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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Der erste Beste

Sachen, die in Deutschland gemacht werden. Dagegen bin ich wieder in
Helles Entzücken geraten über die wundervollen Bronzemedaillen, die uns von
kompetentester Seite, nämlich von Lichtwack, hier -- leider in viel zu geringer
Zahl -- nähergebracht, auch in einem vortrefflichen Aufsatz charakterisirt und
historisch gewürdigt werden. Und auch die "beste Geschichte der Welt" von
Nudyard Kipling hat mich wegen ihrer mustergiltigen Verbindung von Phan-
tastik und Realismus im höchsten Grade gefesselt.

Aber das sind eben leider Ausnahmen, die der Masse gegenüber ver¬
schwinden. Wenn man von ihnen absieht und die fremden Beiträge als Ganzes
überblickt, so muß man wirklich sagen: as vruit, xour uns oirislöttg!
Sollte man wirklich die Absicht haben, uns auch in Zukunft im "Pein" vor¬
wiegend die Erzeugnisse einer bestimmten Clique der ausländischen Kunst vor¬
zuführen, die in ihrer Heimat selbst von allen Verständigen verlacht wird,
sollten wir auch in Zukunft vorzugsweise Nachbildungen solcher Werke zu scheu
bekommen, die ihrer albernen oder lächerlichen Natur wegen in fremden Zeit¬
schriften kein Unterkommen finden können, so müßten wir sagen: dazu ist eine
deutsche Zeitschrift dieser Art denn doch zu gut. Das Geld der Mitglieder
der Genossenschaft ist nicht dazu ausgegeben, daß uns monumentaler Unsinn
als wahre Kunst aufgezwungen wird und unser Publikum dadurch einen ganz
verkehrten Eindruck von der modernen Kunst erhält. Das ist nicht der richtige
Weg, der modernen Kunst Anhänger zu werben.

(Schluß folgt)




Der erste Beste
Erzählung von Gelo Verdeck (Fortsetzung)

in paar Augenblicke lang war es still im Zimmer. Jeder fühlte
mehr oder weniger die Bosheit in dem kleinen Ausfall. Ver¬
wunderte Blicke fragten hin und her: Was soll das?

Da stand Fritz schon auf. Seine heitern Augen beruhigten
Margarete, die von allen am meisten erschrocken war. Langsam
füllte er sein Glas bis zum Rande.

Es ist zwar komisch, begann er wahrend dessen, mehr vor sich hin, als
zur Gesellschaft, aber es ist wahr: das ist mein erster Trinkspruch. Ich bin
neugierig, wie er ausfallen wird. In allerlei Dingen hab ich mich schon ver-


Der erste Beste

Sachen, die in Deutschland gemacht werden. Dagegen bin ich wieder in
Helles Entzücken geraten über die wundervollen Bronzemedaillen, die uns von
kompetentester Seite, nämlich von Lichtwack, hier — leider in viel zu geringer
Zahl — nähergebracht, auch in einem vortrefflichen Aufsatz charakterisirt und
historisch gewürdigt werden. Und auch die „beste Geschichte der Welt" von
Nudyard Kipling hat mich wegen ihrer mustergiltigen Verbindung von Phan-
tastik und Realismus im höchsten Grade gefesselt.

Aber das sind eben leider Ausnahmen, die der Masse gegenüber ver¬
schwinden. Wenn man von ihnen absieht und die fremden Beiträge als Ganzes
überblickt, so muß man wirklich sagen: as vruit, xour uns oirislöttg!
Sollte man wirklich die Absicht haben, uns auch in Zukunft im „Pein" vor¬
wiegend die Erzeugnisse einer bestimmten Clique der ausländischen Kunst vor¬
zuführen, die in ihrer Heimat selbst von allen Verständigen verlacht wird,
sollten wir auch in Zukunft vorzugsweise Nachbildungen solcher Werke zu scheu
bekommen, die ihrer albernen oder lächerlichen Natur wegen in fremden Zeit¬
schriften kein Unterkommen finden können, so müßten wir sagen: dazu ist eine
deutsche Zeitschrift dieser Art denn doch zu gut. Das Geld der Mitglieder
der Genossenschaft ist nicht dazu ausgegeben, daß uns monumentaler Unsinn
als wahre Kunst aufgezwungen wird und unser Publikum dadurch einen ganz
verkehrten Eindruck von der modernen Kunst erhält. Das ist nicht der richtige
Weg, der modernen Kunst Anhänger zu werben.

