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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Das Wandergewerbe

liebes Werkzeug ist; es mag diese Größe selbst von gemeinem Undank und von
verblendeter Parteisucht verkannt werden, wie blöde Augen das helle Sonnen¬
licht nicht vertragen können und es deshalb schmähen; es mögen ihn manche
einen Gewaltmenschen schelten, weil er es auf sich genommen hatte, die Nation
zu einigen durch Blut und Eisen, um sie in letzter Stunde zu retten, wie noch
jede Staatengrttndung durch Gewalt vollzogen worden ist, weil sie immer nur
das Werk einer denkenden und thatkräftigen Minderheit gewesen ist. Den¬
noch bleibt ihm für immer der Ruhm, an einem Wendepunkt der Menschen¬
geschichte die alte Zeit abgeschlossen und die neue herausgeführt zu haben.
Und wenn ihn am 1. April die Tausende jubelnd umdrängen, wenn die Hundert-
tausende weit umher im Lande und überall, wo gute Deutsche wohnen, seinem
Namen zujauchzen, wenn aus allen Weltgegenden nach Friedrichsruh die Tele¬
gramme zucken, und die Gaben sich zu Bergen häufen werden, dann wird der
greise Held trotz aller schweren Erfahrungen, wie sie keinem Sterblichen erspart
bleibend und den Größten am wenigsten, zu den vierundzwanzig Stunden des
Glücks. die er bis jetzt nur erlebt haben will, vielleicht doch noch einige weitere
<V. R. hinzuzuzählen.




Das Wandergewerbe

ein Reichstage ist in der gegenwärtigen Session der Entwurf eines
Gesetzes zur Abänderung der Gewerbeordnung vorgelegt worden,
der in seinem Hauptteil eine neue Regelung des Wandergewerbes
bezweckt. Am 29. Januar und am 1. Februar dieses Jahres
haben die Abgeordneten über den Gegenstand beraten und schlie߬
lich den Entwurf einer Kommission von einundzwanzig Mitgliedern überwiesen.
Was aus den Kommissionsberatnngen wieder herauskommen und wie sich der
Reichstag zu den dort gefaßten Beschlüssen stellen wird, ist schwer zu sagen.
Völlig einverstanden mit den Absichten der Verbündeten Regierungen war im
Reichstage kein Redner, dem einen gingen die Vorschlüge zu weit, dem andern
nicht weit genug, es werdeu eben hier, wie bei manchen andern gcwerbe-
politischen Dingen, mit neuen Bestimmungen, zumal wenn sie durchgreifen
sollen, leicht mehr oder minder berechtigte Interessen getroffen, und so gehen
die Wünsche und Meinungen nach allen Richtungen aus einander.

Was die Regierungsvorlage bietet, sind in der Hauptsache Vorschriften
mehr polizeilicher als wirtschaftlicher Natur, eine Fortsetzung der in der Ge-


Das Wandergewerbe

liebes Werkzeug ist; es mag diese Größe selbst von gemeinem Undank und von
verblendeter Parteisucht verkannt werden, wie blöde Augen das helle Sonnen¬
licht nicht vertragen können und es deshalb schmähen; es mögen ihn manche
einen Gewaltmenschen schelten, weil er es auf sich genommen hatte, die Nation
zu einigen durch Blut und Eisen, um sie in letzter Stunde zu retten, wie noch
jede Staatengrttndung durch Gewalt vollzogen worden ist, weil sie immer nur
das Werk einer denkenden und thatkräftigen Minderheit gewesen ist. Den¬
noch bleibt ihm für immer der Ruhm, an einem Wendepunkt der Menschen¬
geschichte die alte Zeit abgeschlossen und die neue herausgeführt zu haben.
Und wenn ihn am 1. April die Tausende jubelnd umdrängen, wenn die Hundert-
tausende weit umher im Lande und überall, wo gute Deutsche wohnen, seinem
Namen zujauchzen, wenn aus allen Weltgegenden nach Friedrichsruh die Tele¬
gramme zucken, und die Gaben sich zu Bergen häufen werden, dann wird der
greise Held trotz aller schweren Erfahrungen, wie sie keinem Sterblichen erspart
bleibend und den Größten am wenigsten, zu den vierundzwanzig Stunden des
Glücks. die er bis jetzt nur erlebt haben will, vielleicht doch noch einige weitere
<V. R. hinzuzuzählen.




