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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Gin Wort an unsre Marineverwaltnng

richtsverfassungsgesetzes bietet ja eine äußere Handhabe, auch auf diesem Ge¬
biete die Grenze der Strafrechtspflege gegenüber der Unverletzlichkeit der Ab¬
geordneten zu regeln.




Gin lvort an unsre Marineverwaltung

Wser neue Marineetat enthält, wie es sich bei der Lage der Dinge
von selbst versteht, auch Forderungen für Kreuzerueubauten.
Wird sie der Reichstag auch diesmal wieder ablehnen? Die Er¬
fahrungen der letzten Jahre sind ja wenig ermutigend, aber die
Unzulänglichkeit unsrer Marine ist in jüngster Zeit bei ver-
schiednen Gelegenheiten so klar zu Tage getreten, daß der einsichtige Teil der
Presse fast aller Parteien die Notwendigkeit erkannt hat, hier Wandel zu schaffen.
Admiral Hollmnun kann also wohl einige Hoffnung hegen, diesmal seine Kreuzer
bewilligt zu bekommen.

Was wird nun die Folge davon sein? Der Reichstag wird glauben, eine
große That vollbracht und deu Bedürfnissen der Marine im weitesten Maße
Rechnung getragen zu haben, und wird sehr erstaunt, ja vielleicht entrüstet
sein, wenn die Marineverwaltnng im nächsten Jahre mit neuen Forderungen
kommt. Denn darüber herrscht nnter Sachverständigen kein Zweifel, daß die
Bewilligung der jetzt geforderten Kreuzer nur eine Abschlagszahlung sein kann,
daß mit diesen Neubauten dem Kreuzermaugel in unsrer Flotte noch lauge
nicht abgeholfen ist. Nach dem letzten Flottenerweiteruugsplane sollten im
Jahre 1895 zehn geschützte Kreuzer vorhanden sein, wir haben aber nur vier!
Dabei haben die fremden Mariner in den letzten Jahren ihre Kreuzcrflotten
in weit großartigeren Maße vermehrt, als man damals, zur Zeit des Ent¬
wurfs jenes Plans, berechnet hatte. Es handelt sich also bei den jetzt und
zweifellos auch in den nächsten Jahren bevorstehenden Marinefvrderungen nicht
um eine organische Weiterentwicklung unsrer Flotte, sondern darum, die schweren
Versäumnisse früherer Jahre möglichst schnell wieder gut zu machen, ehe uus
die Folgen in verhängnisvoller Weise fühlbar iverdeu. Und sie sind schon
fühlbar! Während wir im gegenwärtigen Augenblicke in Ostasien und Samoa,
in der Delagvabai, an den Küsten von Peru und Marokko durch achtung¬
gebietende Kriegsschiffe vertreten sein müßten, ist es nur möglich gewesen, für
Ostasien einen geschützten Kreuzer verfügbar zu machen.^) Hinter den Mariner



Dieser Kreuzer, die "Irene," hat auf seiner Reise nach Ostasien noch kostbare Wochen
um der Küste von Marokko vertrödeln müssen, um von der mcirokkanijchen Regierung sür die
Gin Wort an unsre Marineverwaltnng

richtsverfassungsgesetzes bietet ja eine äußere Handhabe, auch auf diesem Ge¬
biete die Grenze der Strafrechtspflege gegenüber der Unverletzlichkeit der Ab¬
geordneten zu regeln.




Gin lvort an unsre Marineverwaltung

Wser neue Marineetat enthält, wie es sich bei der Lage der Dinge
von selbst versteht, auch Forderungen für Kreuzerueubauten.
Wird sie der Reichstag auch diesmal wieder ablehnen? Die Er¬
fahrungen der letzten Jahre sind ja wenig ermutigend, aber die
Unzulänglichkeit unsrer Marine ist in jüngster Zeit bei ver-
schiednen Gelegenheiten so klar zu Tage getreten, daß der einsichtige Teil der
Presse fast aller Parteien die Notwendigkeit erkannt hat, hier Wandel zu schaffen.
Admiral Hollmnun kann also wohl einige Hoffnung hegen, diesmal seine Kreuzer
bewilligt zu bekommen.

