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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Zur Assessorenfrage in Preußen

le Grundsätze, die der Gesetzentwurf über die Regelung der Richter¬
gehalte und die Ernennung der Gerichtsassessoren enthält, können
so zusammengefaßt werden: 1. der Gehalt der Richter steigt in
Stufen von je drei Jahren; 2. das Besoldungsdienstalter beginnt
mit der Anstellung; 3. der Justizminister wählt von den Re¬
ferendaren, die die große Staatsprüfung bestanden haben, die zu Gcrichts-
nssessoren aus, die ihm als die geeignetsten erscheinen.

Die Notwendigkeit des dritten Grundsatzes wird aus seinem engen Zu¬
sammenhange mit dem zweiten abgeleitet, weil die Justizverwaltung bei den
Vorschlägen zur Ernennung der Landrichter und Amtsrichter in höherm Maße
als bisher dem Dienstalter als Assessor Rechnung zu tragen haben werde, eine
solche Rücksichtnahme aber unmöglich sei, wenn wie bisher der Kreis der An¬
wärter für die Richterstellen alle die umfaßt, die durch Ablegung der vor-
geschriebnen Prüfungen ihre Befähigung nachgewiesen haben. Als wesentliche
Vorteile des Auswahlrechts wird die Beseitigung der Überzahl von Justiz-
anwürtern und vor allem durch Auswahl der geeignetsten Kräfte und durch
Ausscheidung "minderwertiger Elemente" eine größere Gewähr für eine sach¬
entsprechende Handhabung des Richteramts gehofft. Der erste Grund ver¬
liert seine Stütze, wenn sich die Zeit der Anstellung als Anfang des Be¬
soldungsdienstalters nicht empfehlen sollte; der zweite Grund ist unumwunden
anzuerkennen; über den dritten soll hier zunächst gesprochen werden.

Es ist nicht geradezu ausgesprochen worden, aber jeder, der die Motive
des Gesetzentwurfs liest, wird sich sagen, daß man meint, durch die Auswahl
der Referendare zu Gerichtsassefforen dem vielbehaupteten Niedergange der
Justiz vorbeugen zu können. "Es ist hier nicht der Ort, heißt es in den
Motiven, zu untersuchen, ob das Ansehen der Gerichtspflege und die Autorität


Grenzboten II 13W ig


Zur Assessorenfrage in Preußen

le Grundsätze, die der Gesetzentwurf über die Regelung der Richter¬
gehalte und die Ernennung der Gerichtsassessoren enthält, können
so zusammengefaßt werden: 1. der Gehalt der Richter steigt in
Stufen von je drei Jahren; 2. das Besoldungsdienstalter beginnt
mit der Anstellung; 3. der Justizminister wählt von den Re¬
ferendaren, die die große Staatsprüfung bestanden haben, die zu Gcrichts-
nssessoren aus, die ihm als die geeignetsten erscheinen.

Die Notwendigkeit des dritten Grundsatzes wird aus seinem engen Zu¬
sammenhange mit dem zweiten abgeleitet, weil die Justizverwaltung bei den
Vorschlägen zur Ernennung der Landrichter und Amtsrichter in höherm Maße
als bisher dem Dienstalter als Assessor Rechnung zu tragen haben werde, eine
solche Rücksichtnahme aber unmöglich sei, wenn wie bisher der Kreis der An¬
wärter für die Richterstellen alle die umfaßt, die durch Ablegung der vor-
geschriebnen Prüfungen ihre Befähigung nachgewiesen haben. Als wesentliche
Vorteile des Auswahlrechts wird die Beseitigung der Überzahl von Justiz-
anwürtern und vor allem durch Auswahl der geeignetsten Kräfte und durch
Ausscheidung „minderwertiger Elemente" eine größere Gewähr für eine sach¬
entsprechende Handhabung des Richteramts gehofft. Der erste Grund ver¬
liert seine Stütze, wenn sich die Zeit der Anstellung als Anfang des Be¬
soldungsdienstalters nicht empfehlen sollte; der zweite Grund ist unumwunden
anzuerkennen; über den dritten soll hier zunächst gesprochen werden.

Es ist nicht geradezu ausgesprochen worden, aber jeder, der die Motive
des Gesetzentwurfs liest, wird sich sagen, daß man meint, durch die Auswahl
der Referendare zu Gerichtsassefforen dem vielbehaupteten Niedergange der
Justiz vorbeugen zu können. „Es ist hier nicht der Ort, heißt es in den
Motiven, zu untersuchen, ob das Ansehen der Gerichtspflege und die Autorität


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[0105] [Abbildung] Zur Assessorenfrage in Preußen le Grundsätze, die der Gesetzentwurf über die Regelung der Richter¬ gehalte und die Ernennung der Gerichtsassessoren enthält, können so zusammengefaßt werden: 1. der Gehalt der Richter steigt in Stufen von je drei Jahren; 2. das Besoldungsdienstalter beginnt mit der Anstellung; 3. der Justizminister wählt von den Re¬ ferendaren, die die große Staatsprüfung bestanden haben, die zu Gcrichts- nssessoren aus, die ihm als die geeignetsten erscheinen. Die Notwendigkeit des dritten Grundsatzes wird aus seinem engen Zu¬ sammenhange mit dem zweiten abgeleitet, weil die Justizverwaltung bei den Vorschlägen zur Ernennung der Landrichter und Amtsrichter in höherm Maße als bisher dem Dienstalter als Assessor Rechnung zu tragen haben werde, eine solche Rücksichtnahme aber unmöglich sei, wenn wie bisher der Kreis der An¬ wärter für die Richterstellen alle die umfaßt, die durch Ablegung der vor- geschriebnen Prüfungen ihre Befähigung nachgewiesen haben. Als wesentliche Vorteile des Auswahlrechts wird die Beseitigung der Überzahl von Justiz- anwürtern und vor allem durch Auswahl der geeignetsten Kräfte und durch Ausscheidung „minderwertiger Elemente" eine größere Gewähr für eine sach¬ entsprechende Handhabung des Richteramts gehofft. Der erste Grund ver¬ liert seine Stütze, wenn sich die Zeit der Anstellung als Anfang des Be¬ soldungsdienstalters nicht empfehlen sollte; der zweite Grund ist unumwunden anzuerkennen; über den dritten soll hier zunächst gesprochen werden. Es ist nicht geradezu ausgesprochen worden, aber jeder, der die Motive des Gesetzentwurfs liest, wird sich sagen, daß man meint, durch die Auswahl der Referendare zu Gerichtsassefforen dem vielbehaupteten Niedergange der Justiz vorbeugen zu können. „Es ist hier nicht der Ort, heißt es in den Motiven, zu untersuchen, ob das Ansehen der Gerichtspflege und die Autorität Grenzboten II 13W ig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/105>, abgerufen am 28.04.2024.