Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Italienische Lindrücke

Verständigen und in der Verbesserung der Untersuchungsgelegenheit? Man
errichtet Krankenhäuser eigens zu diesem Zwecke und schafft sich in ihren
Ärzten die geeigneten Sachverständigen. Sollte man anders zu verfahren
haben, wo es gilt, den Geisteszustand zu prüfen? Ich kann auch hier eine
erhöhte Sicherheit nur hoffen von der Pflege wissenschaftlicher Jrrenheilkuude
an den Universitätskliniken und an den Irrenanstalten, von der Ausbildung
der Ärzte im allgemeinen und der Kreisphysiker im besondern, und von der
Benutzung der öffentlichen Anstalten als Beobachtungshäuser in allen zweifel¬
haften Fällen.

Hiermit haben wir die eine Seite der Jrrenfrage erledigt. Wenn wir
in einem zweiten Aufsätze die rechtlichen Folge" betrachten und die bestehenden
Rechtsverhältnisse im einzelnen auf ihre Verbesferungsfähigkeit hin prüfen
werden, dann werden wir dabei vor allem an dem Hauptergebnis der vor¬
liegenden Untersuchung festzuhalten haben.




Italienische Eindrücke
(Fortsetzung)

le Polizei ist in ganz Italien sehr zahlreich und ^wohlorga-
nisirt. An der Spitze stehen die königlichen Carabinieri in
der Tracht des Bonapartischen Zeitalters im schwarzen Frack
mit rotem Vorstoß und mit dem quergesetzten Zweispitz, durch¬
weg stattliche, hochgewachsene Leute, besonders hübsch zu Pferde.
Sie versehen den Dienst namentlich auf dem Lande und in kleinern Orten und
treten immer zu zweien auf. In den größern Städten steht daneben die
(?rmrclm "zivile im schwarzen Waffenrock mit blauem Vorstoß und Käppi; die
Stadt Rom hält sich außerdem noch eine städtische Polizei. Einschreiten sieht
man sie selten, denn der Grundsatz, dem Volksleben ein hohes Maß von Be¬
wegungsfreiheit zu lassen, durchdringt alles; aber sie sind überall am Platze
und zugleich zu höflicher, bestimmter, zuverlässiger Auskunft stets bereit.

Dieselbe Liberalität zeigt die Kirche. Der Fremde müßte ihr schon des¬
halb dankbar sein, weil sie, in der Regel nur wenige Mittagsstunden aus¬
genommen, die Gotteshäuser, die ja so häufig Kunstwerke sind und solche in
oft überwältigender Fülle bergen, von früh bis abends offen hält. Selbst
während des Gottesdienstes wird ihn niemand hindern, die Kirche zu betrachten,
falls er nur nicht die selbstverständliche Grenze der Rücksicht überschreitet, und


Italienische Lindrücke

Verständigen und in der Verbesserung der Untersuchungsgelegenheit? Man
errichtet Krankenhäuser eigens zu diesem Zwecke und schafft sich in ihren
Ärzten die geeigneten Sachverständigen. Sollte man anders zu verfahren
haben, wo es gilt, den Geisteszustand zu prüfen? Ich kann auch hier eine
erhöhte Sicherheit nur hoffen von der Pflege wissenschaftlicher Jrrenheilkuude
an den Universitätskliniken und an den Irrenanstalten, von der Ausbildung
der Ärzte im allgemeinen und der Kreisphysiker im besondern, und von der
Benutzung der öffentlichen Anstalten als Beobachtungshäuser in allen zweifel¬
haften Fällen.

Hiermit haben wir die eine Seite der Jrrenfrage erledigt. Wenn wir
in einem zweiten Aufsätze die rechtlichen Folge» betrachten und die bestehenden
Rechtsverhältnisse im einzelnen auf ihre Verbesferungsfähigkeit hin prüfen
werden, dann werden wir dabei vor allem an dem Hauptergebnis der vor¬
liegenden Untersuchung festzuhalten haben.




