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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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dazu finden. Und sie werden sich mit Leichtigkeit finden, wenn man
nur will.

Der Antrag Bennigsen und der Umstand, daß dieser Antrag seine Schärfe
weniger gegen die verneinenden Parteien, als gegen die Regierungsvorlage
kehrt, wird sich anch bei dem für den Fall einer Auflösung des Reichstags
eintretenden Wahlkampf (der furchtbar genug ausfallen würde) rächen. Die
Frage: Wollt ihr eine größere Wehrhaftmachung unsers Heeres oder nicht?
würde unser Volk verstehen. Drängt sich aber eine dritte Frage dazwischen:
Wollt ihr die halbe Wehrhaftmachung oder die ganze? so wird das vielen
unverständlich sein. Die Gegner der Vorlage werden es geschickt benutzen, daß
sie sagen können: "Selbst die Nationalliberalen haben die Vorlage nicht an¬
nehmbar gefunden." Was wird daraus werden?")

Es ist schon vielfach bemerkt worden, daß die gegenwärtige Sachlage die
größte Ähnlichkeit hat mit der Sachlage, die sich vor dreißig Jahren in
Preußen darbot. Wird die Regierungsvorlage vom Reichstage abgelehnt, so
treiben wir allen Umständen nach einem Konflikt entgegen. Die verneinenden
Parteien werden sich vielleicht, wenn sie auf die schmerzlichen Lehren der da¬
maligen Zeit zurückblicken, damit trösten, daß ihnen heute nicht der mächtige
Geist gegenüberstehe, der damals die Geschicke Preußens lenkte. Aber in einer
andern Beziehung ist ihre Stellung doch minder günstig. Vor dreißig Jahren
war das Mißtrauen gegen die preußische Regierung so weit verbreitet, daß
auch die große Mehrzahl der Gebildeten hinter dem Abgeordnetenhause stand.
Heute würde das anders sein. Denn es kann keinem Zweifel unterliegen, daß
einer großen Zahl der Gebildeten deutscher Nation die Art und Weise, wie
der heutige Reichstag seine Geschäfte betreibt, herzlich zuwider ist.


V. Bahr


Bilder aus dem Westen
<L. Below von
^. Aansas <Lily

och dort oben, wo Sie die Zinnen der vierzehnstöckigeu Ge¬
schäftspaläste sehen, dort hatte ich vor acht Jahren noch mein
Kartoffelfeld, sagte der Stadtchemiker l)r. Hunter zu mir, als
er mich durch das Geschäftsgewühl des belebtesten Straßenvier¬
tels und Mittelpunktes von Kansas City führte. Aber geben
^le Acht, setzte er hinzu, indem er meinen Arm ergriff, sonst werden Sie



Inzwischen hat die Nationalzeitung die nationalliberale Partei dagegen verwahrt,
daß sie durch den Antrag Bennigsen festgenagelt sei.
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dazu finden. Und sie werden sich mit Leichtigkeit finden, wenn man
nur will.

Der Antrag Bennigsen und der Umstand, daß dieser Antrag seine Schärfe
weniger gegen die verneinenden Parteien, als gegen die Regierungsvorlage
kehrt, wird sich anch bei dem für den Fall einer Auflösung des Reichstags
eintretenden Wahlkampf (der furchtbar genug ausfallen würde) rächen. Die
Frage: Wollt ihr eine größere Wehrhaftmachung unsers Heeres oder nicht?
würde unser Volk verstehen. Drängt sich aber eine dritte Frage dazwischen:
Wollt ihr die halbe Wehrhaftmachung oder die ganze? so wird das vielen
unverständlich sein. Die Gegner der Vorlage werden es geschickt benutzen, daß
sie sagen können: „Selbst die Nationalliberalen haben die Vorlage nicht an¬
nehmbar gefunden." Was wird daraus werden?")

