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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Wie man sich verspricht

Daß sie selbst, als Organe des heiligen Geistes, eine neue Lehre sollten machen
helfen, die ihnen wider den Strich ging, war allerdings eine starke Zumutung,
und sie würden wahrscheinlich Gott gedankt haben, wenn die Italiener schon
ein paar Monate früher in Rom eingerückt wären und sie vor dem äußersten
bewahrt hätten, aber dieses Äußerste durch Schritte abzuwenden, von denen sie
bei der Hartnäckigkeit des Papstes und dem Fanatismus eines Teils ihrer
Gläubigen ein Schisma fürchten mußten, oder solche Schritte den ihnen unter¬
gebnen Geistlichen zu gestatten, das konnte ihnen nicht einfallen.

Ganz so faßte die Sache auch der protestantische Oberbürgermeister von
Liegnitz auf. Er hielt, sobald er meine Suspension erfahren hatte, eine Ma¬
gistratssitzung, in der ein Schreiben an das geistliche Amt beschlossen wurde,
worin dieses ersucht wurde, mich nach Beilegung des Konflikts in Liegnitz zu
lassen. Natürlich ging ich nach meiner Rückkehr aus Breslau zum Ober¬
bürgermeister, um ihm zu danken. Er sagte: "Na, das waren wir Ihnen ja
schuldig sich war nämlich in Schulbauangelegenheiten den Herren so grob ge¬
kommen, daß sie mich bei der Regierung verklagten); aber nehmen Sie mirs
nicht übel, Sie haben zwar sehr edel gehandelt, aber eine Dummheit wars;
so etwas kann doch keine Behörde dulden." Auch die Mehrzahl der höhern
Regierungsbeamten dürfte so gedacht und empfunden haben. Der Dirigent
der Abteilung für Kirchen- und Schulsachen in Liegnitz, v. P., der mir auch
sonst gewogen war, dachte allerdings anders, stieß jedoch, als er mir einige
Monate darauf eine Pfarrei zu verschaffen suchte, auf Widerstand. Einer
seiner Kollegen, der Oberregierungsrat v. W., sagte nach der Berufung Falls
einem Pfarrer, der voll Bestürzung zu ihm gelaufen kam und fragte, was nun
wohl werden würde: Seien Sie ganz ruhig; der Unsinn kann unmöglich lange
dauern.

(Schluß folgt)




it)le man sich verspricht

<^^^ir alle versprechen uns. Zerstreute Leute besonders oft, manche
wieder so gut wie gar uicht. aber keiner ist sicher davor, auch
nicht der Pfarrer und der Komödiant. Es kommt manchmal
das tollste Zeug dabei heraus, und was das ärgerliche daran
ist: man weiß meist weder, warum man sich verspricht, noch
warum man sich gerade so verspricht. Ein Kobold scheint einem einen Streich


Grenzboten III 1895 60
Wie man sich verspricht

Daß sie selbst, als Organe des heiligen Geistes, eine neue Lehre sollten machen
helfen, die ihnen wider den Strich ging, war allerdings eine starke Zumutung,
und sie würden wahrscheinlich Gott gedankt haben, wenn die Italiener schon
ein paar Monate früher in Rom eingerückt wären und sie vor dem äußersten
bewahrt hätten, aber dieses Äußerste durch Schritte abzuwenden, von denen sie
bei der Hartnäckigkeit des Papstes und dem Fanatismus eines Teils ihrer
Gläubigen ein Schisma fürchten mußten, oder solche Schritte den ihnen unter¬
gebnen Geistlichen zu gestatten, das konnte ihnen nicht einfallen.

