or- Pheum in Budapest. Im Residenztheater in Dresden nud un Viktoriasalon in Dresden wird gegen¬ wartig an der Herstellung der Vorhänge vom k. k. Hoftheatermaler Burkhart in Wien gearbeitet, und sind noch einige Annoneenflächcn auf dieselben zu vergeben. Reflektanten hierauf belieben an den zur Zeit hier weilenden Repräsentanten der Unternehmung (M. Stern) im Hotel Stadt Gotha behufs Bestellung schriftliche Mitteilung zukommen zu lassen." Deutlicher, als es durch diese Anzeige und die darin mitgeteilten Thatsachen geschieht, kann wohl kaum ausgedrückt werden, wie tief das deutsche Thcaterwesen gegenwärtig gefüllten ist. Also so weit sind wir gekommen, daß der Bühnenteil, zu dessen Schmückung sonst die Kunst eingeladen wurde, und über den auch oft genug die größten Künstler das Füllhorn ihrer Phantasie ausgeschüttet daheim der Theatervorhang, zu einem riesengroßen Jnseratenblatt herabgewürdigt wird, mit dem sich das verehrungswürdige Publikum in den Zwischenakten über die besten Bezngsgnellen von Handschuhen, Schokolade, Seife und Hühueraugenriugen belehren soll. Pfui! Man sage nicht, der Vorhang sei eine Äußerlichkeit des Theaters, die mit den Kunstleistungen aus der Bühne nichts thun habe. Der Theatervorhang als Plakattafel stimmt vollständig zu dem, was hinterm Vorhang jetzt geleistet wird. Kunststätten siud ja unsre Theater schon längst nicht mehr; im besten und harm¬ losesten Falle sind es Vergnügnngsanstalten, in jedem Falle — Geschäftshäuser. Der Theatervvrhaug als Plakattafel spricht das endlich unverblümt aus. Es fehlte nur noch, daß statt der Namen großer Dichter und Musiker, wie sie in manchen Theatern nu Plafonds und Brüstungen angebracht siud, in Zukunft Namen wie Stollwerck, Mey ^ Etlich, Blumenschmidt, Liugner 6? Kraft, Matheus Müller, A. Wasmuth 6- Co. erschienen. Vielleicht kommt das auch noch. Schwarzes Bret Aller zwei Wochen muß eins der Bismarclischen Blätter gegen andre Blätter erkläre», daß der frühere Reich-kanzler seine Meinung über öffentliche Angelegenheiten abgebe, ohne dabei besondre Ämtervlmie für sich oder andre zu haben. Sind wir wirklich schon so weit w Denischland, daß es eine gangbare Überzeugung ist: wer sich eifrig um das Vaterland kümmert, der suche nur sein Prositchen? Selbst wenn er zu Deutschland in einem doch nicht ganz zu leugnenden Vaterverhältnis steht? Welch glänzender Kreis „edler" und „geheimer" Herren sich zu der Trauerfeier für den verstorbnen Herrn Gerson Bleichröder versammelt hatte, haben gewiß alle Leser mit der gleichen freudigen Überraschung wie wir ans den Zeitungen vernommen. Nur eins fanden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/513>, abgerufen am 27.04.2024.