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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Wenn der alte Holderneß nicht so häßliche Beine Hütte, würde ich ihn dir als
bequemes und sicheres Reitpferd empfehlen, er ist in jeder Weise gehorsam und
fromm.


9

Equenues in der Picardie, 20.3.71.

Lieber Onkel, deinen Brief vom 2. d. M. habe ich erhalten. Wir lagen
einige Zeit bei Tieppe, von wo ans ich am 2. d. M. nach London gefahren
bin. Ich blieb zwar nur bis zum 4. dort, habe aber doch von der famosen Stadt
einen allgemeinen Überblick bekommen. Es sind in den Tagen des Waffenstill¬
standes gewiß einige hundert Offiziere von Dieppe über New Haben dort hin ge¬
fahren; es war sehr verlockend, da die Fahrt bis London und zurück erster Klasse
nur zehn Thaler kostete.

Jetzt sind wir nun auf dem Rückmarsch, der hoffentlich ohne Störung vor
sich geht. Ich lese nämlich eben in einer französischen Zeitung, daß in Paris
wieder der Teufel los ist. Wir sollen am 31. d. M. in Mezivres, am 2. April
in Sedan und am 8. in Thivuville sein. Am 22. April sind wir in der Gegend
von Mainz, von wo aus, wie eS heißt, die Bahn benutzt wird. Zu meiner großen
Freude kommen wir nicht wieder nach Itzehoe, obwohl die Kameraden WandSbeck
sehr ungern verlassen. Ich werde wohl das Geschick haben, in Kyritz einzuziehen---
jedenfalls mir viel lieber als Itzehoe.


10

Omont, 20. 4. 71

Lieber Onkel, wegen dieser erbärmlichen Gesellschaft in Paris ist seit dem
2. d. M. unser Rückmarsch unterbrochen, und wir sitzen nun hier in den Ardennen
und thun gar nichts. Gestern war unser ganzes Offizierkorps in Sedan ver¬
sammelt, wo mir der Kommandeur sagte, er habe gehört, wir würden ungefähr
in sechs Tagen weitermcirschieren; ich kann mir aber kaum denken, daß es früher
geschieht, als bis wir sichere Garantie haben, daß uns unser Geld bezahlt wird.
Omont liegt übrigens ganz reizend auf zwei Seiten eines Berges mitten in den
Ardennen. Wir haben prächtige Reitwege im Holz, das schon ganz grün ist, und
da man nichts besseres anzufangen weiß, so sitzt man vor- und nachmittags zu
Pferde. Die Schwarze klettert mit langen Zügeln bergan und bergab. Wenn sie
einmal anstößt, so ist dies mehr ihre Unaufmerksamkeit, wenn sie seitwärts sieht;
im Trabe ist sie vollständig sicher und so schnell, daß meine Offiziere mit ihren
Pferden nicht annähernd mitkommen, ich bin mit ihr über Gräben und Hecken
gesprungen. Die kleinen Berberhcngste, von denen man hier bei Sedan viele sieht,
sind doch meistens sehr schmal und so klein, daß unsrer Ansicht nach selbst sür
leichte Kavallerie nicht viel damit anzufangen ist. Ich habe auch in der Schwadron
einen solchen kleinen brannen Hengst, bisher Packpferd eines Reserveoffiziers; wenn
wir zurückkommen, rangire ich ihn jedenfalls ans, er ist auch schau über zehn Jahre.

Wir wissen immer noch nicht, wohin das Regiment nach der Campagne in
Garnison kommt.


11

Se. Rouy. den 11. Juni 1871

Lieber Onkel, wie du schon erfahren haben wirst, ist unser Regiment zum
dritten Korps zurückversetzt, und da die sechste Division mit zu den Truppen ge¬
hört, die am längsten hier bleibe", so haben Nur vorläufig gar leine Aussicht fort-


Wenn der alte Holderneß nicht so häßliche Beine Hütte, würde ich ihn dir als
bequemes und sicheres Reitpferd empfehlen, er ist in jeder Weise gehorsam und
fromm.


9

Equenues in der Picardie, 20.3.71.

Lieber Onkel, deinen Brief vom 2. d. M. habe ich erhalten. Wir lagen
einige Zeit bei Tieppe, von wo ans ich am 2. d. M. nach London gefahren
bin. Ich blieb zwar nur bis zum 4. dort, habe aber doch von der famosen Stadt
einen allgemeinen Überblick bekommen. Es sind in den Tagen des Waffenstill¬
standes gewiß einige hundert Offiziere von Dieppe über New Haben dort hin ge¬
fahren; es war sehr verlockend, da die Fahrt bis London und zurück erster Klasse
nur zehn Thaler kostete.

Jetzt sind wir nun auf dem Rückmarsch, der hoffentlich ohne Störung vor
sich geht. Ich lese nämlich eben in einer französischen Zeitung, daß in Paris
wieder der Teufel los ist. Wir sollen am 31. d. M. in Mezivres, am 2. April
in Sedan und am 8. in Thivuville sein. Am 22. April sind wir in der Gegend
von Mainz, von wo aus, wie eS heißt, die Bahn benutzt wird. Zu meiner großen
Freude kommen wir nicht wieder nach Itzehoe, obwohl die Kameraden WandSbeck
sehr ungern verlassen. Ich werde wohl das Geschick haben, in Kyritz einzuziehen---
jedenfalls mir viel lieber als Itzehoe.


10

Omont, 20. 4. 71

Lieber Onkel, wegen dieser erbärmlichen Gesellschaft in Paris ist seit dem
2. d. M. unser Rückmarsch unterbrochen, und wir sitzen nun hier in den Ardennen
und thun gar nichts. Gestern war unser ganzes Offizierkorps in Sedan ver¬
sammelt, wo mir der Kommandeur sagte, er habe gehört, wir würden ungefähr
in sechs Tagen weitermcirschieren; ich kann mir aber kaum denken, daß es früher
geschieht, als bis wir sichere Garantie haben, daß uns unser Geld bezahlt wird.
Omont liegt übrigens ganz reizend auf zwei Seiten eines Berges mitten in den
Ardennen. Wir haben prächtige Reitwege im Holz, das schon ganz grün ist, und
da man nichts besseres anzufangen weiß, so sitzt man vor- und nachmittags zu
Pferde. Die Schwarze klettert mit langen Zügeln bergan und bergab. Wenn sie
einmal anstößt, so ist dies mehr ihre Unaufmerksamkeit, wenn sie seitwärts sieht;
im Trabe ist sie vollständig sicher und so schnell, daß meine Offiziere mit ihren
Pferden nicht annähernd mitkommen, ich bin mit ihr über Gräben und Hecken
gesprungen. Die kleinen Berberhcngste, von denen man hier bei Sedan viele sieht,
sind doch meistens sehr schmal und so klein, daß unsrer Ansicht nach selbst sür
leichte Kavallerie nicht viel damit anzufangen ist. Ich habe auch in der Schwadron
einen solchen kleinen brannen Hengst, bisher Packpferd eines Reserveoffiziers; wenn
wir zurückkommen, rangire ich ihn jedenfalls ans, er ist auch schau über zehn Jahre.

Wir wissen immer noch nicht, wohin das Regiment nach der Campagne in
Garnison kommt.


11

Se. Rouy. den 11. Juni 1871

Lieber Onkel, wie du schon erfahren haben wirst, ist unser Regiment zum
dritten Korps zurückversetzt, und da die sechste Division mit zu den Truppen ge¬
hört, die am längsten hier bleibe», so haben Nur vorläufig gar leine Aussicht fort-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/128>, abgerufen am 07.05.2024.