Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches qunlerei, weil die Last zu schwer sei für den Hund; Strafmandat Ur. 1. Bei Bairischer Ministerialstil. Ein ganz gehöriger Kanzleistiefel scheint in Die "Verbescheiduug besteht aus elf Abschnitten, von denen der erste lautet: Es ist immer die alte Geschichte: der fürchterlichste Sprnchschwnlst entsteht Die folgenden Abschnitte sind nicht alle gleich schlimm, aber doch reich an Maßgebliches und Unmaßgebliches qunlerei, weil die Last zu schwer sei für den Hund; Strafmandat Ur. 1. Bei Bairischer Ministerialstil. Ein ganz gehöriger Kanzleistiefel scheint in Die „Verbescheiduug besteht aus elf Abschnitten, von denen der erste lautet: Es ist immer die alte Geschichte: der fürchterlichste Sprnchschwnlst entsteht Die folgenden Abschnitte sind nicht alle gleich schlimm, aber doch reich an <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0100" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215824"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_272" prev="#ID_271"> qunlerei, weil die Last zu schwer sei für den Hund; Strafmandat Ur. 1. Bei<lb/> dieser Gelegenheit entdeckt er, das; der vorschriftsmäßige Strohdeckel fehlt zum Unter¬<lb/> breiten, wenn sich der Hund legen will; Strafmandat Ur. 2. Er entdeckt ferner,<lb/> daß die Schrift an dem Firmenschilde des Karrens verwischt und nicht mehr<lb/> deutlich zu lesen ist; Strafmandat Ur. 3. Ich fragte den Diener unsers Rechts¬<lb/> staats, ob der Schleifer anch dann eine „Strafthat" begangen haben würde, wenn<lb/> er zur Schonung des Hundes sein krankes Weib ohne einen Strvhdeckel unterzu¬<lb/> breiten auf der Landstraße liegen gelassen hätte? Er bekannte, noch nicht tief<lb/> genug in das Wesen unsers neugermanischen Rechts eingedrungen zu sein, um<lb/> diese Frage beantworten zu können.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Bairischer Ministerialstil.</head> <p xml:id="ID_273"> Ein ganz gehöriger Kanzleistiefel scheint in<lb/> Baiern geschrieben zu werden. Vor uus liegt ein Erlaß des bairischen Ministeriums<lb/> des Innern vom 2ö. Juli d, I. über die bairischen Ärztekammern, der gleich mit<lb/> folgendem Satze beginnt: „Auf die im Jahre 1892 stattgehabte« (!) Verhandlungen<lb/> der Ärztekammern ergeht nach Einvernahme (!) des k. Obermedizinalausschusses nach¬<lb/> stehende Verbescheidung (!) mit dem Auftrage, je fünf Exemplare der beifolgenden<lb/> Abdrücke gegenwärtiger (!) Entschließung dem Vorsitzenden der Ärztekammer behufs (!)<lb/> Kenntnisnahme und entsprechender Verständigung (!) der ärztlichen Bezirksvereine<lb/> zuzustellen.""</p><lb/> <p xml:id="ID_274"> Die „Verbescheiduug besteht aus elf Abschnitten, von denen der erste lautet:<lb/> „Über die vom Staatsministerium des Innern an die Ärztekammern gebrachte Bor¬<lb/> lage in Betreff der nach den bisherigen ärztlichen Erfahrungen zweckmäßigsten Arten<lb/> der Desinfektion der Lokalitäten, Gebrauchsgegenstände, Wäsche (Sextauerschnitzer!),<lb/> Betten und Kleidungsstücke Tuberkulöser und der einfachsten Art der Beseitigung<lb/> der Sputa (!) derselben wurde von der Mehrzahl der Ärztekammern Beschluß dahin (!)<lb/> gefaßt, weiteres Material durch die Beratungen in den Bezirksvereinen sammeln<lb/> zu lassen und die Behandlung dieser Frage für die diesjährigen Beratungen der<lb/> Aerztekammern bereitzustellen. Das k. Staatsministerium des Jnnern sieht der be¬<lb/> züglichen (I) Vorlage entgegen, um sie für die endgiltige Begutachtung im verstärkten<lb/> Obermedizinalansschnß zu bereisen (!)."</p><lb/> <p xml:id="ID_275"> Es ist immer die alte Geschichte: der fürchterlichste Sprnchschwnlst entsteht<lb/> dadurch, daß man keine Nebensätze schreibt, sondern den Inhalt der Nebensätze in<lb/> Hauptwörter zusammenpreßt. Wie leicht verständlich wäre der Anfang dieses<lb/> Abschnittes, wenn er so hieße: „Auf die nu die Ärztekammer» gerichtete Frage, wie<lb/> nach den bisherigen ärztlichen Erfahrungen Räumlichkeiten, Gebrauchsgegenstände,<lb/> Wäsche, Betten und Kleidungsstücke Tuberkulöser am zweckmäßigsten desinfizirt und<lb/> ihr Sputa am einfachsten beseitigt werden könnten, wurde von den meisten Ärzte¬<lb/> kammern beschlossen u. s. w."