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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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hartnäckigen Widerstand leisten, und die durch ihre Steuer- und Zollpolitik
die Lntifundieubildung und die Aufsaugung des Bauernstandes befördern.

In Jägers Buche, um auf dieses nochmals zurückzukommen, vermissen
wir eine tabellarische Übersicht sämtlicher Vereine nach dem Naiffeiseuscheu
System. Die Tabelle am Schluß enthält nur die dem Neuwieder Zentral¬
verbande angehörigen. K23 Vereine mit 58040 Mitgliedern -- das sind
nichts weniger als imponirende Zahlen; hoffentlich fällt die Summe bedeutend
stattlicher aus, wenn die andern, im Buche zerstreut angeführten Vereine dazn-
gezählt werden.




Laokoon, Kapitel ^6

Joll oilNV si-vino
und A^ol^o iivin Jul^ thir".
v"r ut 8"tut loi" <Ion sI1"ut"Kor.
Joll I^vio in mirs kinnt AvsinOAvn
eins I<inn" und "in min ^viuigg.

ein, das steht nicht im 16. Kapitel des Laokoon. Aber im
ganzen Laokoon ist viel von "poetischen Gemälden" die Rede;
und das hier scheint mir auch eins zu sein, ein recht hübsches
sogar, ein sauberes, kleines Kabinettstück. Und doch verstößt es
gröblich gegen die Regeln, die Lessing in dem genannten Kapitel
für ein poetisches Gemälde aufstellt: es fällt ihm nämlich gar nicht ein, den
Körper nnr andeutungsweise durch Handlungen zu schildern. Denn "ich saß"
und "ich hatte geschmiegt" bezeichnen keine fortschreitende Handlung, sondern
einen Zustand der Ruhe, und so wird auch bei "ich deckte" und "ich setzte"
.schwerlich jemand um die Bewegung als vielmehr an ihr Ergebnis denken.
Nun ist es freilich unerhört, in Fragen der poetischen Technik einen mittel-
hochdeutschen Dichter ins Feld zu führen. Natürlich, Lessing konnte das nicht.
Aber auch die modernen Wächter, die an der Eingangspforte zur deutschen
Dichtkunst das Gepäck nachsehen, berufen sich in solcher Lage auf Homer,
Sophokles und Goethe -- wohlgemerkt den Weimarer Goethe --, oder auf
Zola, Ibsen und Sudermnun, je nachdem sie von einem Katheder oder von
einem Redaktivussessel herab ihres hohen Amtes walten. Ich aber kann mir
nicht helfen, ich muß dem fahrenden Sänger Walther von der Vogelweide
Recht geben gegen das größte kritische Genie der deutscheu, um nicht zu sagen
der Weltlitteratur. Da erfordert es denn die Achtung vor dem großen Kri¬
tiker, daß anch ich versuche, die Sache "aus ihren ersten Gründen herzu¬
leiten."


hartnäckigen Widerstand leisten, und die durch ihre Steuer- und Zollpolitik
die Lntifundieubildung und die Aufsaugung des Bauernstandes befördern.

In Jägers Buche, um auf dieses nochmals zurückzukommen, vermissen
wir eine tabellarische Übersicht sämtlicher Vereine nach dem Naiffeiseuscheu
System. Die Tabelle am Schluß enthält nur die dem Neuwieder Zentral¬
verbande angehörigen. K23 Vereine mit 58040 Mitgliedern — das sind
nichts weniger als imponirende Zahlen; hoffentlich fällt die Summe bedeutend
stattlicher aus, wenn die andern, im Buche zerstreut angeführten Vereine dazn-
gezählt werden.




Laokoon, Kapitel ^6

Joll oilNV si-vino
und A^ol^o iivin Jul^ thir».
v»r ut 8»tut loi» <Ion sI1«ut«Kor.
Joll I^vio in mirs kinnt AvsinOAvn
eins I<inn» und »in min ^viuigg.

ein, das steht nicht im 16. Kapitel des Laokoon. Aber im
ganzen Laokoon ist viel von „poetischen Gemälden" die Rede;
und das hier scheint mir auch eins zu sein, ein recht hübsches
sogar, ein sauberes, kleines Kabinettstück. Und doch verstößt es
gröblich gegen die Regeln, die Lessing in dem genannten Kapitel
für ein poetisches Gemälde aufstellt: es fällt ihm nämlich gar nicht ein, den
Körper nnr andeutungsweise durch Handlungen zu schildern. Denn „ich saß"
und „ich hatte geschmiegt" bezeichnen keine fortschreitende Handlung, sondern
einen Zustand der Ruhe, und so wird auch bei „ich deckte" und „ich setzte"
.schwerlich jemand um die Bewegung als vielmehr an ihr Ergebnis denken.
Nun ist es freilich unerhört, in Fragen der poetischen Technik einen mittel-
hochdeutschen Dichter ins Feld zu führen. Natürlich, Lessing konnte das nicht.
Aber auch die modernen Wächter, die an der Eingangspforte zur deutschen
Dichtkunst das Gepäck nachsehen, berufen sich in solcher Lage auf Homer,
Sophokles und Goethe — wohlgemerkt den Weimarer Goethe —, oder auf
Zola, Ibsen und Sudermnun, je nachdem sie von einem Katheder oder von
einem Redaktivussessel herab ihres hohen Amtes walten. Ich aber kann mir
nicht helfen, ich muß dem fahrenden Sänger Walther von der Vogelweide
Recht geben gegen das größte kritische Genie der deutscheu, um nicht zu sagen
der Weltlitteratur. Da erfordert es denn die Achtung vor dem großen Kri¬
tiker, daß anch ich versuche, die Sache „aus ihren ersten Gründen herzu¬
leiten."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/600>, abgerufen am 06.05.2024.