Ganz so faßte die Sache auch der protestantische Oberbürgermeister von
Liegnitz auf. Er hielt, sobald er meine Suspension erfahren hatte, eine Ma¬
gistratssitzung, in der ein Schreiben an das geistliche Amt beschlossen wurde,
worin dieses ersucht wurde, mich nach Beilegung des Konflikts in Liegnitz zu
lassen. Natürlich ging ich nach meiner Rückkehr aus Breslau zum Ober¬
bürgermeister, um ihm zu danken. Er sagte: „Na, das waren wir Ihnen ja
schuldig sich war nämlich in Schulbauangelegenheiten den Herren so grob ge¬
kommen, daß sie mich bei der Regierung verklagten); aber nehmen Sie mirs
nicht übel, Sie haben zwar sehr edel gehandelt, aber eine Dummheit wars;
so etwas kann doch keine Behörde dulden." Auch die Mehrzahl der höhern
Regierungsbeamten dürfte so gedacht und empfunden haben. Der Dirigent
der Abteilung für Kirchen- und Schulsachen in Liegnitz, v. P., der mir auch
sonst gewogen war, dachte allerdings anders, stieß jedoch, als er mir einige
Monate darauf eine Pfarrei zu verschaffen suchte, auf Widerstand. Einer
seiner Kollegen, der Oberregierungsrat v. W., sagte nach der Berufung Falls
einem Pfarrer, der voll Bestürzung zu ihm gelaufen kam und fragte, was nun
wohl werden würde: Seien Sie ganz ruhig; der Unsinn kann unmöglich lange
dauern.

(Schluß folgt)




it)le man sich verspricht

<^^^ir alle versprechen uns. Zerstreute Leute besonders oft, manche
wieder so gut wie gar uicht. aber keiner ist sicher davor, auch
nicht der Pfarrer und der Komödiant. Es kommt manchmal
das tollste Zeug dabei heraus, und was das ärgerliche daran
ist: man weiß meist weder, warum man sich verspricht, noch
warum man sich gerade so verspricht. Ein Kobold scheint einem einen Streich


Grenzboten III 1895 60
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[0481] Wie man sich verspricht Daß sie selbst, als Organe des heiligen Geistes, eine neue Lehre sollten machen helfen, die ihnen wider den Strich ging, war allerdings eine starke Zumutung, und sie würden wahrscheinlich Gott gedankt haben, wenn die Italiener schon ein paar Monate früher in Rom eingerückt wären und sie vor dem äußersten bewahrt hätten, aber dieses Äußerste durch Schritte abzuwenden, von denen sie bei der Hartnäckigkeit des Papstes und dem Fanatismus eines Teils ihrer Gläubigen ein Schisma fürchten mußten, oder solche Schritte den ihnen unter¬ gebnen Geistlichen zu gestatten, das konnte ihnen nicht einfallen. Ganz so faßte die Sache auch der protestantische Oberbürgermeister von Liegnitz auf. Er hielt, sobald er meine Suspension erfahren hatte, eine Ma¬ gistratssitzung, in der ein Schreiben an das geistliche Amt beschlossen wurde, worin dieses ersucht wurde, mich nach Beilegung des Konflikts in Liegnitz zu lassen. Natürlich ging ich nach meiner Rückkehr aus Breslau zum Ober¬ bürgermeister, um ihm zu danken. Er sagte: „Na, das waren wir Ihnen ja schuldig sich war nämlich in Schulbauangelegenheiten den Herren so grob ge¬ kommen, daß sie mich bei der Regierung verklagten); aber nehmen Sie mirs nicht übel, Sie haben zwar sehr edel gehandelt, aber eine Dummheit wars; so etwas kann doch keine Behörde dulden." Auch die Mehrzahl der höhern Regierungsbeamten dürfte so gedacht und empfunden haben. Der Dirigent der Abteilung für Kirchen- und Schulsachen in Liegnitz, v. P., der mir auch sonst gewogen war, dachte allerdings anders, stieß jedoch, als er mir einige Monate darauf eine Pfarrei zu verschaffen suchte, auf Widerstand. Einer seiner Kollegen, der Oberregierungsrat v. W., sagte nach der Berufung Falls einem Pfarrer, der voll Bestürzung zu ihm gelaufen kam und fragte, was nun wohl werden würde: Seien Sie ganz ruhig; der Unsinn kann unmöglich lange dauern. (Schluß folgt) it)le man sich verspricht <^^^ir alle versprechen uns. Zerstreute Leute besonders oft, manche wieder so gut wie gar uicht. aber keiner ist sicher davor, auch nicht der Pfarrer und der Komödiant. Es kommt manchmal das tollste Zeug dabei heraus, und was das ärgerliche daran ist: man weiß meist weder, warum man sich verspricht, noch warum man sich gerade so verspricht. Ein Kobold scheint einem einen Streich Grenzboten III 1895 60

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/481>, abgerufen am 27.04.2024.