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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Litteratur

zu bemerken. Ein paar Berichtigungen möchten wir aber wieder geben. Der
Gemahl der Großfürstin Marie von Leuchtenberg heißt nicht Strogonoff (S. 31),
sondern Stroganoff, Seite 42 muß es Oliphnnt statt Oliphaunt heißen!
Seite 54 hat Bernhard! sicher Mediceer und nicht Medicaeer geschrieben.
Seite 89 erscheint das englische Wort ain zweimal als äiwm. Seite 45 sind die
Phasen der Hegelschen Philosophie natürlich nur mittelst eines Druckfehlers aus
Phrasen entstanden. Wenn Bernhardt Seite 121 sagt: Lord Palmerston ist ein
echter Jrländer, ein Querkopf, so hat er sich offenbar verschrieben und ge¬
meint Engländer. Bei den ergötzlichen Mitteilungen (S, 180) über die Ant¬
worten der Kandidaten bei der englischen Zivildienstprüfung ist die letzte durch eine
kleines Versehen im Druck unverständlich geworden. Gefragt, was Shakespeare
geschrieben habe, antwortet der Kandidat (natürlich schriftlich) tue ronsr HA.mIst'8.
Das giebt keinen Sinn; es muß vielmehr heißen tue. rmvsr uamletis (Flecken); den
tragischen Helden Hamlet verwechselt der Examinand mit den Towerflecken.




Litteratur

Reden und Aufsätze. Dritte Folge. Von Gustav Rümelin, s Kanzler der Universität
Tübingen. Freiburg i. B. und Leipzig, I. C. B. Mohr chant Siebeck), 1894

Auch diese letzten neun Tübingischen Kauzlerreden Rttmelins und die beiden
Aufsätze über Justinus Kerner und den württembergischen Volkscharakter geben
wieder ein sprechendes Bild von der Geistesarbeit eines Mannes, der Vielseitigkeit
der wissenschaftlichen Interessen mit Gründlichkeit des Denkens auf jedem Gebiete
zu vereinigen und sich dabei stets einen hohen, freien Standpunkt zu wahren gewußt
hat. Im gewöhnlichen Sinne war er also kein moderner Gelehrter; er stand außer¬
halb des unsrer Zeit eigentümlichen Betriebes der Wissenschaft, denn er klagt: "In
Deutschland herrscht die mikrologische Forschung, die gelehrte Zwergwirtschaft, die
Hochflut der Monographien und Minimographie in dem Buche der Natur und noch
mehr in dem der Geschichte, zumal der Litteraturgeschichte, vor." Aber dafür sind
alle seine Arbeiten in jene Klassizität des Geistes getaucht, die den Stempel des
allezeit giltigen trägt und darum in höherm Sinne immer modern ist.

Die schöne Gedächtnisrede Professor Sigwarts, die den Band einleitet, be¬
zeichnet es als das Hauptinteresse Rümelins von Jugend auf: das staatliche und
gesellschaftliche Leben in seiner bestimmten, geschichtlichen Form zu erfassen, aus seinen
wirklichen Bedingungen und seinen treibenden Kräften heraus zu verstehen. Daß
das wirklich der natürliche Brennpunkt der hierhin und dorthin leuchtenden Strahlen
seines hellen und scharfen Geistes ist, zeigt recht deutlich die Rede von 1383 über
den Begriff der Gesellschaft und einer Gesellschaftslehre. Als Statistiker stand
Rümelin zunächst der Frage gegenüber: was bedeutet überhaupt das Wort Gesell¬
schaft, und in welchem Sinne kann es eine allgemeine und grundlegende Wissenschaft
von ihr geben? Sein sprachliches Interesse befriedigt er in einer umständlichen


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zu bemerken. Ein paar Berichtigungen möchten wir aber wieder geben. Der
Gemahl der Großfürstin Marie von Leuchtenberg heißt nicht Strogonoff (S. 31),
sondern Stroganoff, Seite 42 muß es Oliphnnt statt Oliphaunt heißen!
Seite 54 hat Bernhard! sicher Mediceer und nicht Medicaeer geschrieben.
Seite 89 erscheint das englische Wort ain zweimal als äiwm. Seite 45 sind die
Phasen der Hegelschen Philosophie natürlich nur mittelst eines Druckfehlers aus
Phrasen entstanden. Wenn Bernhardt Seite 121 sagt: Lord Palmerston ist ein
echter Jrländer, ein Querkopf, so hat er sich offenbar verschrieben und ge¬
meint Engländer. Bei den ergötzlichen Mitteilungen (S, 180) über die Ant¬
worten der Kandidaten bei der englischen Zivildienstprüfung ist die letzte durch eine
kleines Versehen im Druck unverständlich geworden. Gefragt, was Shakespeare
geschrieben habe, antwortet der Kandidat (natürlich schriftlich) tue ronsr HA.mIst'8.
Das giebt keinen Sinn; es muß vielmehr heißen tue. rmvsr uamletis (Flecken); den
tragischen Helden Hamlet verwechselt der Examinand mit den Towerflecken.




Litteratur

Reden und Aufsätze. Dritte Folge. Von Gustav Rümelin, s Kanzler der Universität
Tübingen. Freiburg i. B. und Leipzig, I. C. B. Mohr chant Siebeck), 1894

Auch diese letzten neun Tübingischen Kauzlerreden Rttmelins und die beiden
Aufsätze über Justinus Kerner und den württembergischen Volkscharakter geben
wieder ein sprechendes Bild von der Geistesarbeit eines Mannes, der Vielseitigkeit
der wissenschaftlichen Interessen mit Gründlichkeit des Denkens auf jedem Gebiete
zu vereinigen und sich dabei stets einen hohen, freien Standpunkt zu wahren gewußt
hat. Im gewöhnlichen Sinne war er also kein moderner Gelehrter; er stand außer¬
halb des unsrer Zeit eigentümlichen Betriebes der Wissenschaft, denn er klagt: „In
Deutschland herrscht die mikrologische Forschung, die gelehrte Zwergwirtschaft, die
Hochflut der Monographien und Minimographie in dem Buche der Natur und noch
mehr in dem der Geschichte, zumal der Litteraturgeschichte, vor." Aber dafür sind
alle seine Arbeiten in jene Klassizität des Geistes getaucht, die den Stempel des
allezeit giltigen trägt und darum in höherm Sinne immer modern ist.

Die schöne Gedächtnisrede Professor Sigwarts, die den Band einleitet, be¬
zeichnet es als das Hauptinteresse Rümelins von Jugend auf: das staatliche und
gesellschaftliche Leben in seiner bestimmten, geschichtlichen Form zu erfassen, aus seinen
wirklichen Bedingungen und seinen treibenden Kräften heraus zu verstehen. Daß
das wirklich der natürliche Brennpunkt der hierhin und dorthin leuchtenden Strahlen
seines hellen und scharfen Geistes ist, zeigt recht deutlich die Rede von 1383 über
den Begriff der Gesellschaft und einer Gesellschaftslehre. Als Statistiker stand
Rümelin zunächst der Frage gegenüber: was bedeutet überhaupt das Wort Gesell¬
schaft, und in welchem Sinne kann es eine allgemeine und grundlegende Wissenschaft
von ihr geben? Sein sprachliches Interesse befriedigt er in einer umständlichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/613>, abgerufen am 28.04.2024.