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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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lie", der in diesem Jahr erscheinen soll, ebenso aus, dann haben wir ein gutes,
schon illustrirtes Handbuch der Geographie gewonnen, wie wir es seit langem nötig
gehabt haben.


Unsre Muttersprache, ihr Werden und Wesen. Von Professor Dr. O. Weise. Leipzig,
B. G. Teubner, 1895

Die fleißige Ausarbeitung dieses Büchleins ist um so mehr anzuerkennen, als
es deu Anschein hat, als ob der Verfasser hier ein Gebiet betreten habe, mit dem
er nicht von Hans ans vertraut wäre. Er giebt eiuen kurzen Abriß der Ge¬
schichte der deutschen Sprache und versucht dann, ihr Wesen darzustellen, freilich
auch wieder fast nur dadurch, daß er die Entwicklung von Sitte und Sprache
nebeneinanderhält und allerlei grammatisches und etymologisches über das änßere
und innere Leben der Wörter erzählt: Werden und Wesen sind also nicht ge¬
schieden. Am hübschsten ist nach unsrer Ansicht das dankbare Kapitel Stil und
Kulturentwicklung ausgefallen; schade, daß darin die alte verkehrte Ansicht wieder
auftaucht: "Noch schlimmer (gemeint ist: als im fünfzehnten Jahrhundert) erging
es unsrer Muttersprache, als die Wiedergeburt des Altertums in Deutschland ein¬
trat." Gerade die Abivendung von dem lebendigen mittelalterlichen Latein zum
tote" klassischen hat der deutschen Sprache endgiltig zum Siege verholfen!

Mit Recht hat sich der Verfasser bemüht, seinen Stoff mit Hilfe von Bildern
in anschaulicher und lebendiger Gestalt zu bieten. Aber wo sich ein Bild nicht
als organischer Gedanke des Ganzen einstellt, sondern als besondrer Zierat zur
Auftakelung des Stils dienen soll, verzichten wir lieber darauf, selbst wenn es mit
solcher Liebe ausgemalt ist wie dieses: "Von dem schönen Baume der Ursprache,
an dessen saftigem Grün die alten Indogermanen ihr Auge labten, ist Zweig für
Zweig und Blatt für Blatt abgefallen; und wenn auch neue Schößlinge hervor¬
treten, so wird doch der Reichtum und die Üppigkeit jener Zeit niemals wiederkehren,"
abgesehen von der Wahrheit gerade dieses Bildes.




Zur Beachtung Mit dem nächsten Hefte beginnt diese Zeitschrift das
2. Vierteljahr ihres 34. Jahrganges. Sie ist durch alle Buch-
Handlungen und Postanstalten des In- und Auslandes zu
beziehen. Preis für das Vierteljahr 9 Mark. Wir bitten, die
Bestellung schleunig zu erneuern. Leipzig, im März 189S Die Verlagshandlung




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Litteratur

lie», der in diesem Jahr erscheinen soll, ebenso aus, dann haben wir ein gutes,
schon illustrirtes Handbuch der Geographie gewonnen, wie wir es seit langem nötig
gehabt haben.


Unsre Muttersprache, ihr Werden und Wesen. Von Professor Dr. O. Weise. Leipzig,
B. G. Teubner, 1895

Die fleißige Ausarbeitung dieses Büchleins ist um so mehr anzuerkennen, als
es deu Anschein hat, als ob der Verfasser hier ein Gebiet betreten habe, mit dem
er nicht von Hans ans vertraut wäre. Er giebt eiuen kurzen Abriß der Ge¬
schichte der deutschen Sprache und versucht dann, ihr Wesen darzustellen, freilich
auch wieder fast nur dadurch, daß er die Entwicklung von Sitte und Sprache
nebeneinanderhält und allerlei grammatisches und etymologisches über das änßere
und innere Leben der Wörter erzählt: Werden und Wesen sind also nicht ge¬
schieden. Am hübschsten ist nach unsrer Ansicht das dankbare Kapitel Stil und
Kulturentwicklung ausgefallen; schade, daß darin die alte verkehrte Ansicht wieder
auftaucht: „Noch schlimmer (gemeint ist: als im fünfzehnten Jahrhundert) erging
es unsrer Muttersprache, als die Wiedergeburt des Altertums in Deutschland ein¬
trat." Gerade die Abivendung von dem lebendigen mittelalterlichen Latein zum
tote» klassischen hat der deutschen Sprache endgiltig zum Siege verholfen!