Es ist schon vielfach bemerkt worden, daß die gegenwärtige Sachlage die
größte Ähnlichkeit hat mit der Sachlage, die sich vor dreißig Jahren in
Preußen darbot. Wird die Regierungsvorlage vom Reichstage abgelehnt, so
treiben wir allen Umständen nach einem Konflikt entgegen. Die verneinenden
Parteien werden sich vielleicht, wenn sie auf die schmerzlichen Lehren der da¬
maligen Zeit zurückblicken, damit trösten, daß ihnen heute nicht der mächtige
Geist gegenüberstehe, der damals die Geschicke Preußens lenkte. Aber in einer
andern Beziehung ist ihre Stellung doch minder günstig. Vor dreißig Jahren
war das Mißtrauen gegen die preußische Regierung so weit verbreitet, daß
auch die große Mehrzahl der Gebildeten hinter dem Abgeordnetenhause stand.
Heute würde das anders sein. Denn es kann keinem Zweifel unterliegen, daß
einer großen Zahl der Gebildeten deutscher Nation die Art und Weise, wie
der heutige Reichstag seine Geschäfte betreibt, herzlich zuwider ist.


V. Bahr


Bilder aus dem Westen
<L. Below von
^. Aansas <Lily

och dort oben, wo Sie die Zinnen der vierzehnstöckigeu Ge¬
schäftspaläste sehen, dort hatte ich vor acht Jahren noch mein
Kartoffelfeld, sagte der Stadtchemiker l)r. Hunter zu mir, als
er mich durch das Geschäftsgewühl des belebtesten Straßenvier¬
tels und Mittelpunktes von Kansas City führte. Aber geben
^le Acht, setzte er hinzu, indem er meinen Arm ergriff, sonst werden Sie



Inzwischen hat die Nationalzeitung die nationalliberale Partei dagegen verwahrt,
daß sie durch den Antrag Bennigsen festgenagelt sei.
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[0183] Bilder aus dein Westen dazu finden. Und sie werden sich mit Leichtigkeit finden, wenn man nur will. Der Antrag Bennigsen und der Umstand, daß dieser Antrag seine Schärfe weniger gegen die verneinenden Parteien, als gegen die Regierungsvorlage kehrt, wird sich anch bei dem für den Fall einer Auflösung des Reichstags eintretenden Wahlkampf (der furchtbar genug ausfallen würde) rächen. Die Frage: Wollt ihr eine größere Wehrhaftmachung unsers Heeres oder nicht? würde unser Volk verstehen. Drängt sich aber eine dritte Frage dazwischen: Wollt ihr die halbe Wehrhaftmachung oder die ganze? so wird das vielen unverständlich sein. Die Gegner der Vorlage werden es geschickt benutzen, daß sie sagen können: „Selbst die Nationalliberalen haben die Vorlage nicht an¬ nehmbar gefunden." Was wird daraus werden?") Es ist schon vielfach bemerkt worden, daß die gegenwärtige Sachlage die größte Ähnlichkeit hat mit der Sachlage, die sich vor dreißig Jahren in Preußen darbot. Wird die Regierungsvorlage vom Reichstage abgelehnt, so treiben wir allen Umständen nach einem Konflikt entgegen. Die verneinenden Parteien werden sich vielleicht, wenn sie auf die schmerzlichen Lehren der da¬ maligen Zeit zurückblicken, damit trösten, daß ihnen heute nicht der mächtige Geist gegenüberstehe, der damals die Geschicke Preußens lenkte. Aber in einer andern Beziehung ist ihre Stellung doch minder günstig. Vor dreißig Jahren war das Mißtrauen gegen die preußische Regierung so weit verbreitet, daß auch die große Mehrzahl der Gebildeten hinter dem Abgeordnetenhause stand. Heute würde das anders sein. Denn es kann keinem Zweifel unterliegen, daß einer großen Zahl der Gebildeten deutscher Nation die Art und Weise, wie der heutige Reichstag seine Geschäfte betreibt, herzlich zuwider ist. V. Bahr Bilder aus dem Westen <L. Below von ^. Aansas <Lily och dort oben, wo Sie die Zinnen der vierzehnstöckigeu Ge¬ schäftspaläste sehen, dort hatte ich vor acht Jahren noch mein Kartoffelfeld, sagte der Stadtchemiker l)r. Hunter zu mir, als er mich durch das Geschäftsgewühl des belebtesten Straßenvier¬ tels und Mittelpunktes von Kansas City führte. Aber geben ^le Acht, setzte er hinzu, indem er meinen Arm ergriff, sonst werden Sie Inzwischen hat die Nationalzeitung die nationalliberale Partei dagegen verwahrt, daß sie durch den Antrag Bennigsen festgenagelt sei.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/183>, abgerufen am 06.05.2024.