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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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I>le große Berliner Uunstansstellung

Dies meine Überzeugung. Dciß ich nicht wenige Gesinnungsgenossen habe,
weiß ich. Was sie zu thun gedenken, muß ich ihnen überlassen. Dem Redakteur
der Hausblätter aber konnte dieser Thatbestand nicht verborgen sein. Ich halte
daher seine kühne Behauptung für eines jener Mittel, wodurch die Partei die
urteilslose, in ihrer Pietät gegen die geistliche Autorität nichts arges ahnende
Menge in der Unwissenheit über die wahren Gefahren der Kirche erhält und die
Schwächern unter den Geistlichen schreckt.


Jentsch, Kaplan.

Liegnitz, 22. April 1870.

So lautet der Entwurf, den ich noch habe. Bei der Reinschrift flössen
mir noch einige starke Ausdrücke wie "katholischer Pöbel" in die Feder. Dieses
Wort machte sehr böses Blut, und ich habe es bereut, weil es mißverständlich
auf deu Umstand bezogen werden konnte, daß in gemischten Gegenden wie in
Schlesien die katholische Bevölkerung vorherrschend deu ärmern Klassen an¬
gehört. Ich hatte natürlich nur den Preßpöbel, namentlich deu Redakteur
der Hausblätter im Sinne. Von der gedruckten Erklärung finde ich in meinen
Papieren kein Exemplar.

(Fortsetzung folgt)




Die große Berliner Kunstausstellung
von Adolf Rosenberg

WMcum dieser Bericht, wie es die journalistische Hetzjagd unsrer
Tage verlangt, bald nach der Eröffnung der Ausstellung im
Monat Mai geschrieben worden wäre, so hätte ich ihn wahr¬
scheinlich mit einem Ausbruch der Entrüstung oder doch mit
dein Bekenntnis tiefster Beschämung eröffnen müssen. Im Jahre
des ersten Jubiläums des großen Krieges empfängt man die französischen
Künstler, die sich so lange hartnäckig demütigem Liebeswerben verschlossen, die
im Jahre 1891 sogar die der Mutter des deutschen Kaisers gegebne Zusage
unter dem Druck einer Horde von Gassenjungen zurückgezogen hatten, mit den
höchsten Ehren, giebt man ihnen Jurhfreiheit und räumt ihnen die besten
Säle ein! Und noch dazu nach langen Verhandlungen, deren Abschluß nur
dadurch beschleunigt wurde, daß sich die von der Regierung unabhängige
Künstlergenossenschaft des Salons auf dem Marsfelde schnell zur Beschickung
der Berliner Ausstellung entschloß und die gegnerische Gesellschaft der Chmnps-
Elhsves darum nicht zurückbleiben konnte. Den Münchner Ausstellungen


I>le große Berliner Uunstansstellung

Dies meine Überzeugung. Dciß ich nicht wenige Gesinnungsgenossen habe,
weiß ich. Was sie zu thun gedenken, muß ich ihnen überlassen. Dem Redakteur
der Hausblätter aber konnte dieser Thatbestand nicht verborgen sein. Ich halte
daher seine kühne Behauptung für eines jener Mittel, wodurch die Partei die
urteilslose, in ihrer Pietät gegen die geistliche Autorität nichts arges ahnende
Menge in der Unwissenheit über die wahren Gefahren der Kirche erhält und die
Schwächern unter den Geistlichen schreckt.


Jentsch, Kaplan.

Liegnitz, 22. April 1870.

So lautet der Entwurf, den ich noch habe. Bei der Reinschrift flössen
mir noch einige starke Ausdrücke wie „katholischer Pöbel" in die Feder. Dieses
Wort machte sehr böses Blut, und ich habe es bereut, weil es mißverständlich
auf deu Umstand bezogen werden konnte, daß in gemischten Gegenden wie in
Schlesien die katholische Bevölkerung vorherrschend deu ärmern Klassen an¬
gehört. Ich hatte natürlich nur den Preßpöbel, namentlich deu Redakteur
der Hausblätter im Sinne. Von der gedruckten Erklärung finde ich in meinen
Papieren kein Exemplar.

