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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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und damit das ganze Land so gut wie kampflos einem kaum so starken Feinde,
der französischen Division Mortier, in die Hände zu liefern. Eine ganz neue
Darstellung erfährt dabei die Kapitulation von Artlcuburg, die das hannöversche
Heer auflöste; aber auch die Geschichte der (ersten) Kapitulation von Sulingen
wird im einzelnen vielfach schärfer beleuchtet. Begreiflich, daß der Verfasser dabei
seinem persönlichen Urteil zuweilen kräftigen Ausdruck giebt. Mit besondrer Wärme
schildert er dann, wie aus der aufgelösten hannöverschen Armee die fast ebenso
starke "königlich deutsche Legion" hervorging, die dann auf allen Schlachtfeldern
der phrcnäischen Halbinsel ihre ruhmvollen Fahnen entfaltete und bei Waterloo
ihre Laufbahn ruhmreich abschloß. Den Schluß bildet nach der Schilderung der
französischen Okkupationszeit die Darstellung der Ereignisse, die 1806 zur Ein¬
verleibung Hannovers in Preußen führten, thatsächlich einem Akte der Notwehr.
Besonders verdienstlich sind neben den erzählenden Abschnitten die beiden Kapitel über
den "innern Zustand des Kurfürstentums Hannover" und "die knrhannoversche
Armee" (vor 1803). Die unendliche Schwerfälligkeit einer Landesverwaltung, die
mit sieben selbständigen, höchst partikularistisch gefilmten Landtagen und mit einem
stets in England residirenden Monarchen zu thun hatte, die Bevorzugung des Adels
in der gesamten Verwaltung und seine Herrschaft in den geselligen Verhältnissen,
das damit verbundne Vetteruschafts- und Cliquenwesen, die ungerechte Verteilung
der Staatslasten, die dabei oft willkürliche aber doch im ganzen wohlwollende und
ehrliche Verwaltung, die Gährung, die durch die französische Revolution in dies
ausländische Staatswesen kommt, ohne doch zu wirklichen Reformen zu führen, die
innere Schwäche eines ausschließlich aus Söldnern bestehenden, schlecht bezahlten,
mangelhaft ausgerüsteten und dabei im einzelnen keineswegs untüchtigen Heeres
(bei dessen Besprechung übrigens ans Scharnhorsts Ausscheiden aus dem hannöverschen
Dienst 1801 helleres Licht fällt), das alles tritt dem Leser in lebendigen Bildern
entgegen.

Beigegeben sind vier Porträts in Ziutdruck. Wenn man diese glattrasirten
Gesichter mit den oft recht gescheiten, aber immer weichen Zügen, in denen nicht
eine Spur van Energie hervortritt, näher ansieht, so hat man die ganze geistreiche
und empfängliche, aber willensschwache Generation von Jena vor sich, die dem
dämonischen Genie und dem eisernen Willen Napoleons notwendig unterliegen müßte.




Zur Beachtung
Mit dem nächsten Hefte beginnt diese Zeitschrift das
1. Vierteljahr ihres 34. Jahrganges. Sie ist durch alle Buch-
Handlungen und Postanstalten des In- und Auslandes zu
beziehen. Preis für das Vierteljahr 9 Mark. Wir bitten, die
Bestellung schleunig zu erneuern.
Leipzig" im Dezember 1894Die Verlagshandlung




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig

und damit das ganze Land so gut wie kampflos einem kaum so starken Feinde,
der französischen Division Mortier, in die Hände zu liefern. Eine ganz neue
Darstellung erfährt dabei die Kapitulation von Artlcuburg, die das hannöversche
Heer auflöste; aber auch die Geschichte der (ersten) Kapitulation von Sulingen
wird im einzelnen vielfach schärfer beleuchtet. Begreiflich, daß der Verfasser dabei
seinem persönlichen Urteil zuweilen kräftigen Ausdruck giebt. Mit besondrer Wärme
schildert er dann, wie aus der aufgelösten hannöverschen Armee die fast ebenso
starke „königlich deutsche Legion" hervorging, die dann auf allen Schlachtfeldern
der phrcnäischen Halbinsel ihre ruhmvollen Fahnen entfaltete und bei Waterloo
ihre Laufbahn ruhmreich abschloß. Den Schluß bildet nach der Schilderung der
französischen Okkupationszeit die Darstellung der Ereignisse, die 1806 zur Ein¬
verleibung Hannovers in Preußen führten, thatsächlich einem Akte der Notwehr.
Besonders verdienstlich sind neben den erzählenden Abschnitten die beiden Kapitel über
den „innern Zustand des Kurfürstentums Hannover" und „die knrhannoversche
Armee" (vor 1803). Die unendliche Schwerfälligkeit einer Landesverwaltung, die
mit sieben selbständigen, höchst partikularistisch gefilmten Landtagen und mit einem
stets in England residirenden Monarchen zu thun hatte, die Bevorzugung des Adels
in der gesamten Verwaltung und seine Herrschaft in den geselligen Verhältnissen,
das damit verbundne Vetteruschafts- und Cliquenwesen, die ungerechte Verteilung
der Staatslasten, die dabei oft willkürliche aber doch im ganzen wohlwollende und
ehrliche Verwaltung, die Gährung, die durch die französische Revolution in dies
ausländische Staatswesen kommt, ohne doch zu wirklichen Reformen zu führen, die
innere Schwäche eines ausschließlich aus Söldnern bestehenden, schlecht bezahlten,
mangelhaft ausgerüsteten und dabei im einzelnen keineswegs untüchtigen Heeres
(bei dessen Besprechung übrigens ans Scharnhorsts Ausscheiden aus dem hannöverschen
Dienst 1801 helleres Licht fällt), das alles tritt dem Leser in lebendigen Bildern
entgegen.