Italienische Eindrücke
(Fortsetzung)

le Polizei ist in ganz Italien sehr zahlreich und ^wohlorga-
nisirt. An der Spitze stehen die königlichen Carabinieri in
der Tracht des Bonapartischen Zeitalters im schwarzen Frack
mit rotem Vorstoß und mit dem quergesetzten Zweispitz, durch¬
weg stattliche, hochgewachsene Leute, besonders hübsch zu Pferde.
Sie versehen den Dienst namentlich auf dem Lande und in kleinern Orten und
treten immer zu zweien auf. In den größern Städten steht daneben die
(?rmrclm «zivile im schwarzen Waffenrock mit blauem Vorstoß und Käppi; die
Stadt Rom hält sich außerdem noch eine städtische Polizei. Einschreiten sieht
man sie selten, denn der Grundsatz, dem Volksleben ein hohes Maß von Be¬
wegungsfreiheit zu lassen, durchdringt alles; aber sie sind überall am Platze
und zugleich zu höflicher, bestimmter, zuverlässiger Auskunft stets bereit.

Dieselbe Liberalität zeigt die Kirche. Der Fremde müßte ihr schon des¬
halb dankbar sein, weil sie, in der Regel nur wenige Mittagsstunden aus¬
genommen, die Gotteshäuser, die ja so häufig Kunstwerke sind und solche in
oft überwältigender Fülle bergen, von früh bis abends offen hält. Selbst
während des Gottesdienstes wird ihn niemand hindern, die Kirche zu betrachten,
falls er nur nicht die selbstverständliche Grenze der Rücksicht überschreitet, und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0567" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220243"/>
          <fw type="header" place="top"> Italienische Lindrücke</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2226" prev="#ID_2225"> Verständigen und in der Verbesserung der Untersuchungsgelegenheit? Man<lb/>
errichtet Krankenhäuser eigens zu diesem Zwecke und schafft sich in ihren<lb/>
Ärzten die geeigneten Sachverständigen. Sollte man anders zu verfahren<lb/>
haben, wo es gilt, den Geisteszustand zu prüfen? Ich kann auch hier eine<lb/>
erhöhte Sicherheit nur hoffen von der Pflege wissenschaftlicher Jrrenheilkuude<lb/>
an den Universitätskliniken und an den Irrenanstalten, von der Ausbildung<lb/>
der Ärzte im allgemeinen und der Kreisphysiker im besondern, und von der<lb/>
Benutzung der öffentlichen Anstalten als Beobachtungshäuser in allen zweifel¬<lb/>
haften Fällen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2227"> Hiermit haben wir die eine Seite der Jrrenfrage erledigt. Wenn wir<lb/>
in einem zweiten Aufsätze die rechtlichen Folge» betrachten und die bestehenden<lb/>
Rechtsverhältnisse im einzelnen auf ihre Verbesferungsfähigkeit hin prüfen<lb/>
werden, dann werden wir dabei vor allem an dem Hauptergebnis der vor¬<lb/>
liegenden Untersuchung festzuhalten haben.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Italienische Eindrücke<lb/>
(Fortsetzung) </head><lb/>
          <p xml:id="ID_2228"> le Polizei ist in ganz Italien sehr zahlreich und ^wohlorga-<lb/>
nisirt. An der Spitze stehen die königlichen Carabinieri in<lb/>
der Tracht des Bonapartischen Zeitalters im schwarzen Frack<lb/>
mit rotem Vorstoß und mit dem quergesetzten Zweispitz, durch¬<lb/>
weg stattliche, hochgewachsene Leute, besonders hübsch zu Pferde.<lb/>
Sie versehen den Dienst namentlich auf dem Lande und in kleinern Orten und<lb/>
treten immer zu zweien auf. In den größern Städten steht daneben die<lb/>
(?rmrclm «zivile im schwarzen Waffenrock mit blauem Vorstoß und Käppi; die<lb/>
