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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Eiserne Brücken

tragen, ungeeignete Leute fernzuhalten, nicht sorgfältig genug arbeitende Mit¬
glieder anzuspornen, und so kann sich das, was anfangs als eine Harte er¬
schien, schließlich als eine große Erleichterung für den Vorstand der Genossen¬
schaft erweisen. Es ist gar nicht unmöglich, daß in einem Zusammengehen
von Konsumvereinen und Handwerkergenossenschaften ein großer Segen für die
Handwerker liegen würde. Möchten doch beide dieses Ziel einmal sest ins
Auge fassen-




Eiserne Brücken

in Präsident der Vereinigten Staaten von Nordamerika -- wenn
ich nicht irre, war es Great -- hat nach den ersten Zusammen¬
brüchen eiserner Brücken geäußert, daß er die Opfer solcher Un¬
glücksfälle zwar bedaure, daß aber dem Bau eiserner Brücken,
trotz des trügerischen Materials, bei der schnellen Zunahme der
Bevölkerung und bei dem damit Schritt haltenden Verkehr keine Schranken
gesetzt werden dürften noch könnten. Diese Worte gelten auch für unsre Ver¬
hältnisse.

Das Eisen, der "Träger der modernen Kultur," hat neben seinen vor¬
züglichen Eigenschaften leider auch recht schlechte, durch die der Vergleich "fest
wie Eisen" hinfällig wird, und was das schlimmste dabei ist, durch die selbst
der Fachmann getäuscht werden kann. Daher konnte über die Entstehungs¬
ursache der Einstürze eiserner Brücken bisher fast in keinem Falle ein be¬
stimmtes Urteil gewonnen werden; man mußte sich mit Mutmaßungen be¬
gnügen , die freilich zur Beruhigung des Publikums nur wenig beitragen
können.

Als Ursache des Unglücksfalles bei Mönchenstein in der Schweiz am
14. Juni 1891, bei dem 73 Menschen das Leben einbüßten, wurde von der
Untersuchungskommission die Verwendung schlechten Materials und fehlerhafte
Konstruktion angenommen. Andre Sachverständige stellten beides in Abrede
und suchten die Ursache in der übermüßigen Belastung der Brücke durch das
in den letzten Jahren vermehrte Gewicht der Lokomotiven, von dem der Er¬
bauer der Brücke, der "bekannte" Eisfel, im Jahre 1875 noch nichts wissen
konnte. Von andrer Seite machte man dem Erbauer den Vorwurf, daß er
die Brücke bei der Prüfung auf ihre Tragfähigkeit noch nicht einmal mit dem
doppelten Gewicht einer damaligen Lokomotive mit Tender belastet habe, was


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tragen, ungeeignete Leute fernzuhalten, nicht sorgfältig genug arbeitende Mit¬
glieder anzuspornen, und so kann sich das, was anfangs als eine Harte er¬
schien, schließlich als eine große Erleichterung für den Vorstand der Genossen¬
schaft erweisen. Es ist gar nicht unmöglich, daß in einem Zusammengehen
von Konsumvereinen und Handwerkergenossenschaften ein großer Segen für die
Handwerker liegen würde. Möchten doch beide dieses Ziel einmal sest ins
Auge fassen-




Eiserne Brücken

in Präsident der Vereinigten Staaten von Nordamerika — wenn
ich nicht irre, war es Great — hat nach den ersten Zusammen¬
brüchen eiserner Brücken geäußert, daß er die Opfer solcher Un¬
glücksfälle zwar bedaure, daß aber dem Bau eiserner Brücken,
trotz des trügerischen Materials, bei der schnellen Zunahme der
Bevölkerung und bei dem damit Schritt haltenden Verkehr keine Schranken
gesetzt werden dürften noch könnten. Diese Worte gelten auch für unsre Ver¬
hältnisse.

