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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Litteratur

Die Frauenfrage, eine zeitgeschichtliche Studie von Adolf Philippi. Bielefeld und
Leipzig, Vclhngen und Klasing, 1894

Der unsern Lesern wohlbekannte Verfasser dieser gediegnen Broschüre, Geheim-
rat Philippi, ist der Ansicht, die soziale und damit auch die Frauenfrage könne
nicht dadurch gelöst werden, daß man die Arbeitskräfte auf den alten Arbeits¬
gebieten verschiebt, sondern nur dadurch, daß man neue Arbeitsgebiete schafft.
Daher erklärt er sich gegen die moderne Frauenbewegung und hält die Mittel und
Wege, durch die die Frauen zu ihrem Ziele gelangen wollen, für verfehlt. Er
hebt hervor, daß durch diese Verschiebungen auf den alten Arbeitsgebieten, besonders
im kaufmännischen Berufe, bereits eine Mäunerfrage entstanden ist, und daß die
Statistik betrübende Bilder zeigt von der Misere unter den männlichen Handlnngs-
beflissenen, die durch die billige Konkurrenz der Ladenmädchen aus ihrem alten
Arbeitsgebiete verdrängt worden sind. Der Verfasser geht nun auf die zum Teil
schon mit Erfolg gekrönten Bestrebungen der Frauen ein, zum Studium zugelassen
zu werden, und entwickelt hier Ansichten, die sich mit den in den Grenzboten wieder¬
holt vorgetragnen eng berühren. Er glaubt, daß weder die Ärztin noch die Ober¬
lehrerin die Notlage unter den Frauen auch nur im geringsten verändern werde;
er wendet sich gegen die Mnsikwut unsrer Frauen und Mädchen, gegen den selbst
von verständigen Männern betriebnen Kultus des Frcmenromans und gegen das
Statistenleben, das viele Mädchen, die nicht arbeiten gelernt haben, oft im Haus¬
halt, z. B. als Gesellschafterinnen, Stützen u. f. w. führen. Die einzige Lösung der
Frauenfrage sieht er in der Ehe und für die unverheirateten Mädchen in der Haus¬
wirtschaft. Die Paar hundert, die sich zur wissenschaftlichen und künstlerischen
Thätigkeit berufen glauben, und die sich geberden, als würde die Frauenfrage gelöst,
wenn man ihnen alle Rechte der Männer zu teil werden läßt, werden bei hin¬
reichender Begabung ihren Unterhalt dann auch uoch finden. "Eine wirtschaftliche
Bewegung kann nur dann berechtigt genannt werden, wenn sie auf irgend eine Art
neue Werte schafft, nicht aber, wenn sie bloß einem Teile giebt, was sie dem
andern zuvor genommen hat. Die Frauen dürfen ihren Erwerb nur da suchen,
wo nach ihrer Arbeit ein Bedürfnis ist, mit andern Worten: wenn, was sie machen
wollen, die Männer nicht oder doch nicht so gut machen. Verdrängen sie nur die
Männer und dann wohl gar noch mit minderwertigen Leistungen, so ist das eine
einseitige Bewegung, die auf die Dauer nicht zum Guten führen kann." Ganz
unsre Ansicht. Wir können die Broschüre unsern Lesern nur empfehlen.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Litteratur

Die Frauenfrage, eine zeitgeschichtliche Studie von Adolf Philippi. Bielefeld und
Leipzig, Vclhngen und Klasing, 1894

