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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Deutsch-japanische Beziehungen

it reger Teilnahme verfolgen wir augenblicklich den Kampf auf
dem ostasiatischen Kriegsschauplatze^ wo das starr am Alten
hängende, aber volksmächtige chinesische Reich vor dem bedeutend
kleinern, aber mit westlicher Bildung und Waffenkunst aus¬
gerüsteten Japan zurückweichen muß. Hier zeigt sich klar die
Wahrheit des Wortes, daß Wissen Macht ist.

Um so wunderbarer ist es, wie wenig Beachtung bisher die Rede eines
Japaners gefunden hat, die uns Deutsche mit nicht geringem Stolz erfüllen
muß. Am 3. November des vergangnen Jahres beging man in Berlin im
Hause des japanischen Gesandten, des Grafen Aoki, die Geburtstagsfeier des
japanischen Kaisers Muts Hito. In einem Trinksprüche hatte der Gesandte
des siegreichen Heeres und der Flotte gedacht und hierbei hervorgehoben, daß
die mächtigste Waffe, die Japan führe, die Kultur sei. In der Erwiderung
hierauf warf der Major Katigave weiter die Frage auf: Woher stammt aber
diese Kultur, und wer hat sie uns gebracht? Sie stammt aus Deutschland,
und Herr Aoki hat sie infolge zwanzigjährigen Bemühens nach unserm Lande
verpflanzt.

Dieses ehrende Zeugnis, das mau vielleicht damit zu entkräften versuchen
konnte, daß es von einem Japaner stamme, der augenblicklich deutsche Gast¬
freundschaft genieße, steht aber keineswegs vereinzelt da. Schon im Jahre
1889 heißt es in dem Vorworte einer von Japanern herausgegebnen wissen¬
schaftlichen Monatsschrift: "Von West nach Ost," die in deutscher Sprache zu
Tokio erscheint und den Zweck hat, die Pflege der deutscheu Sprache in Japan
zu befördern und deutschen Geist und deutsches Wesen den Japanern näher
zu bringen: "Wenn wir uns fragen, welches Land in unsrer Zeit in wissen¬
schaftlicher Beziehung an der Spitze der europäischen Kulturstaaten steht, so


Grenzbvw, I 1895 43


Deutsch-japanische Beziehungen

it reger Teilnahme verfolgen wir augenblicklich den Kampf auf
dem ostasiatischen Kriegsschauplatze^ wo das starr am Alten
hängende, aber volksmächtige chinesische Reich vor dem bedeutend
kleinern, aber mit westlicher Bildung und Waffenkunst aus¬
gerüsteten Japan zurückweichen muß. Hier zeigt sich klar die
Wahrheit des Wortes, daß Wissen Macht ist.

Um so wunderbarer ist es, wie wenig Beachtung bisher die Rede eines
Japaners gefunden hat, die uns Deutsche mit nicht geringem Stolz erfüllen
muß. Am 3. November des vergangnen Jahres beging man in Berlin im
Hause des japanischen Gesandten, des Grafen Aoki, die Geburtstagsfeier des
japanischen Kaisers Muts Hito. In einem Trinksprüche hatte der Gesandte
des siegreichen Heeres und der Flotte gedacht und hierbei hervorgehoben, daß
die mächtigste Waffe, die Japan führe, die Kultur sei. In der Erwiderung
hierauf warf der Major Katigave weiter die Frage auf: Woher stammt aber
diese Kultur, und wer hat sie uns gebracht? Sie stammt aus Deutschland,
und Herr Aoki hat sie infolge zwanzigjährigen Bemühens nach unserm Lande
verpflanzt.

Dieses ehrende Zeugnis, das mau vielleicht damit zu entkräften versuchen
konnte, daß es von einem Japaner stamme, der augenblicklich deutsche Gast¬
freundschaft genieße, steht aber keineswegs vereinzelt da. Schon im Jahre
1889 heißt es in dem Vorworte einer von Japanern herausgegebnen wissen¬
schaftlichen Monatsschrift: „Von West nach Ost," die in deutscher Sprache zu
Tokio erscheint und den Zweck hat, die Pflege der deutscheu Sprache in Japan
zu befördern und deutschen Geist und deutsches Wesen den Japanern näher
zu bringen: „Wenn wir uns fragen, welches Land in unsrer Zeit in wissen¬
schaftlicher Beziehung an der Spitze der europäischen Kulturstaaten steht, so


Grenzbvw, I 1895 43
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[0347] [Abbildung] Deutsch-japanische Beziehungen it reger Teilnahme verfolgen wir augenblicklich den Kampf auf dem ostasiatischen Kriegsschauplatze^ wo das starr am Alten hängende, aber volksmächtige chinesische Reich vor dem bedeutend kleinern, aber mit westlicher Bildung und Waffenkunst aus¬ gerüsteten Japan zurückweichen muß. Hier zeigt sich klar die Wahrheit des Wortes, daß Wissen Macht ist. Um so wunderbarer ist es, wie wenig Beachtung bisher die Rede eines Japaners gefunden hat, die uns Deutsche mit nicht geringem Stolz erfüllen muß. Am 3. November des vergangnen Jahres beging man in Berlin im Hause des japanischen Gesandten, des Grafen Aoki, die Geburtstagsfeier des japanischen Kaisers Muts Hito. In einem Trinksprüche hatte der Gesandte des siegreichen Heeres und der Flotte gedacht und hierbei hervorgehoben, daß die mächtigste Waffe, die Japan führe, die Kultur sei. In der Erwiderung hierauf warf der Major Katigave weiter die Frage auf: Woher stammt aber diese Kultur, und wer hat sie uns gebracht? Sie stammt aus Deutschland, und Herr Aoki hat sie infolge zwanzigjährigen Bemühens nach unserm Lande verpflanzt. Dieses ehrende Zeugnis, das mau vielleicht damit zu entkräften versuchen konnte, daß es von einem Japaner stamme, der augenblicklich deutsche Gast¬ freundschaft genieße, steht aber keineswegs vereinzelt da. Schon im Jahre 1889 heißt es in dem Vorworte einer von Japanern herausgegebnen wissen¬ schaftlichen Monatsschrift: „Von West nach Ost," die in deutscher Sprache zu Tokio erscheint und den Zweck hat, die Pflege der deutscheu Sprache in Japan zu befördern und deutschen Geist und deutsches Wesen den Japanern näher zu bringen: „Wenn wir uns fragen, welches Land in unsrer Zeit in wissen¬ schaftlicher Beziehung an der Spitze der europäischen Kulturstaaten steht, so Grenzbvw, I 1895 43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/347>, abgerufen am 27.04.2024.