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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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letzte Wort gesprochen. Das Hauptergebnis aber kann nicht mehr erschüttert
werden: es ist ein großer und schöner Triumph, den die furchtlose christliche
Wissenschaft hier gehabt hat.




Otto Bahr f

ir erhalten die schmerzliche Nachricht, die auch unsre Leser mit
tiefem Bedauern erfüllen wird, daß Montag den 18. Februar
unser lieber, hochverehrter Freund und langjähriger Mitarbeiter
Reichsgerichtsrat Dr. Otto Bahr in Kassel nach kurzer Krankheit
gestorben ist.

Er war der Besten einer in unserm Kreise. Als alter Nationalliberaler
war er in politischen und wirtschaftlichen Fragen mit uns Jüngeren nicht immer
einverstanden, wie unsre Leser erst vor wenigen Wochen noch gesehen haben, und
er hat uus das auch manchmal kräftig gesagt. Aber er ist trotzdem aus unserm
Kreise uicht herausgetreten. Er, dessen Herz wahrhaft und lauter wie Gold
war, wußte, daß wir alle, die wir an diesen Blättern arbeiten, der Wahrheit
zu dienen suchen; darum blieb er uns treu, obwohl er oft anders dachte als wir.
Und in einem waren wir immer einig mit ihm und haben ihn bewundert und
ihm gedankt, so oft er uns durch einen Beitrag aus seiner Feder erfreute:
wenn er kämpfte ans seinem eigensten Gebiete, auf dem Gebiete der Gesetz¬
schaffung und der Gesetzausleguug, für die Bedürfnisse des Lebens, das er
kannte wie wenige, gegen die Kurzsichtigkeit des Paragraphen, für den Geist,
von dem er voll war, gegen den toten Buchstaben.

Wir haben das Gefühl, daß er noch nicht hätte von uus scheiden dürfen.
Sein Tod reißt ein Lücke, die ein andrer nicht leicht wird ausfüllen können,
denn vielen, die jetzt auf seinem Gebiete zu arbeiten berufen sind, fehlt eins,
was ihn auszeichnete und sich in jedem Satz und jedem Worte, das er schrieb,
spiegelte: die Ruhe und Klarheit des Geistes, die nur ein langes, er¬
fahrungsreiches Leben, ein Lebe" voll so reicher Erfahrungen, wie es ihm
zu teil geworden war, geben kann.

Wir werden seiner mit treuem Herzen gedenken. War er doch einer von
denen, die uus zur Seite gestanden haben, als unser Weg schwer war!




letzte Wort gesprochen. Das Hauptergebnis aber kann nicht mehr erschüttert
werden: es ist ein großer und schöner Triumph, den die furchtlose christliche
Wissenschaft hier gehabt hat.




Otto Bahr f

ir erhalten die schmerzliche Nachricht, die auch unsre Leser mit
tiefem Bedauern erfüllen wird, daß Montag den 18. Februar
unser lieber, hochverehrter Freund und langjähriger Mitarbeiter
Reichsgerichtsrat Dr. Otto Bahr in Kassel nach kurzer Krankheit
gestorben ist.

Er war der Besten einer in unserm Kreise. Als alter Nationalliberaler
war er in politischen und wirtschaftlichen Fragen mit uns Jüngeren nicht immer
einverstanden, wie unsre Leser erst vor wenigen Wochen noch gesehen haben, und
er hat uus das auch manchmal kräftig gesagt. Aber er ist trotzdem aus unserm
Kreise uicht herausgetreten. Er, dessen Herz wahrhaft und lauter wie Gold
war, wußte, daß wir alle, die wir an diesen Blättern arbeiten, der Wahrheit
zu dienen suchen; darum blieb er uns treu, obwohl er oft anders dachte als wir.
Und in einem waren wir immer einig mit ihm und haben ihn bewundert und
ihm gedankt, so oft er uns durch einen Beitrag aus seiner Feder erfreute:
wenn er kämpfte ans seinem eigensten Gebiete, auf dem Gebiete der Gesetz¬
schaffung und der Gesetzausleguug, für die Bedürfnisse des Lebens, das er
kannte wie wenige, gegen die Kurzsichtigkeit des Paragraphen, für den Geist,
von dem er voll war, gegen den toten Buchstaben.

Wir haben das Gefühl, daß er noch nicht hätte von uus scheiden dürfen.
Sein Tod reißt ein Lücke, die ein andrer nicht leicht wird ausfüllen können,
denn vielen, die jetzt auf seinem Gebiete zu arbeiten berufen sind, fehlt eins,
was ihn auszeichnete und sich in jedem Satz und jedem Worte, das er schrieb,
spiegelte: die Ruhe und Klarheit des Geistes, die nur ein langes, er¬
fahrungsreiches Leben, ein Lebe» voll so reicher Erfahrungen, wie es ihm
zu teil geworden war, geben kann.

Wir werden seiner mit treuem Herzen gedenken. War er doch einer von
denen, die uus zur Seite gestanden haben, als unser Weg schwer war!




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[0386] letzte Wort gesprochen. Das Hauptergebnis aber kann nicht mehr erschüttert werden: es ist ein großer und schöner Triumph, den die furchtlose christliche Wissenschaft hier gehabt hat. Otto Bahr f ir erhalten die schmerzliche Nachricht, die auch unsre Leser mit tiefem Bedauern erfüllen wird, daß Montag den 18. Februar unser lieber, hochverehrter Freund und langjähriger Mitarbeiter Reichsgerichtsrat Dr. Otto Bahr in Kassel nach kurzer Krankheit gestorben ist. Er war der Besten einer in unserm Kreise. Als alter Nationalliberaler war er in politischen und wirtschaftlichen Fragen mit uns Jüngeren nicht immer einverstanden, wie unsre Leser erst vor wenigen Wochen noch gesehen haben, und er hat uus das auch manchmal kräftig gesagt. Aber er ist trotzdem aus unserm Kreise uicht herausgetreten. Er, dessen Herz wahrhaft und lauter wie Gold war, wußte, daß wir alle, die wir an diesen Blättern arbeiten, der Wahrheit zu dienen suchen; darum blieb er uns treu, obwohl er oft anders dachte als wir. Und in einem waren wir immer einig mit ihm und haben ihn bewundert und ihm gedankt, so oft er uns durch einen Beitrag aus seiner Feder erfreute: wenn er kämpfte ans seinem eigensten Gebiete, auf dem Gebiete der Gesetz¬ schaffung und der Gesetzausleguug, für die Bedürfnisse des Lebens, das er kannte wie wenige, gegen die Kurzsichtigkeit des Paragraphen, für den Geist, von dem er voll war, gegen den toten Buchstaben. Wir haben das Gefühl, daß er noch nicht hätte von uus scheiden dürfen. Sein Tod reißt ein Lücke, die ein andrer nicht leicht wird ausfüllen können, denn vielen, die jetzt auf seinem Gebiete zu arbeiten berufen sind, fehlt eins, was ihn auszeichnete und sich in jedem Satz und jedem Worte, das er schrieb, spiegelte: die Ruhe und Klarheit des Geistes, die nur ein langes, er¬ fahrungsreiches Leben, ein Lebe» voll so reicher Erfahrungen, wie es ihm zu teil geworden war, geben kann. Wir werden seiner mit treuem Herzen gedenken. War er doch einer von denen, die uus zur Seite gestanden haben, als unser Weg schwer war!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/386>, abgerufen am 27.04.2024.