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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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und übertraf durch den Wetteifer aller Nationen alles, was man je an Feuer¬
werken gesehen hatte. Das Flottenmanöver, zu dem die Kaiserin und die Fürsten
auf dem ,,5>ohenzollern" hinausfuhren, während der Kaiser an Bord des ..Kur¬
fürsten Friedrich Wilhelm" kommandirte, schloß die Reihe der Festlichkeiten.

Man kann wohl mit Sicherheit annehmen, daß die Kieler Festlichkeiten überall
imponirend gewirkt haben, um so imponirender, wenn man ihren Hintergrund, die
Vollendung eines großen Kultnrwerkes, im Auge behält und sich zugleich vergegen¬
wärtigt, daß sie auf einem Boden vor sich gingen, wo vor kaum mehr als einem
Menschenalter noch der Danebrog wehte. Können wir das Ansehen des Reiches
durch solche Feste erhalten und vermehren, so soll uns auch die größte daraus ver¬
wendete Summe nicht gereuen, und wer Gelegenheit gehabt hat, die fremden Be¬
richterstatter während der Feier zu beobachten, wird die Wirkung der Festtage
uicht unterschätzen. Die Vorbedingungen aller frohen Feste sind freilich saure
Wochen.

Im Mittelpunkte aller Festlichkeiten stand, auch dem fernerstehenden erkennbar,
die Person des Kaisers, und die Zurufe, die ihm überall erschallten, klangen selbst
in dem sozialdemokratisch wählenden Hamburg voll und herzlich. Das Volk aber
kam, dem Willen des Kaisers gemäß, an deu Festtagen auch nicht zu kurz; genügte
fiir den Binnenländer doch schon der Anblick des mit Panzerkolossen übersäten
Kieler Busens, um einen Eindruck fürs ganze Leben mit hinwegzunehmen.




Litteratur
Soziale Verkehrspolitik von Otto de Terra, Eisenbahndirektor in Frankfurt n.M.
Berlin, Karl Heumann, 189S

Der Verfasser dieses interessanten Schriftchens ist ein Fachmann, der an die
Verwaltung der in unsrer Zeit so hochwichtigen und großartig wirkenden Verkehrs-
anstalten die Anforderung stellt, daß sie sich nach sozialpolitischen Zwecken richte
und durch Förderung des Mittelstandes dem drohenden Umsturz vorbeuge. Von
diesem Gesichtspunkte aus bezeichnet er es als die Aufgabe der Verkehrsmittel, jede
künstliche Vegüustiguug der Großbetriebe, wodurch deren natürliches Übergewicht
über die Kleinbetriebe uoch verstärkt wird, zu meiden und diese nach Kräften zu
fördern. Im einzelnen weist er nach, wie zur Zeit die Großbetriebe noch vielfach
dnrch den Eisenbahntarif und das Postpaketporto begünstigt werden. Es ist selbst¬
verständlich, daß er sich von seinem Standpunkte aus nicht für den Betrieb der
Verkehrsanstalten durch Privatpersonen erklären kann. Keineswegs aber fordert er,
daß sie der Staat als freies Gcnußgut allen unentgeltlich zur Verfügung stelle (in
welchem Falle die Kosten aus deu Steuern bestritten werden müßten) oder sich nur
eine die Kosten deckende Gebühr zahlen lasse; vielmehr hat sie der Staat nach dem
Privatwirtschnftlichen Grundsätze zu verwalten, daß ein möglichst hoher Reingewinn
zu erzielen sei. Denn da diese Einrichtungen den Wohlhabenden in höherm Grade
M gute kommen als den Armen, so würde "eine gemeiuwirtschaftliche Verwaltung.


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und übertraf durch den Wetteifer aller Nationen alles, was man je an Feuer¬
werken gesehen hatte. Das Flottenmanöver, zu dem die Kaiserin und die Fürsten
auf dem ,,5>ohenzollern" hinausfuhren, während der Kaiser an Bord des ..Kur¬
fürsten Friedrich Wilhelm" kommandirte, schloß die Reihe der Festlichkeiten.

Man kann wohl mit Sicherheit annehmen, daß die Kieler Festlichkeiten überall
imponirend gewirkt haben, um so imponirender, wenn man ihren Hintergrund, die
Vollendung eines großen Kultnrwerkes, im Auge behält und sich zugleich vergegen¬
wärtigt, daß sie auf einem Boden vor sich gingen, wo vor kaum mehr als einem
Menschenalter noch der Danebrog wehte. Können wir das Ansehen des Reiches
durch solche Feste erhalten und vermehren, so soll uns auch die größte daraus ver¬
wendete Summe nicht gereuen, und wer Gelegenheit gehabt hat, die fremden Be¬
richterstatter während der Feier zu beobachten, wird die Wirkung der Festtage
uicht unterschätzen. Die Vorbedingungen aller frohen Feste sind freilich saure
Wochen.

Im Mittelpunkte aller Festlichkeiten stand, auch dem fernerstehenden erkennbar,
die Person des Kaisers, und die Zurufe, die ihm überall erschallten, klangen selbst
in dem sozialdemokratisch wählenden Hamburg voll und herzlich. Das Volk aber
kam, dem Willen des Kaisers gemäß, an deu Festtagen auch nicht zu kurz; genügte
fiir den Binnenländer doch schon der Anblick des mit Panzerkolossen übersäten
Kieler Busens, um einen Eindruck fürs ganze Leben mit hinwegzunehmen.