</p><lb/> <p xml:id="ID_276"> Die folgenden Abschnitte sind nicht alle gleich schlimm, aber doch reich an<lb/> Stilblüten aller Art. Da sind in Unterfranken „durchwegs" (!) die Bezirksärzte als<lb/> Sammler von Zählblättern gewählt worden. Das Ministerium „nimmt die Gelegenheit<lb/> gerne wahr," um (!) den Ärztekammern seine Anerkennung für die „bethätigten"<lb/> Untersuchungen auszusprechen. Ein Antrag wird entweder „in Würdigung ge¬<lb/> nommen," oder es wird ihm „eine (!) Berücksichtigung nicht (!) zugewendet" u. s. w.<lb/> Am Schluß des zweiten Abschnittes steht folgender vollendete Unsinn: „Was die<lb/> Anzeigepflicht der ansteckende» Krankheiten in Bezug auf die kostenlose Zuteilung<lb/> und Einsendung der hierzu zu bestimmenden Formularien betrifft, so bleibt dieser<lb/> Gegenstand unter den gegenwärtigen Verhältnissen weiterer Erwägung vorbehalten."</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0100]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
qunlerei, weil die Last zu schwer sei für den Hund; Strafmandat Ur. 1. Bei
dieser Gelegenheit entdeckt er, das; der vorschriftsmäßige Strohdeckel fehlt zum Unter¬
breiten, wenn sich der Hund legen will; Strafmandat Ur. 2. Er entdeckt ferner,
daß die Schrift an dem Firmenschilde des Karrens verwischt und nicht mehr
deutlich zu lesen ist; Strafmandat Ur. 3. Ich fragte den Diener unsers Rechts¬
staats, ob der Schleifer anch dann eine „Strafthat" begangen haben würde, wenn
er zur Schonung des Hundes sein krankes Weib ohne einen Strvhdeckel unterzu¬
breiten auf der Landstraße liegen gelassen hätte? Er bekannte, noch nicht tief
genug in das Wesen unsers neugermanischen Rechts eingedrungen zu sein, um
diese Frage beantworten zu können.
Bairischer Ministerialstil. Ein ganz gehöriger Kanzleistiefel scheint in
Baiern geschrieben zu werden. Vor uus liegt ein Erlaß des bairischen Ministeriums
des Innern vom 2ö. Juli d, I. über die bairischen Ärztekammern, der gleich mit
folgendem Satze beginnt: „Auf die im Jahre 1892 stattgehabte« (!) Verhandlungen
der Ärztekammern ergeht nach Einvernahme (!) des k. Obermedizinalausschusses nach¬
stehende Verbescheidung (!) mit dem Auftrage, je fünf Exemplare der beifolgenden
Abdrücke gegenwärtiger (!) Entschließung dem Vorsitzenden der Ärztekammer behufs (!)
Kenntnisnahme und entsprechender Verständigung (!) der ärztlichen Bezirksvereine
zuzustellen.""
Die „Verbescheiduug besteht aus elf Abschnitten, von denen der erste lautet:
„Über die vom Staatsministerium des Innern an die Ärztekammern gebrachte Bor¬
lage in Betreff der nach den bisherigen ärztlichen Erfahrungen zweckmäßigsten Arten
der Desinfektion der Lokalitäten, Gebrauchsgegenstände, Wäsche (Sextauerschnitzer!),
Betten und Kleidungsstücke Tuberkulöser und der einfachsten Art der Beseitigung
der Sputa (!) derselben wurde von der Mehrzahl der Ärztekammern Beschluß dahin (!)
gefaßt, weiteres Material durch die Beratungen in den Bezirksvereinen sammeln
zu lassen und die Behandlung dieser Frage für die diesjährigen Beratungen der
Aerztekammern bereitzustellen. Das k. Staatsministerium des Jnnern sieht der be¬
züglichen (I) Vorlage entgegen, um sie für die endgiltige Begutachtung im verstärkten
Obermedizinalansschnß zu bereisen (!)."
Es ist immer die alte Geschichte: der fürchterlichste Sprnchschwnlst entsteht
dadurch, daß man keine Nebensätze schreibt, sondern den Inhalt der Nebensätze in
Hauptwörter zusammenpreßt. Wie leicht verständlich wäre der Anfang dieses
Abschnittes, wenn er so hieße: „Auf die nu die Ärztekammer» gerichtete Frage, wie
nach den bisherigen ärztlichen Erfahrungen Räumlichkeiten, Gebrauchsgegenstände,
Wäsche, Betten und Kleidungsstücke Tuberkulöser am zweckmäßigsten desinfizirt und
ihr Sputa am einfachsten beseitigt werden könnten, wurde von den meisten Ärzte¬
kammern beschlossen u. s. w."
Die folgenden Abschnitte sind nicht alle gleich schlimm, aber doch reich an
Stilblüten aller Art. Da sind in Unterfranken „durchwegs" (!) die Bezirksärzte als
Sammler von Zählblättern gewählt worden. Das Ministerium „nimmt die Gelegenheit
gerne wahr," um (!) den Ärztekammern seine Anerkennung für die „bethätigten"
Untersuchungen auszusprechen. Ein Antrag wird entweder „in Würdigung ge¬
nommen," oder es wird ihm „eine (!) Berücksichtigung nicht (!) zugewendet" u. s. w.
Am Schluß des zweiten Abschnittes steht folgender vollendete Unsinn: „Was die
Anzeigepflicht der ansteckende» Krankheiten in Bezug auf die kostenlose Zuteilung
und Einsendung der hierzu zu bestimmenden Formularien betrifft, so bleibt dieser
Gegenstand unter den gegenwärtigen Verhältnissen weiterer Erwägung vorbehalten."
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