Der unsern Lesern wohlbekannte Verfasser dieser gediegnen Broschüre, Geheim-
rat Philippi, ist der Ansicht, die soziale und damit auch die Frauenfrage könne
nicht dadurch gelöst werden, daß man die Arbeitskräfte auf den alten Arbeits¬
gebieten verschiebt, sondern nur dadurch, daß man neue Arbeitsgebiete schafft.
Daher erklärt er sich gegen die moderne Frauenbewegung und hält die Mittel und
Wege, durch die die Frauen zu ihrem Ziele gelangen wollen, für verfehlt. Er
hebt hervor, daß durch diese Verschiebungen auf den alten Arbeitsgebieten, besonders
im kaufmännischen Berufe, bereits eine Mäunerfrage entstanden ist, und daß die
Statistik betrübende Bilder zeigt von der Misere unter den männlichen Handlnngs-
beflissenen, die durch die billige Konkurrenz der Ladenmädchen aus ihrem alten
Arbeitsgebiete verdrängt worden sind. Der Verfasser geht nun auf die zum Teil
schon mit Erfolg gekrönten Bestrebungen der Frauen ein, zum Studium zugelassen
zu werden, und entwickelt hier Ansichten, die sich mit den in den Grenzboten wieder¬
holt vorgetragnen eng berühren. Er glaubt, daß weder die Ärztin noch die Ober¬
lehrerin die Notlage unter den Frauen auch nur im geringsten verändern werde;
er wendet sich gegen die Mnsikwut unsrer Frauen und Mädchen, gegen den selbst
von verständigen Männern betriebnen Kultus des Frcmenromans und gegen das
Statistenleben, das viele Mädchen, die nicht arbeiten gelernt haben, oft im Haus¬
halt, z. B. als Gesellschafterinnen, Stützen u. f. w. führen. Die einzige Lösung der
Frauenfrage sieht er in der Ehe und für die unverheirateten Mädchen in der Haus¬
wirtschaft. Die Paar hundert, die sich zur wissenschaftlichen und künstlerischen
Thätigkeit berufen glauben, und die sich geberden, als würde die Frauenfrage gelöst,
wenn man ihnen alle Rechte der Männer zu teil werden läßt, werden bei hin¬
reichender Begabung ihren Unterhalt dann auch uoch finden. „Eine wirtschaftliche
Bewegung kann nur dann berechtigt genannt werden, wenn sie auf irgend eine Art
neue Werte schafft, nicht aber, wenn sie bloß einem Teile giebt, was sie dem
andern zuvor genommen hat. Die Frauen dürfen ihren Erwerb nur da suchen,
wo nach ihrer Arbeit ein Bedürfnis ist, mit andern Worten: wenn, was sie machen
wollen, die Männer nicht oder doch nicht so gut machen. Verdrängen sie nur die
Männer und dann wohl gar noch mit minderwertigen Leistungen, so ist das eine
einseitige Bewegung, die auf die Dauer nicht zum Guten führen kann." Ganz
unsre Ansicht. Wir können die Broschüre unsern Lesern nur empfehlen.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0152] Litteratur Die Frauenfrage, eine zeitgeschichtliche Studie von Adolf Philippi. Bielefeld und Leipzig, Vclhngen und Klasing, 1894 Der unsern Lesern wohlbekannte Verfasser dieser gediegnen Broschüre, Geheim- rat Philippi, ist der Ansicht, die soziale und damit auch die Frauenfrage könne nicht dadurch gelöst werden, daß man die Arbeitskräfte auf den alten Arbeits¬ gebieten verschiebt, sondern nur dadurch, daß man neue Arbeitsgebiete schafft. Daher erklärt er sich gegen die moderne Frauenbewegung und hält die Mittel und Wege, durch die die Frauen zu ihrem Ziele gelangen wollen, für verfehlt. Er hebt hervor, daß durch diese Verschiebungen auf den alten Arbeitsgebieten, besonders im kaufmännischen Berufe, bereits eine Mäunerfrage entstanden ist, und daß die Statistik betrübende Bilder zeigt von der Misere unter den männlichen Handlnngs- beflissenen, die durch die billige Konkurrenz der Ladenmädchen aus ihrem alten Arbeitsgebiete verdrängt worden sind. Der Verfasser geht nun auf die zum Teil schon mit Erfolg gekrönten Bestrebungen der Frauen ein, zum Studium zugelassen zu werden, und entwickelt hier Ansichten, die sich mit den in den Grenzboten wieder¬ holt vorgetragnen eng berühren. Er glaubt, daß weder die Ärztin noch die Ober¬ lehrerin die Notlage unter den Frauen auch nur im geringsten verändern werde; er wendet sich gegen die Mnsikwut unsrer Frauen und Mädchen, gegen den selbst von verständigen Männern betriebnen Kultus des Frcmenromans und gegen das Statistenleben, das viele Mädchen, die nicht arbeiten gelernt haben, oft im Haus¬ halt, z. B. als Gesellschafterinnen, Stützen u. f. w. führen. Die einzige Lösung der Frauenfrage sieht er in der Ehe und für die unverheirateten Mädchen in der Haus¬ wirtschaft. Die Paar hundert, die sich zur wissenschaftlichen und künstlerischen Thätigkeit berufen glauben, und die sich geberden, als würde die Frauenfrage gelöst, wenn man ihnen alle Rechte der Männer zu teil werden läßt, werden bei hin¬ reichender Begabung ihren Unterhalt dann auch uoch finden. „Eine wirtschaftliche Bewegung kann nur dann berechtigt genannt werden, wenn sie auf irgend eine Art neue Werte schafft, nicht aber, wenn sie bloß einem Teile giebt, was sie dem andern zuvor genommen hat. Die Frauen dürfen ihren Erwerb nur da suchen, wo nach ihrer Arbeit ein Bedürfnis ist, mit andern Worten: wenn, was sie machen wollen, die Männer nicht oder doch nicht so gut machen. Verdrängen sie nur die Männer und dann wohl gar noch mit minderwertigen Leistungen, so ist das eine einseitige Bewegung, die auf die Dauer nicht zum Guten führen kann." Ganz unsre Ansicht. Wir können die Broschüre unsern Lesern nur empfehlen. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/152>, abgerufen am 28.04.2024.