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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Gin italienischer Katholik über die Freiheit

und weite Blick wieder einstellen, vor dem die hente manchmal unnütz sich
breitmachende Kleinigkeitskrämerei dahinschwindet wie Schnee an der März¬
sonne. Dann wird mit dem tiefen Ernst und der gewaltigen Große der Auf¬
gabe, die es zu lösen gilt -- und darüber, daß es eine schwere Aufgabe sein
wird, täuscht sich wohl niemand --, auch eine höhere sittliche Anschauung über
alle Beteiligten kommen, vor der alle leidige Verwöhnung zu Üppigkeit und
Genuß dahinfällt wie elender Plunder. Diesen Glauben, daß sich unser Heer
solches Aufschwungs in den Zeiten der Not fähig erweisen werde, habe ich
auch aus dem diesjährigen FriedenSfeldzuge unerschüttert mit heimgebracht.




Gin italienischer Katholik über die Freiheit

cum man heute, heißt es in dem Vorwort des vor uns liegenden
Buches,") mit einem sechshundert Seiten starken Werke über die
Freiheit vors Publikum tritt, so hat man sich auf zweierlei ge¬
faßt zu machen: niemand wird Lust haben, es zu kaufen, und
wer es geschenkt bekommt, der wird es in den Papierkorb werfen
oder höchstens auf das Brett stellen, wo seine ungebrauchten und unbrauch¬
baren Bücher stehen.

Wir haben das Buch geschenkt bekommen, haben es aber schon seiner
schönen Ausstattung wegen nicht in den Papierkorb geworfen, den es ja anch
zerdrückt haben würde, sondern fein säuberlich einbinden lassen und dann mit
dem Bleistift in der Hand durchstudirt. Und da haben wir denn gefunden,
daß die Befürchtungen des Verfassers nicht unbegründet sind, aber nicht wegen
der Dicke seines Buches, die allerdings unter den heutigen Umständen nicht
gerade zur Empfehlung dient, sondern weil er ein liberaler Katholik vom
Schlage des verstorbnen Grafen Montalembert ist. Als Katholik ist er für
die zur Zeit in Europa, etwa mit Ausschluß Englands, herrschende Gelehrten¬
republik nicht vorhanden, und weil er liberal ist, wird der deutsche Borro-
mänsverein keine Übersetzung davon veranstalten. Außerhalb Deutschlands
und Englands werden, so viel wir wissen, katholische Bücher überhaupt nicht



*) Dell!" I^ibsrtü. oollsiäsratÄ in SV Stoss-l, in rsluüioue, al äiritto, -rllii Sevrin,
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eosvo (ki-numi o tij;Il, 1831.
Gin italienischer Katholik über die Freiheit

und weite Blick wieder einstellen, vor dem die hente manchmal unnütz sich
breitmachende Kleinigkeitskrämerei dahinschwindet wie Schnee an der März¬
sonne. Dann wird mit dem tiefen Ernst und der gewaltigen Große der Auf¬
gabe, die es zu lösen gilt — und darüber, daß es eine schwere Aufgabe sein
wird, täuscht sich wohl niemand —, auch eine höhere sittliche Anschauung über
alle Beteiligten kommen, vor der alle leidige Verwöhnung zu Üppigkeit und
Genuß dahinfällt wie elender Plunder. Diesen Glauben, daß sich unser Heer
solches Aufschwungs in den Zeiten der Not fähig erweisen werde, habe ich
auch aus dem diesjährigen FriedenSfeldzuge unerschüttert mit heimgebracht.




Gin italienischer Katholik über die Freiheit

cum man heute, heißt es in dem Vorwort des vor uns liegenden
Buches,") mit einem sechshundert Seiten starken Werke über die
Freiheit vors Publikum tritt, so hat man sich auf zweierlei ge¬
faßt zu machen: niemand wird Lust haben, es zu kaufen, und
wer es geschenkt bekommt, der wird es in den Papierkorb werfen
oder höchstens auf das Brett stellen, wo seine ungebrauchten und unbrauch¬
baren Bücher stehen.