Was wird nun die Folge davon sein? Der Reichstag wird glauben, eine
große That vollbracht und deu Bedürfnissen der Marine im weitesten Maße
Rechnung getragen zu haben, und wird sehr erstaunt, ja vielleicht entrüstet
sein, wenn die Marineverwaltnng im nächsten Jahre mit neuen Forderungen
kommt. Denn darüber herrscht nnter Sachverständigen kein Zweifel, daß die
Bewilligung der jetzt geforderten Kreuzer nur eine Abschlagszahlung sein kann,
daß mit diesen Neubauten dem Kreuzermaugel in unsrer Flotte noch lauge
nicht abgeholfen ist. Nach dem letzten Flottenerweiteruugsplane sollten im
Jahre 1895 zehn geschützte Kreuzer vorhanden sein, wir haben aber nur vier!
Dabei haben die fremden Mariner in den letzten Jahren ihre Kreuzcrflotten
in weit großartigeren Maße vermehrt, als man damals, zur Zeit des Ent¬
wurfs jenes Plans, berechnet hatte. Es handelt sich also bei den jetzt und
zweifellos auch in den nächsten Jahren bevorstehenden Marinefvrderungen nicht
um eine organische Weiterentwicklung unsrer Flotte, sondern darum, die schweren
Versäumnisse früherer Jahre möglichst schnell wieder gut zu machen, ehe uus
die Folgen in verhängnisvoller Weise fühlbar iverdeu. Und sie sind schon
fühlbar! Während wir im gegenwärtigen Augenblicke in Ostasien und Samoa,
in der Delagvabai, an den Küsten von Peru und Marokko durch achtung¬
gebietende Kriegsschiffe vertreten sein müßten, ist es nur möglich gewesen, für
Ostasien einen geschützten Kreuzer verfügbar zu machen.^) Hinter den Mariner



Dieser Kreuzer, die „Irene," hat auf seiner Reise nach Ostasien noch kostbare Wochen
um der Küste von Marokko vertrödeln müssen, um von der mcirokkanijchen Regierung sür die
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[0075] Gin Wort an unsre Marineverwaltnng richtsverfassungsgesetzes bietet ja eine äußere Handhabe, auch auf diesem Ge¬ biete die Grenze der Strafrechtspflege gegenüber der Unverletzlichkeit der Ab¬ geordneten zu regeln. Gin lvort an unsre Marineverwaltung Wser neue Marineetat enthält, wie es sich bei der Lage der Dinge von selbst versteht, auch Forderungen für Kreuzerueubauten. Wird sie der Reichstag auch diesmal wieder ablehnen? Die Er¬ fahrungen der letzten Jahre sind ja wenig ermutigend, aber die Unzulänglichkeit unsrer Marine ist in jüngster Zeit bei ver- schiednen Gelegenheiten so klar zu Tage getreten, daß der einsichtige Teil der Presse fast aller Parteien die Notwendigkeit erkannt hat, hier Wandel zu schaffen. Admiral Hollmnun kann also wohl einige Hoffnung hegen, diesmal seine Kreuzer bewilligt zu bekommen. Was wird nun die Folge davon sein? Der Reichstag wird glauben, eine große That vollbracht und deu Bedürfnissen der Marine im weitesten Maße Rechnung getragen zu haben, und wird sehr erstaunt, ja vielleicht entrüstet sein, wenn die Marineverwaltnng im nächsten Jahre mit neuen Forderungen kommt. Denn darüber herrscht nnter Sachverständigen kein Zweifel, daß die Bewilligung der jetzt geforderten Kreuzer nur eine Abschlagszahlung sein kann, daß mit diesen Neubauten dem Kreuzermaugel in unsrer Flotte noch lauge nicht abgeholfen ist. Nach dem letzten Flottenerweiteruugsplane sollten im Jahre 1895 zehn geschützte Kreuzer vorhanden sein, wir haben aber nur vier! Dabei haben die fremden Mariner in den letzten Jahren ihre Kreuzcrflotten in weit großartigeren Maße vermehrt, als man damals, zur Zeit des Ent¬ wurfs jenes Plans, berechnet hatte. Es handelt sich also bei den jetzt und zweifellos auch in den nächsten Jahren bevorstehenden Marinefvrderungen nicht um eine organische Weiterentwicklung unsrer Flotte, sondern darum, die schweren Versäumnisse früherer Jahre möglichst schnell wieder gut zu machen, ehe uus die Folgen in verhängnisvoller Weise fühlbar iverdeu. Und sie sind schon fühlbar! Während wir im gegenwärtigen Augenblicke in Ostasien und Samoa, in der Delagvabai, an den Küsten von Peru und Marokko durch achtung¬ gebietende Kriegsschiffe vertreten sein müßten, ist es nur möglich gewesen, für Ostasien einen geschützten Kreuzer verfügbar zu machen.^) Hinter den Mariner Dieser Kreuzer, die „Irene," hat auf seiner Reise nach Ostasien noch kostbare Wochen um der Küste von Marokko vertrödeln müssen, um von der mcirokkanijchen Regierung sür die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/75>, abgerufen am 27.04.2024.