Das Wandergewerbe

ein Reichstage ist in der gegenwärtigen Session der Entwurf eines
Gesetzes zur Abänderung der Gewerbeordnung vorgelegt worden,
der in seinem Hauptteil eine neue Regelung des Wandergewerbes
bezweckt. Am 29. Januar und am 1. Februar dieses Jahres
haben die Abgeordneten über den Gegenstand beraten und schlie߬
lich den Entwurf einer Kommission von einundzwanzig Mitgliedern überwiesen.
Was aus den Kommissionsberatnngen wieder herauskommen und wie sich der
Reichstag zu den dort gefaßten Beschlüssen stellen wird, ist schwer zu sagen.
Völlig einverstanden mit den Absichten der Verbündeten Regierungen war im
Reichstage kein Redner, dem einen gingen die Vorschlüge zu weit, dem andern
nicht weit genug, es werdeu eben hier, wie bei manchen andern gcwerbe-
politischen Dingen, mit neuen Bestimmungen, zumal wenn sie durchgreifen
sollen, leicht mehr oder minder berechtigte Interessen getroffen, und so gehen
die Wünsche und Meinungen nach allen Richtungen aus einander.

Was die Regierungsvorlage bietet, sind in der Hauptsache Vorschriften
mehr polizeilicher als wirtschaftlicher Natur, eine Fortsetzung der in der Ge-


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[0621] Das Wandergewerbe liebes Werkzeug ist; es mag diese Größe selbst von gemeinem Undank und von verblendeter Parteisucht verkannt werden, wie blöde Augen das helle Sonnen¬ licht nicht vertragen können und es deshalb schmähen; es mögen ihn manche einen Gewaltmenschen schelten, weil er es auf sich genommen hatte, die Nation zu einigen durch Blut und Eisen, um sie in letzter Stunde zu retten, wie noch jede Staatengrttndung durch Gewalt vollzogen worden ist, weil sie immer nur das Werk einer denkenden und thatkräftigen Minderheit gewesen ist. Den¬ noch bleibt ihm für immer der Ruhm, an einem Wendepunkt der Menschen¬ geschichte die alte Zeit abgeschlossen und die neue herausgeführt zu haben. Und wenn ihn am 1. April die Tausende jubelnd umdrängen, wenn die Hundert- tausende weit umher im Lande und überall, wo gute Deutsche wohnen, seinem Namen zujauchzen, wenn aus allen Weltgegenden nach Friedrichsruh die Tele¬ gramme zucken, und die Gaben sich zu Bergen häufen werden, dann wird der greise Held trotz aller schweren Erfahrungen, wie sie keinem Sterblichen erspart bleibend und den Größten am wenigsten, zu den vierundzwanzig Stunden des Glücks. die er bis jetzt nur erlebt haben will, vielleicht doch noch einige weitere <V. R. hinzuzuzählen. Das Wandergewerbe ein Reichstage ist in der gegenwärtigen Session der Entwurf eines Gesetzes zur Abänderung der Gewerbeordnung vorgelegt worden, der in seinem Hauptteil eine neue Regelung des Wandergewerbes bezweckt. Am 29. Januar und am 1. Februar dieses Jahres haben die Abgeordneten über den Gegenstand beraten und schlie߬ lich den Entwurf einer Kommission von einundzwanzig Mitgliedern überwiesen. Was aus den Kommissionsberatnngen wieder herauskommen und wie sich der Reichstag zu den dort gefaßten Beschlüssen stellen wird, ist schwer zu sagen. Völlig einverstanden mit den Absichten der Verbündeten Regierungen war im Reichstage kein Redner, dem einen gingen die Vorschlüge zu weit, dem andern nicht weit genug, es werdeu eben hier, wie bei manchen andern gcwerbe- politischen Dingen, mit neuen Bestimmungen, zumal wenn sie durchgreifen sollen, leicht mehr oder minder berechtigte Interessen getroffen, und so gehen die Wünsche und Meinungen nach allen Richtungen aus einander. Was die Regierungsvorlage bietet, sind in der Hauptsache Vorschriften mehr polizeilicher als wirtschaftlicher Natur, eine Fortsetzung der in der Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/621>, abgerufen am 28.04.2024.