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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Anselm von Feuerbach als politischer Schriftsteller

britischen Flotte nicht viel lehren kann, so können sich doch unsre Marine¬
leiter die bewunderungswürdige Art und Weise, mit der die Flottenschau in
Kiel angeordnet war, zum Muster nehmen."




Anselm von jeuerbach als politischer Schriftsteller
von I- Gensel

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Mxcmeer den sechs Standbildern großer deutscher Juristen, die den
Mittelbau der Nordseite des Reichsgerichtsgebäudes zieren, stellt
das vorletzte den Begründer der neuen deutschen Strafrechts¬
wissenschaft Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach dar,
während sein etwas jüngerer Zeitgenosse Friedrich von Savigny,
der Hauptvertreter der historischen Schule auf dem Gebiete des römisch-deutschen
Privatrechts, die letzte Stelle einnimmt. Zwei grnndverschiedne Naturen: hier
der emsige, friedliche Forscher, der das Gewordne liebevoll bis zu den feinsten
Wurzelfasern verfolgt und vor den andächtigen Hörern in glänzendem Lichte
darstellt -- dort der Feuergeist, der sich weiten Blickes mit den höchsten Pro¬
blemen der Rechtsphilosophie beschäftigt, dem aber vor allem daran gelegen
ist, kämpfend ins Leben zu rufen, was er als wahr und recht erkannt hat.
Dem entsprechend ist es vorwiegend das öffentliche Recht, dem Feuerbachs
Wirken gilt.

Als politischer Schriftsteller hat Feuerbach vieles mit seinem um sechs
Jahre ältern Zeitgenossen Ernst Moritz Arndt gemein: vor allem die glühende
Liebe zum Vaterland und das feste Vertrauen auf die Zukunft unsers Volks;
den tiefen sittlichen Ernst und den tapfern Mut, die Wahrheit zu sagen, gleich¬
viel ob er damit nach oben oder nach unten anstößt; auch die sprudelnde Fülle
der Gedanken und den packenden Strom der Rede. Wenn Arndts Schreib¬
weise unmittelbarer zum Herzen spricht, so hat Feuerbach vor ihm die größere
Geistesschärfe, den weitern Gesichtskreis und die eindringende Kenntnis des
öffentlichen Rechts voraus. Den besten Teil seiner Volkstümlichkeit verdankt
doch Arndt seinen vaterländischen Gedichten. Dazu kommt das ehrwürdige
Alter, das er erreicht hat. Als er am 26. Dezember 1859 in wunderbarer
Geistesfrische seinen neunzigsten Geburtstag feierte, war Feuerbach schon über
ein Vierteljahrhundert tot.

Feuerbach hat es verdient, daß sein Gedächtnis im deutschen Volke wach
erhalten werde. Der furchtlose Kämpe verdient es doppelt in dieser Zeit des


Anselm von Feuerbach als politischer Schriftsteller

britischen Flotte nicht viel lehren kann, so können sich doch unsre Marine¬
leiter die bewunderungswürdige Art und Weise, mit der die Flottenschau in
Kiel angeordnet war, zum Muster nehmen."




Anselm von jeuerbach als politischer Schriftsteller
von I- Gensel

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Mxcmeer den sechs Standbildern großer deutscher Juristen, die den
Mittelbau der Nordseite des Reichsgerichtsgebäudes zieren, stellt
das vorletzte den Begründer der neuen deutschen Strafrechts¬
wissenschaft Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach dar,
während sein etwas jüngerer Zeitgenosse Friedrich von Savigny,
der Hauptvertreter der historischen Schule auf dem Gebiete des römisch-deutschen
Privatrechts, die letzte Stelle einnimmt. Zwei grnndverschiedne Naturen: hier
der emsige, friedliche Forscher, der das Gewordne liebevoll bis zu den feinsten
Wurzelfasern verfolgt und vor den andächtigen Hörern in glänzendem Lichte
darstellt — dort der Feuergeist, der sich weiten Blickes mit den höchsten Pro¬
blemen der Rechtsphilosophie beschäftigt, dem aber vor allem daran gelegen
ist, kämpfend ins Leben zu rufen, was er als wahr und recht erkannt hat.
Dem entsprechend ist es vorwiegend das öffentliche Recht, dem Feuerbachs
Wirken gilt.

