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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Zum Währungskampfe
1

In der außerordentlichen Plenarversammlung des deutschen Handelstags
hat der Generalkonsul Russell über die Währungsfrage eine hervorragende Rede
gehalten, die an Gediegenheit den Reden des Ncichsbankpräsidenten Dr. Koch
an die Seite gestellt zu werden verdient. Der theoretische Teil stützt sich aber
auf einen Grundsatz, an dem die Goldwühruugspartei sehr zu ihrem Nachteil
festhalten zu müssen glaubt. Der Grundsatz lautet: "Der Staat kann nicht
einem Gegenstande einen willkürlichen Wert beilegen, d. h. einen wirklichen
Wert, eine Kaufkraft. Der Staat kann nicht einer Münze, einem unter seiner
Autorität hergestellten Zahlungsmittel eine andre Kaufkraft beimessen, als sie
auf Grund der allgemeinen Verhältnisse nach der Wertschätzung der Mensch¬
heit hat. Hierbei muß man natürlich solche Zahlungsmittel ausscheiden, deren
Bedeutung nicht auf ihrem innern Werte, sondern auf dem Kredit des Staates,
auf der Einlösungspflicht beruht." Dieser Grundsatz entspringt, wie wir sagen
möchten, dem mathematischen Denken, aber nicht den thatsächlichen Verhält¬
nissen, die stehen mit ihm im Widerspruch. Wir haben in unsrer eignen
Währung noch 400 Millionen Silberthaler, denen der Staat eine willkürliche
Kaufkraft, die sich auf das doppelte ihres Metallwerth beläuft, beimißt, und
die der Verkehr willig zu der vom Staat bemessenen Höhe aufnimmt. Der
Staat hat keine andre Pflicht, als die Thaler in der von ihm bemessenen
Werthöhe dauernd anzuerkennen, sie einzulösen ist er nicht verpflichtet. Ebenso¬
wenig besteht eine Einlösungspflicht für die in allen Staaten unterwertig ge¬
prägten Scheidemünzen. Auch die Staaten mit Papierwährung haben keine
Einlösnngsverpflichtung, und wenn sie eine solche hätten, würde sie meist be¬
deutungslos sein, da ein Staat, der einer solchen Verpflichtung nachzukommen
imstande ist, nicht zur Papierwährung greifen wird. Die irrige Meinung,
der auch Knies huldigt, daß das Geld als Tauschwcrtmesser den Wert, den es
bemißt, auch selbst in sich tragen müsse, darf nicht aufrecht erhalten werden.
Der Wert des Papier- und Hartgeldes steht durchweg, um einen festen Maßstab
abzugeben, in einer ganz bestimmten Beziehung zu einer bestimmten Menge
Edelmetall, diese Beziehung braucht aber weder durch Ausprägung, noch durch
Einlösungspflicht gedeckt zu sein. Die in Deutschland umlaufenden Thaler,
die zu ihrem doppelten Wert als vollgiltiges Zahlungsmittel gesetzlich und
thatsächlich ohne Anstoß gebraucht werden, und für die eine Einlösungspflicht
niemals vorgesehen ist, sind vielleicht das schlagendste praktische Beispiel dafür,
daß der Mensch in gewissen Grenzen die Macht über das Geld hat, und der
Wert des Geldes nicht unbeschränkt von seinem gegenständlichen Wertgehalt
abhängt. Die Eiulösungspflicht des Staates ist eine Erfindung jener mathe¬
matisch denkenden Köpfe und gelehrten Herrn, die auch Thatsachen nur dann
anerkennen, wenn sie ihre Erklärung gefunden zu haben meinen.

Die Bimetallisten vertreten die entgegengesetzte Ansicht, daß der Mensch


Zum Währungskampfe
1

In der außerordentlichen Plenarversammlung des deutschen Handelstags
hat der Generalkonsul Russell über die Währungsfrage eine hervorragende Rede
gehalten, die an Gediegenheit den Reden des Ncichsbankpräsidenten Dr. Koch
an die Seite gestellt zu werden verdient. Der theoretische Teil stützt sich aber
auf einen Grundsatz, an dem die Goldwühruugspartei sehr zu ihrem Nachteil
festhalten zu müssen glaubt. Der Grundsatz lautet: „Der Staat kann nicht
einem Gegenstande einen willkürlichen Wert beilegen, d. h. einen wirklichen
Wert, eine Kaufkraft. Der Staat kann nicht einer Münze, einem unter seiner
Autorität hergestellten Zahlungsmittel eine andre Kaufkraft beimessen, als sie
auf Grund der allgemeinen Verhältnisse nach der Wertschätzung der Mensch¬
heit hat. Hierbei muß man natürlich solche Zahlungsmittel ausscheiden, deren
Bedeutung nicht auf ihrem innern Werte, sondern auf dem Kredit des Staates,
auf der Einlösungspflicht beruht." Dieser Grundsatz entspringt, wie wir sagen
möchten, dem mathematischen Denken, aber nicht den thatsächlichen Verhält¬
nissen, die stehen mit ihm im Widerspruch. Wir haben in unsrer eignen
Währung noch 400 Millionen Silberthaler, denen der Staat eine willkürliche
Kaufkraft, die sich auf das doppelte ihres Metallwerth beläuft, beimißt, und
die der Verkehr willig zu der vom Staat bemessenen Höhe aufnimmt. Der
Staat hat keine andre Pflicht, als die Thaler in der von ihm bemessenen
Werthöhe dauernd anzuerkennen, sie einzulösen ist er nicht verpflichtet. Ebenso¬
wenig besteht eine Einlösungspflicht für die in allen Staaten unterwertig ge¬
prägten Scheidemünzen. Auch die Staaten mit Papierwährung haben keine
Einlösnngsverpflichtung, und wenn sie eine solche hätten, würde sie meist be¬
deutungslos sein, da ein Staat, der einer solchen Verpflichtung nachzukommen
imstande ist, nicht zur Papierwährung greifen wird. Die irrige Meinung,
der auch Knies huldigt, daß das Geld als Tauschwcrtmesser den Wert, den es
bemißt, auch selbst in sich tragen müsse, darf nicht aufrecht erhalten werden.
Der Wert des Papier- und Hartgeldes steht durchweg, um einen festen Maßstab
abzugeben, in einer ganz bestimmten Beziehung zu einer bestimmten Menge
Edelmetall, diese Beziehung braucht aber weder durch Ausprägung, noch durch
Einlösungspflicht gedeckt zu sein. Die in Deutschland umlaufenden Thaler,
die zu ihrem doppelten Wert als vollgiltiges Zahlungsmittel gesetzlich und
thatsächlich ohne Anstoß gebraucht werden, und für die eine Einlösungspflicht
niemals vorgesehen ist, sind vielleicht das schlagendste praktische Beispiel dafür,
daß der Mensch in gewissen Grenzen die Macht über das Geld hat, und der
Wert des Geldes nicht unbeschränkt von seinem gegenständlichen Wertgehalt
abhängt. Die Eiulösungspflicht des Staates ist eine Erfindung jener mathe¬
matisch denkenden Köpfe und gelehrten Herrn, die auch Thatsachen nur dann
anerkennen, wenn sie ihre Erklärung gefunden zu haben meinen.

