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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

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Susi

prinzipiell mit ihm auf gleichem Boden stehen und auch den Mut haben, das
offen zu bekennen -- und dazu gehört heute für den Musiker wirklich einiger
Mut --, müssen ihm danken für die Festigkeit, mit der er auf seinem harten,
der Verleumdung und der Schmähung ausgesetzten Posten ausgehalten hat,
und müssen wünschen, daß er ihnen als rüstiger Vorkämpfer noch lange er¬
halten bleibe.




^>usi

le Engelhvrnsche Allgemeine Romanbibliothek, die jetzt ihren
elften Jahrgang angetreten hat, bringt von Zeit zu Zeit ueben
den im ganzen überwiegenden Übersetzungen der "besten Romane
aller Völker" auch ein deutsches Originalwerk. Im elften Jahr¬
gange, der unter cmoerm Paul Bourgets "Kosmopolis," Ed-
mondo de Amieis "Schultragödie," Maurus Ji'etais "Gelbe Rose" und
Fran^vis Coppös Novellen "Die wahren Reichen" darbietet, erscheint nun auch
Friedrich Spielhagens neuester Roman "Susi,"*) der in Beziehung auf Frische,
sorgfältige und sichere Einzelausführung, überzeugende und fesselnde Erfindung
sehr vieles, ja das meiste, was Spielhageu in den letzten Jahren geschrieben
hat, weit übertrifft. Der verdüsterten Stimmung unsrer Tage zahlt diese Hof¬
geschichte allerdings auch ihren Tribut, ihr Schluß ist so trostlos und bitter
als möglich, der fesselndste und anständigste Charakter des Buches stirbt eines
tragischen Todes, der für ihn freilich eine Erlösung ist, und die niedrigsten
und verächtlichsten beiden Naturen reichen sich über seiner Leiche verständnis¬
innig die Hände zum Bunde. Sie, die verwitwete Baronin Susi von Vachta,
und der weggejagte Kammerherr und Hoftheaterchef Odo von Brenken, können
der Welt trotzen, sie werden zwar im Augenblick von den höchsten Herrschaften,
Brenken sogar von einem einfachen Bahnhofsinspektor "geschnitten." Aber er
sagt sich mit gutem Recht: "Man darf es eben nicht tragisch nehmen. Die
Welt ist rund. Und hat ein Gedächtnis wie ein Sieb. Mit einer Sust
und ihrer Million -- das müßte doch wunderlich zugehen, wenn man in zwei
Jahren oder so nicht wieder obenauf wäre."

ZZxswM Lupe oäioss.! Jeder Leser, der auch nur einen flüchtigen Blick
in die Welt des materiellen Glücks und des Scheins gethan hat, kaun die



*) Susi. Eine Hofgeschichte von Friedrich Spielhageu. Stuttgart, I. Engel¬
horn, 1895.
Susi

prinzipiell mit ihm auf gleichem Boden stehen und auch den Mut haben, das
offen zu bekennen — und dazu gehört heute für den Musiker wirklich einiger
Mut —, müssen ihm danken für die Festigkeit, mit der er auf seinem harten,
der Verleumdung und der Schmähung ausgesetzten Posten ausgehalten hat,
und müssen wünschen, daß er ihnen als rüstiger Vorkämpfer noch lange er¬
halten bleibe.




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le Engelhvrnsche Allgemeine Romanbibliothek, die jetzt ihren
elften Jahrgang angetreten hat, bringt von Zeit zu Zeit ueben
den im ganzen überwiegenden Übersetzungen der „besten Romane
aller Völker" auch ein deutsches Originalwerk. Im elften Jahr¬
gange, der unter cmoerm Paul Bourgets „Kosmopolis," Ed-
mondo de Amieis „Schultragödie," Maurus Ji'etais „Gelbe Rose" und
Fran^vis Coppös Novellen „Die wahren Reichen" darbietet, erscheint nun auch
Friedrich Spielhagens neuester Roman „Susi,"*) der in Beziehung auf Frische,
sorgfältige und sichere Einzelausführung, überzeugende und fesselnde Erfindung
sehr vieles, ja das meiste, was Spielhageu in den letzten Jahren geschrieben
hat, weit übertrifft. Der verdüsterten Stimmung unsrer Tage zahlt diese Hof¬
geschichte allerdings auch ihren Tribut, ihr Schluß ist so trostlos und bitter
als möglich, der fesselndste und anständigste Charakter des Buches stirbt eines
tragischen Todes, der für ihn freilich eine Erlösung ist, und die niedrigsten
und verächtlichsten beiden Naturen reichen sich über seiner Leiche verständnis¬
innig die Hände zum Bunde. Sie, die verwitwete Baronin Susi von Vachta,
und der weggejagte Kammerherr und Hoftheaterchef Odo von Brenken, können
der Welt trotzen, sie werden zwar im Augenblick von den höchsten Herrschaften,
Brenken sogar von einem einfachen Bahnhofsinspektor „geschnitten." Aber er
sagt sich mit gutem Recht: „Man darf es eben nicht tragisch nehmen. Die
Welt ist rund. Und hat ein Gedächtnis wie ein Sieb. Mit einer Sust
und ihrer Million — das müßte doch wunderlich zugehen, wenn man in zwei
Jahren oder so nicht wieder obenauf wäre."

ZZxswM Lupe oäioss.! Jeder Leser, der auch nur einen flüchtigen Blick
in die Welt des materiellen Glücks und des Scheins gethan hat, kaun die



*) Susi. Eine Hofgeschichte von Friedrich Spielhageu. Stuttgart, I. Engel¬
horn, 1895.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/380>, abgerufen am 03.05.2024.