(Fortsetzung folgt)




Die große Berliner Kunstausstellung
von Adolf Rosenberg

WMcum dieser Bericht, wie es die journalistische Hetzjagd unsrer
Tage verlangt, bald nach der Eröffnung der Ausstellung im
Monat Mai geschrieben worden wäre, so hätte ich ihn wahr¬
scheinlich mit einem Ausbruch der Entrüstung oder doch mit
dein Bekenntnis tiefster Beschämung eröffnen müssen. Im Jahre
des ersten Jubiläums des großen Krieges empfängt man die französischen
Künstler, die sich so lange hartnäckig demütigem Liebeswerben verschlossen, die
im Jahre 1891 sogar die der Mutter des deutschen Kaisers gegebne Zusage
unter dem Druck einer Horde von Gassenjungen zurückgezogen hatten, mit den
höchsten Ehren, giebt man ihnen Jurhfreiheit und räumt ihnen die besten
Säle ein! Und noch dazu nach langen Verhandlungen, deren Abschluß nur
dadurch beschleunigt wurde, daß sich die von der Regierung unabhängige
Künstlergenossenschaft des Salons auf dem Marsfelde schnell zur Beschickung
der Berliner Ausstellung entschloß und die gegnerische Gesellschaft der Chmnps-
Elhsves darum nicht zurückbleiben konnte. Den Münchner Ausstellungen


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[0436] I>le große Berliner Uunstansstellung Dies meine Überzeugung. Dciß ich nicht wenige Gesinnungsgenossen habe, weiß ich. Was sie zu thun gedenken, muß ich ihnen überlassen. Dem Redakteur der Hausblätter aber konnte dieser Thatbestand nicht verborgen sein. Ich halte daher seine kühne Behauptung für eines jener Mittel, wodurch die Partei die urteilslose, in ihrer Pietät gegen die geistliche Autorität nichts arges ahnende Menge in der Unwissenheit über die wahren Gefahren der Kirche erhält und die Schwächern unter den Geistlichen schreckt. Jentsch, Kaplan. Liegnitz, 22. April 1870. So lautet der Entwurf, den ich noch habe. Bei der Reinschrift flössen mir noch einige starke Ausdrücke wie „katholischer Pöbel" in die Feder. Dieses Wort machte sehr böses Blut, und ich habe es bereut, weil es mißverständlich auf deu Umstand bezogen werden konnte, daß in gemischten Gegenden wie in Schlesien die katholische Bevölkerung vorherrschend deu ärmern Klassen an¬ gehört. Ich hatte natürlich nur den Preßpöbel, namentlich deu Redakteur der Hausblätter im Sinne. Von der gedruckten Erklärung finde ich in meinen Papieren kein Exemplar. (Fortsetzung folgt) Die große Berliner Kunstausstellung von Adolf Rosenberg WMcum dieser Bericht, wie es die journalistische Hetzjagd unsrer Tage verlangt, bald nach der Eröffnung der Ausstellung im Monat Mai geschrieben worden wäre, so hätte ich ihn wahr¬ scheinlich mit einem Ausbruch der Entrüstung oder doch mit dein Bekenntnis tiefster Beschämung eröffnen müssen. Im Jahre des ersten Jubiläums des großen Krieges empfängt man die französischen Künstler, die sich so lange hartnäckig demütigem Liebeswerben verschlossen, die im Jahre 1891 sogar die der Mutter des deutschen Kaisers gegebne Zusage unter dem Druck einer Horde von Gassenjungen zurückgezogen hatten, mit den höchsten Ehren, giebt man ihnen Jurhfreiheit und räumt ihnen die besten Säle ein! Und noch dazu nach langen Verhandlungen, deren Abschluß nur dadurch beschleunigt wurde, daß sich die von der Regierung unabhängige Künstlergenossenschaft des Salons auf dem Marsfelde schnell zur Beschickung der Berliner Ausstellung entschloß und die gegnerische Gesellschaft der Chmnps- Elhsves darum nicht zurückbleiben konnte. Den Münchner Ausstellungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/436>, abgerufen am 27.04.2024.