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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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nsre pessimistische Auffassung der wirtschaftlichen Lage Englands
findet eine neue Bestätigung in der jüngsten Nummer (57) der
Schriften des Vereins für Sozialpolitik: Die Handelspolitik
Englands und seiner Kolonien in den letzten Jahrzehnten von
Dr. Karl Johannes Fuchs, a. o. Professor der Stnatswisscn-
schaften an der Universität Greifswald (Leipzig, Duncker und Humblot, 1393).
Aus den statistischen Tabellen dieses Buches geht hervor, daß der englische
Handel, und zwar namentlich der Ausfuhr- und der Durchfuhrhandel, in stetem
Rückgange begriffen ist, der Durchfuhrhandel deswegen, weil sich die andern
Staaten immer mehr von der englischen Vermittlung freimachen und eigne unmit¬
telbare Verbindungen anlegen. Mag auch die Gesamtsumme des im englischen
Handel umlaufenden Geldes noch steigen -- unter starken Schwankungen --,
so steigt doch das Handelskapital der übrigen Großstaaten in weit stärkeren
Maße, sodaß es nur noch eine Frage der Zeit ist, wann England von seinen
Konkurrenten überflügelt sein wird. Die Schwankungen der Ausfuhr fallen
mit den Schwankungen der englischen Gesamtwirtschaft zusammen, so daß die
Zeiten schwächerer Ausfuhr zugleich die Zeiten größern Elends find. Darin
drückt sich die Thatsache aus, daß das englische Volk mit seinem Unterhalt
fast ganz auf die Exportindustrie und den Ausfuhrhandel angewiesen ist, und
daß es zu Grunde gehen muß, sobald sich die übrige" Staate" industriell hin¬
reichend entwickelt haben, die englischen Waren entbehren zu können. "Keine
andre große Nation -- sagt Parkin in seiner Schrift lurpori^l ^öäsratwn --
hat je nnter so künstlichen Bedingungen gelebt, wie England heute am Ende
(und infolge, schaltet Fuchs richtig ein) seiner außerordentlichen industriellen
Entwicklung." Das Künstliche, daher Unnatürliche und Widernatürliche besteht
darin, daß ein ganzes großes Volk rein städtisch zu leben versucht. Für die


Grenzbowi IV 1893 7


I^1M8 ^Vn^Jia.e

nsre pessimistische Auffassung der wirtschaftlichen Lage Englands
findet eine neue Bestätigung in der jüngsten Nummer (57) der
Schriften des Vereins für Sozialpolitik: Die Handelspolitik
Englands und seiner Kolonien in den letzten Jahrzehnten von
Dr. Karl Johannes Fuchs, a. o. Professor der Stnatswisscn-
schaften an der Universität Greifswald (Leipzig, Duncker und Humblot, 1393).
Aus den statistischen Tabellen dieses Buches geht hervor, daß der englische
Handel, und zwar namentlich der Ausfuhr- und der Durchfuhrhandel, in stetem
Rückgange begriffen ist, der Durchfuhrhandel deswegen, weil sich die andern
Staaten immer mehr von der englischen Vermittlung freimachen und eigne unmit¬
telbare Verbindungen anlegen. Mag auch die Gesamtsumme des im englischen
Handel umlaufenden Geldes noch steigen — unter starken Schwankungen —,
so steigt doch das Handelskapital der übrigen Großstaaten in weit stärkeren
Maße, sodaß es nur noch eine Frage der Zeit ist, wann England von seinen
Konkurrenten überflügelt sein wird. Die Schwankungen der Ausfuhr fallen
mit den Schwankungen der englischen Gesamtwirtschaft zusammen, so daß die
Zeiten schwächerer Ausfuhr zugleich die Zeiten größern Elends find. Darin
drückt sich die Thatsache aus, daß das englische Volk mit seinem Unterhalt
fast ganz auf die Exportindustrie und den Ausfuhrhandel angewiesen ist, und
daß es zu Grunde gehen muß, sobald sich die übrige» Staate» industriell hin¬
reichend entwickelt haben, die englischen Waren entbehren zu können. „Keine
andre große Nation — sagt Parkin in seiner Schrift lurpori^l ^öäsratwn —
hat je nnter so künstlichen Bedingungen gelebt, wie England heute am Ende
(und infolge, schaltet Fuchs richtig ein) seiner außerordentlichen industriellen
Entwicklung." Das Künstliche, daher Unnatürliche und Widernatürliche besteht
darin, daß ein ganzes großes Volk rein städtisch zu leben versucht. Für die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/57>, abgerufen am 04.05.2024.