(Schluß folgt)




Der erste Beste
Erzählung von Gelo Verdeck (Fortsetzung)

in paar Augenblicke lang war es still im Zimmer. Jeder fühlte
mehr oder weniger die Bosheit in dem kleinen Ausfall. Ver¬
wunderte Blicke fragten hin und her: Was soll das?

Da stand Fritz schon auf. Seine heitern Augen beruhigten
Margarete, die von allen am meisten erschrocken war. Langsam
füllte er sein Glas bis zum Rande.

Es ist zwar komisch, begann er wahrend dessen, mehr vor sich hin, als
zur Gesellschaft, aber es ist wahr: das ist mein erster Trinkspruch. Ich bin
neugierig, wie er ausfallen wird. In allerlei Dingen hab ich mich schon ver-


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[0196] Der erste Beste Sachen, die in Deutschland gemacht werden. Dagegen bin ich wieder in Helles Entzücken geraten über die wundervollen Bronzemedaillen, die uns von kompetentester Seite, nämlich von Lichtwack, hier — leider in viel zu geringer Zahl — nähergebracht, auch in einem vortrefflichen Aufsatz charakterisirt und historisch gewürdigt werden. Und auch die „beste Geschichte der Welt" von Nudyard Kipling hat mich wegen ihrer mustergiltigen Verbindung von Phan- tastik und Realismus im höchsten Grade gefesselt. Aber das sind eben leider Ausnahmen, die der Masse gegenüber ver¬ schwinden. Wenn man von ihnen absieht und die fremden Beiträge als Ganzes überblickt, so muß man wirklich sagen: as vruit, xour uns oirislöttg! Sollte man wirklich die Absicht haben, uns auch in Zukunft im „Pein" vor¬ wiegend die Erzeugnisse einer bestimmten Clique der ausländischen Kunst vor¬ zuführen, die in ihrer Heimat selbst von allen Verständigen verlacht wird, sollten wir auch in Zukunft vorzugsweise Nachbildungen solcher Werke zu scheu bekommen, die ihrer albernen oder lächerlichen Natur wegen in fremden Zeit¬ schriften kein Unterkommen finden können, so müßten wir sagen: dazu ist eine deutsche Zeitschrift dieser Art denn doch zu gut. Das Geld der Mitglieder der Genossenschaft ist nicht dazu ausgegeben, daß uns monumentaler Unsinn als wahre Kunst aufgezwungen wird und unser Publikum dadurch einen ganz verkehrten Eindruck von der modernen Kunst erhält. Das ist nicht der richtige Weg, der modernen Kunst Anhänger zu werben. (Schluß folgt) Der erste Beste Erzählung von Gelo Verdeck (Fortsetzung) in paar Augenblicke lang war es still im Zimmer. Jeder fühlte mehr oder weniger die Bosheit in dem kleinen Ausfall. Ver¬ wunderte Blicke fragten hin und her: Was soll das? Da stand Fritz schon auf. Seine heitern Augen beruhigten Margarete, die von allen am meisten erschrocken war. Langsam füllte er sein Glas bis zum Rande. Es ist zwar komisch, begann er wahrend dessen, mehr vor sich hin, als zur Gesellschaft, aber es ist wahr: das ist mein erster Trinkspruch. Ich bin neugierig, wie er ausfallen wird. In allerlei Dingen hab ich mich schon ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/196>, abgerufen am 27.04.2024.