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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Uiaszgebliches und UumasMl'liebes

findet sich immlich auf einem besonders eingesetzten Blatte des alten FremdenlmchS
der Masseumühle bei Elgerslmrg unter der Überschrift "Von Goethe" mit einer
zweiten, vorausgehenden Strophe zu einem Ganzen verbunden. Diese zweite
Strophe lautet:

Beide Strophen so bereinigt sind mich wiederholt -- augenscheinlich mich jenem
Fremdenbuche -- als Goethisch zitirt worden, und der Hildebrandische Aufsatz ging
um darauf aus, auch die zweite, die in Goethes Werken fehlt, mit äußern und
innern Gründen als echt Goethisch nachzuweisen.

Bald darauf erschien der Divan in der neuen Weimarer Goelhcansgabe
(Band 6). Slber der Herausgeber, Konrad Burdach, hatte sich nicht entschliesieu
können, die "sonst unbekannte" Strophe mit aufzunehmen; nur in den Anmerkungen
hatte er ihr ein Plätzchen gegönnt. Sie ist much wirklich nicht von Goethe; ich
habe bor kurzem zufällig den Dichter gefunden.

Der ehemalige Professor der Medizin (!) in Leipzig, Johann Christian August
Heinroth (7 den 26. Oktober 1843), hat von 1818 bis 1327 unter dem Pseu¬
donym Treumund Wellentreter vier Bände ,,Gesammelte Blätter" herausgegeben.
Dort findet sich im ersten Baude (1818), der die Poesien Heiuroths enthält,
Seite 143 nnter andern kleinen spruchartigen Gedichten, die als "Worte religiöser
Stimmung" znsammengefnstt sind, anch der Spruch:

Sollte nicht dieser Nachweis unsern "Svnntagsphilvsophen," der ohnehin in
den grünen Heften schon viel zu lange geschwiegen hat, wieder einmal zu einem
G w ,,Tagebuchblatt" veranlassen?


Herr Minor.

In einer Ecke der "Sprachdnmmheiten" hatte auch Herr
Jakob Minor ein wohlverdientes Plätzchen erhalten wegen seines unsinnigen und
offenbar ahnungslosen "Welcherns." Statt sich nun zu schämen oder anzulanden,
schrieb er "Allerhand Sprachgrobheiten, eine höfliche Entgegnung" (zuerst in drei
Nummern der Wiener Zeitung erschienen, dann in Buchform bei Cotta), worin er
sich hauptsächlich mit der und welcher beschäftigt. Hierzu hatten ihm Wiener
Studenten "ein Material zur Versiignng gestellt, das sich über ein Jahrhundert
deutscher Prosa (1750 bis 1850) erstreckt und vollständiger ist, als was je einem
andern zu Gebote stand." Die ganze Anmaßlichleit dieser Behauptung ist erst jetzt
klar geworden, wo er dieses Material in einer gelehrten Zeitschrift (den Beiträgen
zur Geschichte der deutschen Sprache und Litteratur XVI, 477 bis 99) vorgelegt hat.

Bei einer Handvoll Schriften des angegebnen Zeitraums hat Minor die Neben¬
sätze der ersten Bogen durchzählen lassen. Ans 3603 Siebensätze kamen 1743 Relativ¬
sätze, darunter 924 mit der, 448 mit welcher. Manche Schriftsteller bleiben


Uiaszgebliches und UumasMl'liebes

findet sich immlich auf einem besonders eingesetzten Blatte des alten FremdenlmchS
der Masseumühle bei Elgerslmrg unter der Überschrift „Von Goethe" mit einer
zweiten, vorausgehenden Strophe zu einem Ganzen verbunden. Diese zweite
Strophe lautet:

Beide Strophen so bereinigt sind mich wiederholt — augenscheinlich mich jenem
Fremdenbuche — als Goethisch zitirt worden, und der Hildebrandische Aufsatz ging
um darauf aus, auch die zweite, die in Goethes Werken fehlt, mit äußern und
innern Gründen als echt Goethisch nachzuweisen.

Bald darauf erschien der Divan in der neuen Weimarer Goelhcansgabe
(Band 6). Slber der Herausgeber, Konrad Burdach, hatte sich nicht entschliesieu
können, die „sonst unbekannte" Strophe mit aufzunehmen; nur in den Anmerkungen
hatte er ihr ein Plätzchen gegönnt. Sie ist much wirklich nicht von Goethe; ich
habe bor kurzem zufällig den Dichter gefunden.

Der ehemalige Professor der Medizin (!) in Leipzig, Johann Christian August
Heinroth (7 den 26. Oktober 1843), hat von 1818 bis 1327 unter dem Pseu¬
donym Treumund Wellentreter vier Bände ,,Gesammelte Blätter" herausgegeben.
Dort findet sich im ersten Baude (1818), der die Poesien Heiuroths enthält,
Seite 143 nnter andern kleinen spruchartigen Gedichten, die als „Worte religiöser
Stimmung" znsammengefnstt sind, anch der Spruch:

Sollte nicht dieser Nachweis unsern „Svnntagsphilvsophen," der ohnehin in
den grünen Heften schon viel zu lange geschwiegen hat, wieder einmal zu einem
G w ,,Tagebuchblatt" veranlassen?


