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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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teilte von gestern, die alle "ersten Ranges" sind, für sich und die Litteratur
erzielen werden, und beharren wir einstweilen dabei, von Zeit zu Zeit auf
Naturell und Bestrebungen hinzuweisen, die außerhalb des Hexenkessels der
Erfvlgsjagd gediehe" und nach Vermögen gereift sind.




Lehrstand und Wehrstand

le Grenzboten haben in Heft 9 einen Aufsatz unter dem Titel
"Soldat und Schulmeister" gebracht, worin die Ansicht aus¬
gesprochen wird, daß zwischeu den Unteroffizieren und Elementar-
lehrern einerseits und zwischen den Offizieren und Oberlehrern
andrerseits ein gewisser Gegensatz bestehe, der schon oft Reibereien
zur Folge gehabt habe. Das Militär scheint, nach jenem Auf¬
satz, eine gewisse Freude daran zu haben, die Lehrer zu verspotten und zu
schikaniren, wofür sich diese dann wieder durch Anklagen in der Presse und
durch Feindschaft gegen den Wehrstand rächen.

Es ist klar, daß es höchst beklagenswert wäre, wenn sich die Sache
wirklich so verhieltet) Ich weiß nicht, wo der Verfasser jenes Aufsatzes, ein
Militärgeistlicher, seine Erfahrungen gesammelt hat; jedenfalls scheinen sie mir
ungebührlich verallgemeinert zu sein, und es sei mir deshalb gestattet, zu¬
nächst Erfahrung gegen Erfahrung zu setzen.

Ich bin zwölf Jahre Reserveoffizier, habe bei meinen Übungen mehrere
Regimenter kenne" gelernt und habe ganz entgegengesetzte Erfahrungen gemacht.
Von meinem Kollegium gehört die größere Hälfte dem Offizierstaude an
-- und ein ähnliches Verhältnis besteht bei sehr vielen Lehrerkollegien --,
wir sind größtenteils über die gesetzliche Zeit im Reserveverhältnis verblieben,
keiner ist zur Landwehr zweiten Aufgebots übergetreten, obwohl mehrere dazu
schon lange berechtigt gewesen wären, und alle sind mit Leib und Seele Soldat.
Mit den Offizieren der betreffenden Regimenter stehen wir in dem besten
kameradschaftlichen Verhältnis, nicht bloß während der Übungen, sondern auch
in der Zwischenzeit. Im Kasino sind wir gern gesehene Gäste, und wo wir
in öffentlichen Lokalen zusammentreffen, entwickelt sich leicht und ungezwungen
der angenehmste Verkehr. Freilich muß ich zugeben, daß dieser Verkehr nicht
so häufig ist, wie zwischen andern Ständen und dem Militär; aber daraus
auf irgend einen Gegensatz zwischeu Lehrern und Offizieren schließen zu wollen,
wäre doch falsch. Die Gründe dafür sind ganz wo anders zu suchen. Es
mag ja sein, daß viele Lehrer pekuniär nicht in der Lage sind, die Geselligkeit
in der Weise zu Pflegen, wie das bei andern Beamtenklasscu der Fall ist.
Doch ist das in den meisten Fällen nicht der eigentliche Grund; die Geldopfer



Wir geben gern anch diesen Ausfiiyrnngen Raum, obwohl der Verfasser manche
Dinge mindestens um eben so viel Grad zu rosig sieht, als sie der Verfasser des frühern
Aufsatzes vielleicht zu schwarz gesehen hat.

teilte von gestern, die alle „ersten Ranges" sind, für sich und die Litteratur
erzielen werden, und beharren wir einstweilen dabei, von Zeit zu Zeit auf
Naturell und Bestrebungen hinzuweisen, die außerhalb des Hexenkessels der
Erfvlgsjagd gediehe» und nach Vermögen gereift sind.




Lehrstand und Wehrstand

le Grenzboten haben in Heft 9 einen Aufsatz unter dem Titel
„Soldat und Schulmeister" gebracht, worin die Ansicht aus¬
gesprochen wird, daß zwischeu den Unteroffizieren und Elementar-
lehrern einerseits und zwischen den Offizieren und Oberlehrern
andrerseits ein gewisser Gegensatz bestehe, der schon oft Reibereien
zur Folge gehabt habe. Das Militär scheint, nach jenem Auf¬
satz, eine gewisse Freude daran zu haben, die Lehrer zu verspotten und zu
schikaniren, wofür sich diese dann wieder durch Anklagen in der Presse und
durch Feindschaft gegen den Wehrstand rächen.

Es ist klar, daß es höchst beklagenswert wäre, wenn sich die Sache
wirklich so verhieltet) Ich weiß nicht, wo der Verfasser jenes Aufsatzes, ein
Militärgeistlicher, seine Erfahrungen gesammelt hat; jedenfalls scheinen sie mir
ungebührlich verallgemeinert zu sein, und es sei mir deshalb gestattet, zu¬
nächst Erfahrung gegen Erfahrung zu setzen.

Ich bin zwölf Jahre Reserveoffizier, habe bei meinen Übungen mehrere
Regimenter kenne» gelernt und habe ganz entgegengesetzte Erfahrungen gemacht.
Von meinem Kollegium gehört die größere Hälfte dem Offizierstaude an
— und ein ähnliches Verhältnis besteht bei sehr vielen Lehrerkollegien —,
wir sind größtenteils über die gesetzliche Zeit im Reserveverhältnis verblieben,
keiner ist zur Landwehr zweiten Aufgebots übergetreten, obwohl mehrere dazu
schon lange berechtigt gewesen wären, und alle sind mit Leib und Seele Soldat.
Mit den Offizieren der betreffenden Regimenter stehen wir in dem besten
kameradschaftlichen Verhältnis, nicht bloß während der Übungen, sondern auch
in der Zwischenzeit. Im Kasino sind wir gern gesehene Gäste, und wo wir
in öffentlichen Lokalen zusammentreffen, entwickelt sich leicht und ungezwungen
der angenehmste Verkehr. Freilich muß ich zugeben, daß dieser Verkehr nicht
so häufig ist, wie zwischen andern Ständen und dem Militär; aber daraus
auf irgend einen Gegensatz zwischeu Lehrern und Offizieren schließen zu wollen,
wäre doch falsch. Die Gründe dafür sind ganz wo anders zu suchen. Es
mag ja sein, daß viele Lehrer pekuniär nicht in der Lage sind, die Geselligkeit
in der Weise zu Pflegen, wie das bei andern Beamtenklasscu der Fall ist.
Doch ist das in den meisten Fällen nicht der eigentliche Grund; die Geldopfer



Wir geben gern anch diesen Ausfiiyrnngen Raum, obwohl der Verfasser manche
Dinge mindestens um eben so viel Grad zu rosig sieht, als sie der Verfasser des frühern
Aufsatzes vielleicht zu schwarz gesehen hat.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/597>, abgerufen am 27.04.2024.