Beigegeben sind vier Porträts in Ziutdruck. Wenn man diese glattrasirten
Gesichter mit den oft recht gescheiten, aber immer weichen Zügen, in denen nicht
eine Spur van Energie hervortritt, näher ansieht, so hat man die ganze geistreiche
und empfängliche, aber willensschwache Generation von Jena vor sich, die dem
dämonischen Genie und dem eisernen Willen Napoleons notwendig unterliegen müßte.




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1. Vierteljahr ihres 34. Jahrganges. Sie ist durch alle Buch-
Handlungen und Postanstalten des In- und Auslandes zu
beziehen. Preis für das Vierteljahr 9 Mark. Wir bitten, die
Bestellung schleunig zu erneuern.
Leipzig» im Dezember 1894Die Verlagshandlung




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0644] und damit das ganze Land so gut wie kampflos einem kaum so starken Feinde, der französischen Division Mortier, in die Hände zu liefern. Eine ganz neue Darstellung erfährt dabei die Kapitulation von Artlcuburg, die das hannöversche Heer auflöste; aber auch die Geschichte der (ersten) Kapitulation von Sulingen wird im einzelnen vielfach schärfer beleuchtet. Begreiflich, daß der Verfasser dabei seinem persönlichen Urteil zuweilen kräftigen Ausdruck giebt. Mit besondrer Wärme schildert er dann, wie aus der aufgelösten hannöverschen Armee die fast ebenso starke „königlich deutsche Legion" hervorging, die dann auf allen Schlachtfeldern der phrcnäischen Halbinsel ihre ruhmvollen Fahnen entfaltete und bei Waterloo ihre Laufbahn ruhmreich abschloß. Den Schluß bildet nach der Schilderung der französischen Okkupationszeit die Darstellung der Ereignisse, die 1806 zur Ein¬ verleibung Hannovers in Preußen führten, thatsächlich einem Akte der Notwehr. Besonders verdienstlich sind neben den erzählenden Abschnitten die beiden Kapitel über den „innern Zustand des Kurfürstentums Hannover" und „die knrhannoversche Armee" (vor 1803). Die unendliche Schwerfälligkeit einer Landesverwaltung, die mit sieben selbständigen, höchst partikularistisch gefilmten Landtagen und mit einem stets in England residirenden Monarchen zu thun hatte, die Bevorzugung des Adels in der gesamten Verwaltung und seine Herrschaft in den geselligen Verhältnissen, das damit verbundne Vetteruschafts- und Cliquenwesen, die ungerechte Verteilung der Staatslasten, die dabei oft willkürliche aber doch im ganzen wohlwollende und ehrliche Verwaltung, die Gährung, die durch die französische Revolution in dies ausländische Staatswesen kommt, ohne doch zu wirklichen Reformen zu führen, die innere Schwäche eines ausschließlich aus Söldnern bestehenden, schlecht bezahlten, mangelhaft ausgerüsteten und dabei im einzelnen keineswegs untüchtigen Heeres (bei dessen Besprechung übrigens ans Scharnhorsts Ausscheiden aus dem hannöverschen Dienst 1801 helleres Licht fällt), das alles tritt dem Leser in lebendigen Bildern entgegen. Beigegeben sind vier Porträts in Ziutdruck. Wenn man diese glattrasirten Gesichter mit den oft recht gescheiten, aber immer weichen Zügen, in denen nicht eine Spur van Energie hervortritt, näher ansieht, so hat man die ganze geistreiche und empfängliche, aber willensschwache Generation von Jena vor sich, die dem dämonischen Genie und dem eisernen Willen Napoleons notwendig unterliegen müßte. Zur Beachtung Mit dem nächsten Hefte beginnt diese Zeitschrift das 1. Vierteljahr ihres 34. Jahrganges. Sie ist durch alle Buch- Handlungen und Postanstalten des In- und Auslandes zu beziehen. Preis für das Vierteljahr 9 Mark. Wir bitten, die Bestellung schleunig zu erneuern. Leipzig» im Dezember 1894Die Verlagshandlung Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/644>, abgerufen am 28.04.2024.