Herr Minor.

In einer Ecke der „Sprachdnmmheiten" hatte auch Herr
Jakob Minor ein wohlverdientes Plätzchen erhalten wegen seines unsinnigen und
offenbar ahnungslosen „Welcherns." Statt sich nun zu schämen oder anzulanden,
schrieb er „Allerhand Sprachgrobheiten, eine höfliche Entgegnung" (zuerst in drei
Nummern der Wiener Zeitung erschienen, dann in Buchform bei Cotta), worin er
sich hauptsächlich mit der und welcher beschäftigt. Hierzu hatten ihm Wiener
Studenten „ein Material zur Versiignng gestellt, das sich über ein Jahrhundert
deutscher Prosa (1750 bis 1850) erstreckt und vollständiger ist, als was je einem
andern zu Gebote stand." Die ganze Anmaßlichleit dieser Behauptung ist erst jetzt
klar geworden, wo er dieses Material in einer gelehrten Zeitschrift (den Beiträgen
zur Geschichte der deutschen Sprache und Litteratur XVI, 477 bis 99) vorgelegt hat.

Bei einer Handvoll Schriften des angegebnen Zeitraums hat Minor die Neben¬
sätze der ersten Bogen durchzählen lassen. Ans 3603 Siebensätze kamen 1743 Relativ¬
sätze, darunter 924 mit der, 448 mit welcher. Manche Schriftsteller bleiben


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[0607] Uiaszgebliches und UumasMl'liebes findet sich immlich auf einem besonders eingesetzten Blatte des alten FremdenlmchS der Masseumühle bei Elgerslmrg unter der Überschrift „Von Goethe" mit einer zweiten, vorausgehenden Strophe zu einem Ganzen verbunden. Diese zweite Strophe lautet: Beide Strophen so bereinigt sind mich wiederholt — augenscheinlich mich jenem Fremdenbuche — als Goethisch zitirt worden, und der Hildebrandische Aufsatz ging um darauf aus, auch die zweite, die in Goethes Werken fehlt, mit äußern und innern Gründen als echt Goethisch nachzuweisen. Bald darauf erschien der Divan in der neuen Weimarer Goelhcansgabe (Band 6). Slber der Herausgeber, Konrad Burdach, hatte sich nicht entschliesieu können, die „sonst unbekannte" Strophe mit aufzunehmen; nur in den Anmerkungen hatte er ihr ein Plätzchen gegönnt. Sie ist much wirklich nicht von Goethe; ich habe bor kurzem zufällig den Dichter gefunden. Der ehemalige Professor der Medizin (!) in Leipzig, Johann Christian August Heinroth (7 den 26. Oktober 1843), hat von 1818 bis 1327 unter dem Pseu¬ donym Treumund Wellentreter vier Bände ,,Gesammelte Blätter" herausgegeben. Dort findet sich im ersten Baude (1818), der die Poesien Heiuroths enthält, Seite 143 nnter andern kleinen spruchartigen Gedichten, die als „Worte religiöser Stimmung" znsammengefnstt sind, anch der Spruch: Sollte nicht dieser Nachweis unsern „Svnntagsphilvsophen," der ohnehin in den grünen Heften schon viel zu lange geschwiegen hat, wieder einmal zu einem G w ,,Tagebuchblatt" veranlassen? Herr Minor. In einer Ecke der „Sprachdnmmheiten" hatte auch Herr Jakob Minor ein wohlverdientes Plätzchen erhalten wegen seines unsinnigen und offenbar ahnungslosen „Welcherns." Statt sich nun zu schämen oder anzulanden, schrieb er „Allerhand Sprachgrobheiten, eine höfliche Entgegnung" (zuerst in drei Nummern der Wiener Zeitung erschienen, dann in Buchform bei Cotta), worin er sich hauptsächlich mit der und welcher beschäftigt. Hierzu hatten ihm Wiener Studenten „ein Material zur Versiignng gestellt, das sich über ein Jahrhundert deutscher Prosa (1750 bis 1850) erstreckt und vollständiger ist, als was je einem andern zu Gebote stand." Die ganze Anmaßlichleit dieser Behauptung ist erst jetzt klar geworden, wo er dieses Material in einer gelehrten Zeitschrift (den Beiträgen zur Geschichte der deutschen Sprache und Litteratur XVI, 477 bis 99) vorgelegt hat. Bei einer Handvoll Schriften des angegebnen Zeitraums hat Minor die Neben¬ sätze der ersten Bogen durchzählen lassen. Ans 3603 Siebensätze kamen 1743 Relativ¬ sätze, darunter 924 mit der, 448 mit welcher. Manche Schriftsteller bleiben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/607>, abgerufen am 28.04.2024.