Das Eisen, der „Träger der modernen Kultur," hat neben seinen vor¬
züglichen Eigenschaften leider auch recht schlechte, durch die der Vergleich „fest
wie Eisen" hinfällig wird, und was das schlimmste dabei ist, durch die selbst
der Fachmann getäuscht werden kann. Daher konnte über die Entstehungs¬
ursache der Einstürze eiserner Brücken bisher fast in keinem Falle ein be¬
stimmtes Urteil gewonnen werden; man mußte sich mit Mutmaßungen be¬
gnügen , die freilich zur Beruhigung des Publikums nur wenig beitragen
können.

Als Ursache des Unglücksfalles bei Mönchenstein in der Schweiz am
14. Juni 1891, bei dem 73 Menschen das Leben einbüßten, wurde von der
Untersuchungskommission die Verwendung schlechten Materials und fehlerhafte
Konstruktion angenommen. Andre Sachverständige stellten beides in Abrede
und suchten die Ursache in der übermüßigen Belastung der Brücke durch das
in den letzten Jahren vermehrte Gewicht der Lokomotiven, von dem der Er¬
bauer der Brücke, der „bekannte" Eisfel, im Jahre 1875 noch nichts wissen
konnte. Von andrer Seite machte man dem Erbauer den Vorwurf, daß er
die Brücke bei der Prüfung auf ihre Tragfähigkeit noch nicht einmal mit dem
doppelten Gewicht einer damaligen Lokomotive mit Tender belastet habe, was


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[0118] Eiserne Brücken tragen, ungeeignete Leute fernzuhalten, nicht sorgfältig genug arbeitende Mit¬ glieder anzuspornen, und so kann sich das, was anfangs als eine Harte er¬ schien, schließlich als eine große Erleichterung für den Vorstand der Genossen¬ schaft erweisen. Es ist gar nicht unmöglich, daß in einem Zusammengehen von Konsumvereinen und Handwerkergenossenschaften ein großer Segen für die Handwerker liegen würde. Möchten doch beide dieses Ziel einmal sest ins Auge fassen- Eiserne Brücken in Präsident der Vereinigten Staaten von Nordamerika — wenn ich nicht irre, war es Great — hat nach den ersten Zusammen¬ brüchen eiserner Brücken geäußert, daß er die Opfer solcher Un¬ glücksfälle zwar bedaure, daß aber dem Bau eiserner Brücken, trotz des trügerischen Materials, bei der schnellen Zunahme der Bevölkerung und bei dem damit Schritt haltenden Verkehr keine Schranken gesetzt werden dürften noch könnten. Diese Worte gelten auch für unsre Ver¬ hältnisse. Das Eisen, der „Träger der modernen Kultur," hat neben seinen vor¬ züglichen Eigenschaften leider auch recht schlechte, durch die der Vergleich „fest wie Eisen" hinfällig wird, und was das schlimmste dabei ist, durch die selbst der Fachmann getäuscht werden kann. Daher konnte über die Entstehungs¬ ursache der Einstürze eiserner Brücken bisher fast in keinem Falle ein be¬ stimmtes Urteil gewonnen werden; man mußte sich mit Mutmaßungen be¬ gnügen , die freilich zur Beruhigung des Publikums nur wenig beitragen können. Als Ursache des Unglücksfalles bei Mönchenstein in der Schweiz am 14. Juni 1891, bei dem 73 Menschen das Leben einbüßten, wurde von der Untersuchungskommission die Verwendung schlechten Materials und fehlerhafte Konstruktion angenommen. Andre Sachverständige stellten beides in Abrede und suchten die Ursache in der übermüßigen Belastung der Brücke durch das in den letzten Jahren vermehrte Gewicht der Lokomotiven, von dem der Er¬ bauer der Brücke, der „bekannte" Eisfel, im Jahre 1875 noch nichts wissen konnte. Von andrer Seite machte man dem Erbauer den Vorwurf, daß er die Brücke bei der Prüfung auf ihre Tragfähigkeit noch nicht einmal mit dem doppelten Gewicht einer damaligen Lokomotive mit Tender belastet habe, was

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/118>, abgerufen am 27.04.2024.