Mit Recht hat sich der Verfasser bemüht, seinen Stoff mit Hilfe von Bildern
in anschaulicher und lebendiger Gestalt zu bieten. Aber wo sich ein Bild nicht
als organischer Gedanke des Ganzen einstellt, sondern als besondrer Zierat zur
Auftakelung des Stils dienen soll, verzichten wir lieber darauf, selbst wenn es mit
solcher Liebe ausgemalt ist wie dieses: „Von dem schönen Baume der Ursprache,
an dessen saftigem Grün die alten Indogermanen ihr Auge labten, ist Zweig für
Zweig und Blatt für Blatt abgefallen; und wenn auch neue Schößlinge hervor¬
treten, so wird doch der Reichtum und die Üppigkeit jener Zeit niemals wiederkehren,"
abgesehen von der Wahrheit gerade dieses Bildes.




Zur Beachtung Mit dem nächsten Hefte beginnt diese Zeitschrift das
2. Vierteljahr ihres 34. Jahrganges. Sie ist durch alle Buch-
Handlungen und Postanstalten des In- und Auslandes zu
beziehen. Preis für das Vierteljahr 9 Mark. Wir bitten, die
Bestellung schleunig zu erneuern. Leipzig, im März 189S Die Verlagshandlung




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0666] Litteratur lie», der in diesem Jahr erscheinen soll, ebenso aus, dann haben wir ein gutes, schon illustrirtes Handbuch der Geographie gewonnen, wie wir es seit langem nötig gehabt haben. Unsre Muttersprache, ihr Werden und Wesen. Von Professor Dr. O. Weise. Leipzig, B. G. Teubner, 1895 Die fleißige Ausarbeitung dieses Büchleins ist um so mehr anzuerkennen, als es deu Anschein hat, als ob der Verfasser hier ein Gebiet betreten habe, mit dem er nicht von Hans ans vertraut wäre. Er giebt eiuen kurzen Abriß der Ge¬ schichte der deutschen Sprache und versucht dann, ihr Wesen darzustellen, freilich auch wieder fast nur dadurch, daß er die Entwicklung von Sitte und Sprache nebeneinanderhält und allerlei grammatisches und etymologisches über das änßere und innere Leben der Wörter erzählt: Werden und Wesen sind also nicht ge¬ schieden. Am hübschsten ist nach unsrer Ansicht das dankbare Kapitel Stil und Kulturentwicklung ausgefallen; schade, daß darin die alte verkehrte Ansicht wieder auftaucht: „Noch schlimmer (gemeint ist: als im fünfzehnten Jahrhundert) erging es unsrer Muttersprache, als die Wiedergeburt des Altertums in Deutschland ein¬ trat." Gerade die Abivendung von dem lebendigen mittelalterlichen Latein zum tote» klassischen hat der deutschen Sprache endgiltig zum Siege verholfen! Mit Recht hat sich der Verfasser bemüht, seinen Stoff mit Hilfe von Bildern in anschaulicher und lebendiger Gestalt zu bieten. Aber wo sich ein Bild nicht als organischer Gedanke des Ganzen einstellt, sondern als besondrer Zierat zur Auftakelung des Stils dienen soll, verzichten wir lieber darauf, selbst wenn es mit solcher Liebe ausgemalt ist wie dieses: „Von dem schönen Baume der Ursprache, an dessen saftigem Grün die alten Indogermanen ihr Auge labten, ist Zweig für Zweig und Blatt für Blatt abgefallen; und wenn auch neue Schößlinge hervor¬ treten, so wird doch der Reichtum und die Üppigkeit jener Zeit niemals wiederkehren," abgesehen von der Wahrheit gerade dieses Bildes. Zur Beachtung Mit dem nächsten Hefte beginnt diese Zeitschrift das 2. Vierteljahr ihres 34. Jahrganges. Sie ist durch alle Buch- Handlungen und Postanstalten des In- und Auslandes zu beziehen. Preis für das Vierteljahr 9 Mark. Wir bitten, die Bestellung schleunig zu erneuern. Leipzig, im März 189S Die Verlagshandlung Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/666>, abgerufen am 28.04.2024.