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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Direkte und indirekte Wahl

icht di
e Erörterung über direkte oder indirekte Wahl, die kürzlich
im preußischen Abgeordnetenhaus^' stattgefunden hat, veranlaßt
uns, diese Frage zu behandeln. Denn diese Erörterung hat ge¬
rade gezeigt, daß in Preußen noch niemand ernstlich darauf
hofft, die indirekte Wahl für das Abgeordnetenhaus zu be¬
seitige!?. Ja selbst die Klasscuabteiluug der Wähler, die jetzt im Anschluß an
die Steuerreform abgeändert wird, hat nicht so viel Gegner im Lande, daß
sie bedroht erscheinen könnte.

Was uns hier treibt, ist der Stand der Wahlrechtsfrage in Baden. Wir
müssen also in unsern Betrachtungen anknüpfen an die badischen Verhältnisse
und an die Erörterungen, die in Baden stattgefunden haben. Dennoch hoffen
wir, auch bei einem weitern Leserkreise Interesse für den Gegenstand zu finden,
denn in den meisten deutscheu Staaten, die die indirekte Wahl für ihre Volks¬
vertretung haben/') hat die direkte Wahl für den Reichstag eine gewisse Begier
im Volke erweckt, auch zum Landtage direkt wählen zu dürfen, und so ist fast
allenthalben die Frage aufgeworfen, wenn sie anch, wie in Preußen, nicht
eben als brennend betrachtet wird.

Von der zweiten Kammer des badischen Landtags wurde in der letzten
Session fast einstimmig ein Beschluß gefaßt, der der großherzoglichen Regie¬
rung empfahl, die direkte Wahl einzuführen. Dieser Beschluß kam zustande



Sachsen hat das direkte Wahlrecht, aber nicht das allgemeine, in Württemberg bilden
die ans dem direkten Wahlrecht hervorgegnngnen Abgeordneten nur einen Teil der Kammer;
Baden hat indirekte Wahlen, aber das allgemeine Stimmrecht, während die andern deutschen
Staaten (außer einige" der kleinsten) neben der indirekten Wahl meist noch andre Gegen¬
gewichte gegen das allgemeine Stimmrecht oder Einschränkungen dieses Stimmrechts haben.
Grenzboten I 1LW 64


Direkte und indirekte Wahl

icht di
e Erörterung über direkte oder indirekte Wahl, die kürzlich
im preußischen Abgeordnetenhaus^' stattgefunden hat, veranlaßt
uns, diese Frage zu behandeln. Denn diese Erörterung hat ge¬
rade gezeigt, daß in Preußen noch niemand ernstlich darauf
hofft, die indirekte Wahl für das Abgeordnetenhaus zu be¬
seitige!?. Ja selbst die Klasscuabteiluug der Wähler, die jetzt im Anschluß an
die Steuerreform abgeändert wird, hat nicht so viel Gegner im Lande, daß
sie bedroht erscheinen könnte.

Was uns hier treibt, ist der Stand der Wahlrechtsfrage in Baden. Wir
müssen also in unsern Betrachtungen anknüpfen an die badischen Verhältnisse
und an die Erörterungen, die in Baden stattgefunden haben. Dennoch hoffen
wir, auch bei einem weitern Leserkreise Interesse für den Gegenstand zu finden,
denn in den meisten deutscheu Staaten, die die indirekte Wahl für ihre Volks¬
vertretung haben/') hat die direkte Wahl für den Reichstag eine gewisse Begier
im Volke erweckt, auch zum Landtage direkt wählen zu dürfen, und so ist fast
allenthalben die Frage aufgeworfen, wenn sie anch, wie in Preußen, nicht
eben als brennend betrachtet wird.

Von der zweiten Kammer des badischen Landtags wurde in der letzten
Session fast einstimmig ein Beschluß gefaßt, der der großherzoglichen Regie¬
rung empfahl, die direkte Wahl einzuführen. Dieser Beschluß kam zustande



Sachsen hat das direkte Wahlrecht, aber nicht das allgemeine, in Württemberg bilden
die ans dem direkten Wahlrecht hervorgegnngnen Abgeordneten nur einen Teil der Kammer;
Baden hat indirekte Wahlen, aber das allgemeine Stimmrecht, während die andern deutschen
Staaten (außer einige» der kleinsten) neben der indirekten Wahl meist noch andre Gegen¬
gewichte gegen das allgemeine Stimmrecht oder Einschränkungen dieses Stimmrechts haben.
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[0515] [Abbildung] Direkte und indirekte Wahl icht di e Erörterung über direkte oder indirekte Wahl, die kürzlich im preußischen Abgeordnetenhaus^' stattgefunden hat, veranlaßt uns, diese Frage zu behandeln. Denn diese Erörterung hat ge¬ rade gezeigt, daß in Preußen noch niemand ernstlich darauf hofft, die indirekte Wahl für das Abgeordnetenhaus zu be¬ seitige!?. Ja selbst die Klasscuabteiluug der Wähler, die jetzt im Anschluß an die Steuerreform abgeändert wird, hat nicht so viel Gegner im Lande, daß sie bedroht erscheinen könnte. Was uns hier treibt, ist der Stand der Wahlrechtsfrage in Baden. Wir müssen also in unsern Betrachtungen anknüpfen an die badischen Verhältnisse und an die Erörterungen, die in Baden stattgefunden haben. Dennoch hoffen wir, auch bei einem weitern Leserkreise Interesse für den Gegenstand zu finden, denn in den meisten deutscheu Staaten, die die indirekte Wahl für ihre Volks¬ vertretung haben/') hat die direkte Wahl für den Reichstag eine gewisse Begier im Volke erweckt, auch zum Landtage direkt wählen zu dürfen, und so ist fast allenthalben die Frage aufgeworfen, wenn sie anch, wie in Preußen, nicht eben als brennend betrachtet wird. Von der zweiten Kammer des badischen Landtags wurde in der letzten Session fast einstimmig ein Beschluß gefaßt, der der großherzoglichen Regie¬ rung empfahl, die direkte Wahl einzuführen. Dieser Beschluß kam zustande Sachsen hat das direkte Wahlrecht, aber nicht das allgemeine, in Württemberg bilden die ans dem direkten Wahlrecht hervorgegnngnen Abgeordneten nur einen Teil der Kammer; Baden hat indirekte Wahlen, aber das allgemeine Stimmrecht, während die andern deutschen Staaten (außer einige» der kleinsten) neben der indirekten Wahl meist noch andre Gegen¬ gewichte gegen das allgemeine Stimmrecht oder Einschränkungen dieses Stimmrechts haben. Grenzboten I 1LW 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/515>, abgerufen am 28.04.2024.