Litteratur
Soziale Verkehrspolitik von Otto de Terra, Eisenbahndirektor in Frankfurt n.M.
Berlin, Karl Heumann, 189S

Der Verfasser dieses interessanten Schriftchens ist ein Fachmann, der an die
Verwaltung der in unsrer Zeit so hochwichtigen und großartig wirkenden Verkehrs-
anstalten die Anforderung stellt, daß sie sich nach sozialpolitischen Zwecken richte
und durch Förderung des Mittelstandes dem drohenden Umsturz vorbeuge. Von
diesem Gesichtspunkte aus bezeichnet er es als die Aufgabe der Verkehrsmittel, jede
künstliche Vegüustiguug der Großbetriebe, wodurch deren natürliches Übergewicht
über die Kleinbetriebe uoch verstärkt wird, zu meiden und diese nach Kräften zu
fördern. Im einzelnen weist er nach, wie zur Zeit die Großbetriebe noch vielfach
dnrch den Eisenbahntarif und das Postpaketporto begünstigt werden. Es ist selbst¬
verständlich, daß er sich von seinem Standpunkte aus nicht für den Betrieb der
Verkehrsanstalten durch Privatpersonen erklären kann. Keineswegs aber fordert er,
daß sie der Staat als freies Gcnußgut allen unentgeltlich zur Verfügung stelle (in
welchem Falle die Kosten aus deu Steuern bestritten werden müßten) oder sich nur
eine die Kosten deckende Gebühr zahlen lasse; vielmehr hat sie der Staat nach dem
Privatwirtschnftlichen Grundsätze zu verwalten, daß ein möglichst hoher Reingewinn
zu erzielen sei. Denn da diese Einrichtungen den Wohlhabenden in höherm Grade
M gute kommen als den Armen, so würde „eine gemeiuwirtschaftliche Verwaltung.


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[0063] Litteratur und übertraf durch den Wetteifer aller Nationen alles, was man je an Feuer¬ werken gesehen hatte. Das Flottenmanöver, zu dem die Kaiserin und die Fürsten auf dem ,,5>ohenzollern" hinausfuhren, während der Kaiser an Bord des ..Kur¬ fürsten Friedrich Wilhelm" kommandirte, schloß die Reihe der Festlichkeiten. Man kann wohl mit Sicherheit annehmen, daß die Kieler Festlichkeiten überall imponirend gewirkt haben, um so imponirender, wenn man ihren Hintergrund, die Vollendung eines großen Kultnrwerkes, im Auge behält und sich zugleich vergegen¬ wärtigt, daß sie auf einem Boden vor sich gingen, wo vor kaum mehr als einem Menschenalter noch der Danebrog wehte. Können wir das Ansehen des Reiches durch solche Feste erhalten und vermehren, so soll uns auch die größte daraus ver¬ wendete Summe nicht gereuen, und wer Gelegenheit gehabt hat, die fremden Be¬ richterstatter während der Feier zu beobachten, wird die Wirkung der Festtage uicht unterschätzen. Die Vorbedingungen aller frohen Feste sind freilich saure Wochen. Im Mittelpunkte aller Festlichkeiten stand, auch dem fernerstehenden erkennbar, die Person des Kaisers, und die Zurufe, die ihm überall erschallten, klangen selbst in dem sozialdemokratisch wählenden Hamburg voll und herzlich. Das Volk aber kam, dem Willen des Kaisers gemäß, an deu Festtagen auch nicht zu kurz; genügte fiir den Binnenländer doch schon der Anblick des mit Panzerkolossen übersäten Kieler Busens, um einen Eindruck fürs ganze Leben mit hinwegzunehmen. Litteratur Soziale Verkehrspolitik von Otto de Terra, Eisenbahndirektor in Frankfurt n.M. Berlin, Karl Heumann, 189S Der Verfasser dieses interessanten Schriftchens ist ein Fachmann, der an die Verwaltung der in unsrer Zeit so hochwichtigen und großartig wirkenden Verkehrs- anstalten die Anforderung stellt, daß sie sich nach sozialpolitischen Zwecken richte und durch Förderung des Mittelstandes dem drohenden Umsturz vorbeuge. Von diesem Gesichtspunkte aus bezeichnet er es als die Aufgabe der Verkehrsmittel, jede künstliche Vegüustiguug der Großbetriebe, wodurch deren natürliches Übergewicht über die Kleinbetriebe uoch verstärkt wird, zu meiden und diese nach Kräften zu fördern. Im einzelnen weist er nach, wie zur Zeit die Großbetriebe noch vielfach dnrch den Eisenbahntarif und das Postpaketporto begünstigt werden. Es ist selbst¬ verständlich, daß er sich von seinem Standpunkte aus nicht für den Betrieb der Verkehrsanstalten durch Privatpersonen erklären kann. Keineswegs aber fordert er, daß sie der Staat als freies Gcnußgut allen unentgeltlich zur Verfügung stelle (in welchem Falle die Kosten aus deu Steuern bestritten werden müßten) oder sich nur eine die Kosten deckende Gebühr zahlen lasse; vielmehr hat sie der Staat nach dem Privatwirtschnftlichen Grundsätze zu verwalten, daß ein möglichst hoher Reingewinn zu erzielen sei. Denn da diese Einrichtungen den Wohlhabenden in höherm Grade M gute kommen als den Armen, so würde „eine gemeiuwirtschaftliche Verwaltung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/63>, abgerufen am 28.04.2024.