Wir haben das Buch geschenkt bekommen, haben es aber schon seiner
schönen Ausstattung wegen nicht in den Papierkorb geworfen, den es ja anch
zerdrückt haben würde, sondern fein säuberlich einbinden lassen und dann mit
dem Bleistift in der Hand durchstudirt. Und da haben wir denn gefunden,
daß die Befürchtungen des Verfassers nicht unbegründet sind, aber nicht wegen
der Dicke seines Buches, die allerdings unter den heutigen Umständen nicht
gerade zur Empfehlung dient, sondern weil er ein liberaler Katholik vom
Schlage des verstorbnen Grafen Montalembert ist. Als Katholik ist er für
die zur Zeit in Europa, etwa mit Ausschluß Englands, herrschende Gelehrten¬
republik nicht vorhanden, und weil er liberal ist, wird der deutsche Borro-
mänsverein keine Übersetzung davon veranstalten. Außerhalb Deutschlands
und Englands werden, so viel wir wissen, katholische Bücher überhaupt nicht



*) Dell!» I^ibsrtü. oollsiäsratÄ in SV Stoss-l, in rsluüioue, al äiritto, -rllii Sevrin,
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[0111] Gin italienischer Katholik über die Freiheit und weite Blick wieder einstellen, vor dem die hente manchmal unnütz sich breitmachende Kleinigkeitskrämerei dahinschwindet wie Schnee an der März¬ sonne. Dann wird mit dem tiefen Ernst und der gewaltigen Große der Auf¬ gabe, die es zu lösen gilt — und darüber, daß es eine schwere Aufgabe sein wird, täuscht sich wohl niemand —, auch eine höhere sittliche Anschauung über alle Beteiligten kommen, vor der alle leidige Verwöhnung zu Üppigkeit und Genuß dahinfällt wie elender Plunder. Diesen Glauben, daß sich unser Heer solches Aufschwungs in den Zeiten der Not fähig erweisen werde, habe ich auch aus dem diesjährigen FriedenSfeldzuge unerschüttert mit heimgebracht. Gin italienischer Katholik über die Freiheit cum man heute, heißt es in dem Vorwort des vor uns liegenden Buches,") mit einem sechshundert Seiten starken Werke über die Freiheit vors Publikum tritt, so hat man sich auf zweierlei ge¬ faßt zu machen: niemand wird Lust haben, es zu kaufen, und wer es geschenkt bekommt, der wird es in den Papierkorb werfen oder höchstens auf das Brett stellen, wo seine ungebrauchten und unbrauch¬ baren Bücher stehen. Wir haben das Buch geschenkt bekommen, haben es aber schon seiner schönen Ausstattung wegen nicht in den Papierkorb geworfen, den es ja anch zerdrückt haben würde, sondern fein säuberlich einbinden lassen und dann mit dem Bleistift in der Hand durchstudirt. Und da haben wir denn gefunden, daß die Befürchtungen des Verfassers nicht unbegründet sind, aber nicht wegen der Dicke seines Buches, die allerdings unter den heutigen Umständen nicht gerade zur Empfehlung dient, sondern weil er ein liberaler Katholik vom Schlage des verstorbnen Grafen Montalembert ist. Als Katholik ist er für die zur Zeit in Europa, etwa mit Ausschluß Englands, herrschende Gelehrten¬ republik nicht vorhanden, und weil er liberal ist, wird der deutsche Borro- mänsverein keine Übersetzung davon veranstalten. Außerhalb Deutschlands und Englands werden, so viel wir wissen, katholische Bücher überhaupt nicht *) Dell!» I^ibsrtü. oollsiäsratÄ in SV Stoss-l, in rsluüioue, al äiritto, -rllii Sevrin, lila, soÄsta moilsrn.^, s »I xrvArssso äoll' uwimitü,, xvr ZZorieo Lsnni. Akpoli, 1'rs,li- eosvo (ki-numi o tij;Il, 1831.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/111>, abgerufen am 04.05.2024.