Stadt Rom hält sich außerdem noch eine städtische Polizei. Einschreiten sieht<lb/>
man sie selten, denn der Grundsatz, dem Volksleben ein hohes Maß von Be¬<lb/>
wegungsfreiheit zu lassen, durchdringt alles; aber sie sind überall am Platze<lb/>
und zugleich zu höflicher, bestimmter, zuverlässiger Auskunft stets bereit.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2229" next="#ID_2230"> Dieselbe Liberalität zeigt die Kirche. Der Fremde müßte ihr schon des¬<lb/>
halb dankbar sein, weil sie, in der Regel nur wenige Mittagsstunden aus¬<lb/>
genommen, die Gotteshäuser, die ja so häufig Kunstwerke sind und solche in<lb/>
oft überwältigender Fülle bergen, von früh bis abends offen hält. Selbst<lb/>
während des Gottesdienstes wird ihn niemand hindern, die Kirche zu betrachten,<lb/>
falls er nur nicht die selbstverständliche Grenze der Rücksicht überschreitet, und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0567] Italienische Lindrücke Verständigen und in der Verbesserung der Untersuchungsgelegenheit? Man errichtet Krankenhäuser eigens zu diesem Zwecke und schafft sich in ihren Ärzten die geeigneten Sachverständigen. Sollte man anders zu verfahren haben, wo es gilt, den Geisteszustand zu prüfen? Ich kann auch hier eine erhöhte Sicherheit nur hoffen von der Pflege wissenschaftlicher Jrrenheilkuude an den Universitätskliniken und an den Irrenanstalten, von der Ausbildung der Ärzte im allgemeinen und der Kreisphysiker im besondern, und von der Benutzung der öffentlichen Anstalten als Beobachtungshäuser in allen zweifel¬ haften Fällen. Hiermit haben wir die eine Seite der Jrrenfrage erledigt. Wenn wir in einem zweiten Aufsätze die rechtlichen Folge» betrachten und die bestehenden Rechtsverhältnisse im einzelnen auf ihre Verbesferungsfähigkeit hin prüfen werden, dann werden wir dabei vor allem an dem Hauptergebnis der vor¬ liegenden Untersuchung festzuhalten haben. Italienische Eindrücke (Fortsetzung) le Polizei ist in ganz Italien sehr zahlreich und ^wohlorga- nisirt. An der Spitze stehen die königlichen Carabinieri in der Tracht des Bonapartischen Zeitalters im schwarzen Frack mit rotem Vorstoß und mit dem quergesetzten Zweispitz, durch¬ weg stattliche, hochgewachsene Leute, besonders hübsch zu Pferde. Sie versehen den Dienst namentlich auf dem Lande und in kleinern Orten und treten immer zu zweien auf. In den größern Städten steht daneben die (?rmrclm «zivile im schwarzen Waffenrock mit blauem Vorstoß und Käppi; die Stadt Rom hält sich außerdem noch eine städtische Polizei. Einschreiten sieht man sie selten, denn der Grundsatz, dem Volksleben ein hohes Maß von Be¬ wegungsfreiheit zu lassen, durchdringt alles; aber sie sind überall am Platze und zugleich zu höflicher, bestimmter, zuverlässiger Auskunft stets bereit. Dieselbe Liberalität zeigt die Kirche. Der Fremde müßte ihr schon des¬ halb dankbar sein, weil sie, in der Regel nur wenige Mittagsstunden aus¬ genommen, die Gotteshäuser, die ja so häufig Kunstwerke sind und solche in oft überwältigender Fülle bergen, von früh bis abends offen hält. Selbst während des Gottesdienstes wird ihn niemand hindern, die Kirche zu betrachten, falls er nur nicht die selbstverständliche Grenze der Rücksicht überschreitet, und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/567
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219675/567>, abgerufen am 03.05.2024.