Als politischer Schriftsteller hat Feuerbach vieles mit seinem um sechs
Jahre ältern Zeitgenossen Ernst Moritz Arndt gemein: vor allem die glühende
Liebe zum Vaterland und das feste Vertrauen auf die Zukunft unsers Volks;
den tiefen sittlichen Ernst und den tapfern Mut, die Wahrheit zu sagen, gleich¬
viel ob er damit nach oben oder nach unten anstößt; auch die sprudelnde Fülle
der Gedanken und den packenden Strom der Rede. Wenn Arndts Schreib¬
weise unmittelbarer zum Herzen spricht, so hat Feuerbach vor ihm die größere
Geistesschärfe, den weitern Gesichtskreis und die eindringende Kenntnis des
öffentlichen Rechts voraus. Den besten Teil seiner Volkstümlichkeit verdankt
doch Arndt seinen vaterländischen Gedichten. Dazu kommt das ehrwürdige
Alter, das er erreicht hat. Als er am 26. Dezember 1859 in wunderbarer
Geistesfrische seinen neunzigsten Geburtstag feierte, war Feuerbach schon über
ein Vierteljahrhundert tot.

Feuerbach hat es verdient, daß sein Gedächtnis im deutschen Volke wach
erhalten werde. Der furchtlose Kämpe verdient es doppelt in dieser Zeit des


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[0363] Anselm von Feuerbach als politischer Schriftsteller britischen Flotte nicht viel lehren kann, so können sich doch unsre Marine¬ leiter die bewunderungswürdige Art und Weise, mit der die Flottenschau in Kiel angeordnet war, zum Muster nehmen." Anselm von jeuerbach als politischer Schriftsteller von I- Gensel >5^M5 ^ MW>WG5^^> Mxcmeer den sechs Standbildern großer deutscher Juristen, die den Mittelbau der Nordseite des Reichsgerichtsgebäudes zieren, stellt das vorletzte den Begründer der neuen deutschen Strafrechts¬ wissenschaft Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach dar, während sein etwas jüngerer Zeitgenosse Friedrich von Savigny, der Hauptvertreter der historischen Schule auf dem Gebiete des römisch-deutschen Privatrechts, die letzte Stelle einnimmt. Zwei grnndverschiedne Naturen: hier der emsige, friedliche Forscher, der das Gewordne liebevoll bis zu den feinsten Wurzelfasern verfolgt und vor den andächtigen Hörern in glänzendem Lichte darstellt — dort der Feuergeist, der sich weiten Blickes mit den höchsten Pro¬ blemen der Rechtsphilosophie beschäftigt, dem aber vor allem daran gelegen ist, kämpfend ins Leben zu rufen, was er als wahr und recht erkannt hat. Dem entsprechend ist es vorwiegend das öffentliche Recht, dem Feuerbachs Wirken gilt. Als politischer Schriftsteller hat Feuerbach vieles mit seinem um sechs Jahre ältern Zeitgenossen Ernst Moritz Arndt gemein: vor allem die glühende Liebe zum Vaterland und das feste Vertrauen auf die Zukunft unsers Volks; den tiefen sittlichen Ernst und den tapfern Mut, die Wahrheit zu sagen, gleich¬ viel ob er damit nach oben oder nach unten anstößt; auch die sprudelnde Fülle der Gedanken und den packenden Strom der Rede. Wenn Arndts Schreib¬ weise unmittelbarer zum Herzen spricht, so hat Feuerbach vor ihm die größere Geistesschärfe, den weitern Gesichtskreis und die eindringende Kenntnis des öffentlichen Rechts voraus. Den besten Teil seiner Volkstümlichkeit verdankt doch Arndt seinen vaterländischen Gedichten. Dazu kommt das ehrwürdige Alter, das er erreicht hat. Als er am 26. Dezember 1859 in wunderbarer Geistesfrische seinen neunzigsten Geburtstag feierte, war Feuerbach schon über ein Vierteljahrhundert tot. Feuerbach hat es verdient, daß sein Gedächtnis im deutschen Volke wach erhalten werde. Der furchtlose Kämpe verdient es doppelt in dieser Zeit des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/363>, abgerufen am 27.04.2024.