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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Die Aussichten der Mlitärvorlage

edeutet die Stille, in der die Galeere der Militärvorlagc nun
schon seit Monaten segelt, glückliche Fahrt oder Stille vor dem
Sturm? Wer von den politischen Wettermachern getraute sich,
diese Frage mit Bestimmtheit zu beantworten! Hat doch selbst
die vorläufige Ablehnung der Vorlage durch die Militär-
kvmmission die Wellen nur erst leicht gekräuselt. Dazwischen geht die Zeit
doch "aufrecht unter ihrer Last." Sie hat auch in eine Reihe anfangs hart
nmstrittner Fragen Klärung gebracht. So tritt, abgesehen von gelegent¬
lichem wehmütigen Grollen der Kreuzzeitung, heute niemand mehr für
Beibehaltung oder richtiger Wiederherstellung der dreijährigen Dienstzeit
ein. Das Quinquennat hat keine ernsten Gegner. Die Formel, die zwei¬
jährige Dienstpflicht der Fußtruppen !für die Dauer der neuen Friedens¬
präsenz auch gesetzlich festzulegen, ist so gut wie gefunden. Die Frage,
ob Deutschland imstande sein werde, alljährlich ein Mehr von 60000 wehr¬
fähigen Rekruten aufzubringen, hat sich auf den fast inhaltslosen Streit darüber
zugespitzt, was unter Schönheitsfehlern und was unter leichten, die Dienst-
tnuglichkeit keinesfalls aufhebenden Gebrechen zu verstehen sei. Die Verant¬
wortung dafür, wie die neuzugrüudenden Stellen der 2138 Offiziere und
11857 Unteroffiziere besetzt werden sollen, ist man geneigt, ausschließlich der
Regierung zu überlassen. Endlich haben auch die finanziellen Berechnungen
der Militärverwaltung dem scharfen Fragefeuer des großen freisinnigen Rechen¬
meisters Stand gehalten. Es bleibt mithin bei den rund 64 Millionen
dauernden Mehrausgaben, wenn auch offen eingeräumt worden ist, daß die
Kasernirung der neuen Truppenteile und die Steigerung des Pensionsetats
auf eine Reihe von Jahren hinaus beträchtliche Mehraufwendungen er¬
fordern werden. Die Kommiffionsberatungen haben also, obschon sie äußerlich


Grenzboten I 189Z 70


Die Aussichten der Mlitärvorlage

edeutet die Stille, in der die Galeere der Militärvorlagc nun
schon seit Monaten segelt, glückliche Fahrt oder Stille vor dem
Sturm? Wer von den politischen Wettermachern getraute sich,
diese Frage mit Bestimmtheit zu beantworten! Hat doch selbst
die vorläufige Ablehnung der Vorlage durch die Militär-
kvmmission die Wellen nur erst leicht gekräuselt. Dazwischen geht die Zeit
doch „aufrecht unter ihrer Last." Sie hat auch in eine Reihe anfangs hart
nmstrittner Fragen Klärung gebracht. So tritt, abgesehen von gelegent¬
lichem wehmütigen Grollen der Kreuzzeitung, heute niemand mehr für
Beibehaltung oder richtiger Wiederherstellung der dreijährigen Dienstzeit
ein. Das Quinquennat hat keine ernsten Gegner. Die Formel, die zwei¬
jährige Dienstpflicht der Fußtruppen !für die Dauer der neuen Friedens¬
präsenz auch gesetzlich festzulegen, ist so gut wie gefunden. Die Frage,
ob Deutschland imstande sein werde, alljährlich ein Mehr von 60000 wehr¬
fähigen Rekruten aufzubringen, hat sich auf den fast inhaltslosen Streit darüber
zugespitzt, was unter Schönheitsfehlern und was unter leichten, die Dienst-
tnuglichkeit keinesfalls aufhebenden Gebrechen zu verstehen sei. Die Verant¬
wortung dafür, wie die neuzugrüudenden Stellen der 2138 Offiziere und
11857 Unteroffiziere besetzt werden sollen, ist man geneigt, ausschließlich der
Regierung zu überlassen. Endlich haben auch die finanziellen Berechnungen
der Militärverwaltung dem scharfen Fragefeuer des großen freisinnigen Rechen¬
meisters Stand gehalten. Es bleibt mithin bei den rund 64 Millionen
dauernden Mehrausgaben, wenn auch offen eingeräumt worden ist, daß die
Kasernirung der neuen Truppenteile und die Steigerung des Pensionsetats
auf eine Reihe von Jahren hinaus beträchtliche Mehraufwendungen er¬
fordern werden. Die Kommiffionsberatungen haben also, obschon sie äußerlich


Grenzboten I 189Z 70
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[0563] [Abbildung] Die Aussichten der Mlitärvorlage edeutet die Stille, in der die Galeere der Militärvorlagc nun schon seit Monaten segelt, glückliche Fahrt oder Stille vor dem Sturm? Wer von den politischen Wettermachern getraute sich, diese Frage mit Bestimmtheit zu beantworten! Hat doch selbst die vorläufige Ablehnung der Vorlage durch die Militär- kvmmission die Wellen nur erst leicht gekräuselt. Dazwischen geht die Zeit doch „aufrecht unter ihrer Last." Sie hat auch in eine Reihe anfangs hart nmstrittner Fragen Klärung gebracht. So tritt, abgesehen von gelegent¬ lichem wehmütigen Grollen der Kreuzzeitung, heute niemand mehr für Beibehaltung oder richtiger Wiederherstellung der dreijährigen Dienstzeit ein. Das Quinquennat hat keine ernsten Gegner. Die Formel, die zwei¬ jährige Dienstpflicht der Fußtruppen !für die Dauer der neuen Friedens¬ präsenz auch gesetzlich festzulegen, ist so gut wie gefunden. Die Frage, ob Deutschland imstande sein werde, alljährlich ein Mehr von 60000 wehr¬ fähigen Rekruten aufzubringen, hat sich auf den fast inhaltslosen Streit darüber zugespitzt, was unter Schönheitsfehlern und was unter leichten, die Dienst- tnuglichkeit keinesfalls aufhebenden Gebrechen zu verstehen sei. Die Verant¬ wortung dafür, wie die neuzugrüudenden Stellen der 2138 Offiziere und 11857 Unteroffiziere besetzt werden sollen, ist man geneigt, ausschließlich der Regierung zu überlassen. Endlich haben auch die finanziellen Berechnungen der Militärverwaltung dem scharfen Fragefeuer des großen freisinnigen Rechen¬ meisters Stand gehalten. Es bleibt mithin bei den rund 64 Millionen dauernden Mehrausgaben, wenn auch offen eingeräumt worden ist, daß die Kasernirung der neuen Truppenteile und die Steigerung des Pensionsetats auf eine Reihe von Jahren hinaus beträchtliche Mehraufwendungen er¬ fordern werden. Die Kommiffionsberatungen haben also, obschon sie äußerlich Grenzboten I 189Z 70

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/563>, abgerufen am 28.04.2024.