Die Bimetallisten vertreten die entgegengesetzte Ansicht, daß der Mensch


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[0595] Zum Währungskampfe 1 In der außerordentlichen Plenarversammlung des deutschen Handelstags hat der Generalkonsul Russell über die Währungsfrage eine hervorragende Rede gehalten, die an Gediegenheit den Reden des Ncichsbankpräsidenten Dr. Koch an die Seite gestellt zu werden verdient. Der theoretische Teil stützt sich aber auf einen Grundsatz, an dem die Goldwühruugspartei sehr zu ihrem Nachteil festhalten zu müssen glaubt. Der Grundsatz lautet: „Der Staat kann nicht einem Gegenstande einen willkürlichen Wert beilegen, d. h. einen wirklichen Wert, eine Kaufkraft. Der Staat kann nicht einer Münze, einem unter seiner Autorität hergestellten Zahlungsmittel eine andre Kaufkraft beimessen, als sie auf Grund der allgemeinen Verhältnisse nach der Wertschätzung der Mensch¬ heit hat. Hierbei muß man natürlich solche Zahlungsmittel ausscheiden, deren Bedeutung nicht auf ihrem innern Werte, sondern auf dem Kredit des Staates, auf der Einlösungspflicht beruht." Dieser Grundsatz entspringt, wie wir sagen möchten, dem mathematischen Denken, aber nicht den thatsächlichen Verhält¬ nissen, die stehen mit ihm im Widerspruch. Wir haben in unsrer eignen Währung noch 400 Millionen Silberthaler, denen der Staat eine willkürliche Kaufkraft, die sich auf das doppelte ihres Metallwerth beläuft, beimißt, und die der Verkehr willig zu der vom Staat bemessenen Höhe aufnimmt. Der Staat hat keine andre Pflicht, als die Thaler in der von ihm bemessenen Werthöhe dauernd anzuerkennen, sie einzulösen ist er nicht verpflichtet. Ebenso¬ wenig besteht eine Einlösungspflicht für die in allen Staaten unterwertig ge¬ prägten Scheidemünzen. Auch die Staaten mit Papierwährung haben keine Einlösnngsverpflichtung, und wenn sie eine solche hätten, würde sie meist be¬ deutungslos sein, da ein Staat, der einer solchen Verpflichtung nachzukommen imstande ist, nicht zur Papierwährung greifen wird. Die irrige Meinung, der auch Knies huldigt, daß das Geld als Tauschwcrtmesser den Wert, den es bemißt, auch selbst in sich tragen müsse, darf nicht aufrecht erhalten werden. Der Wert des Papier- und Hartgeldes steht durchweg, um einen festen Maßstab abzugeben, in einer ganz bestimmten Beziehung zu einer bestimmten Menge Edelmetall, diese Beziehung braucht aber weder durch Ausprägung, noch durch Einlösungspflicht gedeckt zu sein. Die in Deutschland umlaufenden Thaler, die zu ihrem doppelten Wert als vollgiltiges Zahlungsmittel gesetzlich und thatsächlich ohne Anstoß gebraucht werden, und für die eine Einlösungspflicht niemals vorgesehen ist, sind vielleicht das schlagendste praktische Beispiel dafür, daß der Mensch in gewissen Grenzen die Macht über das Geld hat, und der Wert des Geldes nicht unbeschränkt von seinem gegenständlichen Wertgehalt abhängt. Die Eiulösungspflicht des Staates ist eine Erfindung jener mathe¬ matisch denkenden Köpfe und gelehrten Herrn, die auch Thatsachen nur dann anerkennen, wenn sie ihre Erklärung gefunden zu haben meinen. Die Bimetallisten vertreten die entgegengesetzte Ansicht, daß der Mensch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/595>, abgerufen am 27.04.2024.