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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Litteratur

dem Vaterlnnde der großen Humoristen eigen ist, haben Balfour und seine Freunde
eingestanden, daß es ihnen gar nicht einfällt, den Bimetallismus für Eng land zu
wünschen; sie wollen bloß die Ausländer'dazu überreden, damit England, der
Gläubiger der ganzen Welt, die Vorteile der Goldwährung allein genieße; damit
nicht allein die Goldschulden des Auslands an England wie bisher in Gold verzinst
werden, sondern auch die Silberschulden einen höhern Zins bringen als bisher.
Die Herren Balfour und Genossen sind, wie alle Engländer, so oft sie Ausländern
predigen, Füchse gewesen und haben vorausgesetzt oder wenigstens gewünscht, daß
ihr Publikum aus Gänsen bestehe.




Litteratur

Angelus Silesius. Von Otto Erich Hartlebe". Dresden, Georg Vondi, 18W

Auf den religiös genialen Johann Scheffler, der unter dem Pseudonym Angelus
Silesius seinen berühmten cherubinischen Wandersmann herausgegeben hat, ist in
jüngster Zeit wiederholt aufmerksam gemacht worden, zuletzt von Franz Kern in
dem ersten Aufsatz seiner Kleinen Schriften (vergl. Grenzboten 1895, III, S36).
Jetzt bietet hier einer seiner unbedingten Verehrer ("so Gott -- der Gott des
Angelus Silesius -- will," sagt er einmal in dem romantisch-burschikosen Vorwort),
zu denen wir nicht gehören, eine Auswahl aus dem Wandersmann, ein Epigrammen¬
brevier, zusammengesetzt aus den bedeutendsten und charakteristischsten Sprüchen des
tiefsinnigen Mannes, an Umfang etwa ein Zehntel des Originals. Daß er mit
dieser Auslese "den ewigen Kern aus der rauhen historischen Schale herausgeschält"
habe -- ein Bild, das für das bloße Auflesen doch nicht recht passen will --,
der Ansicht sind wir nicht, dem widerspricht uach unserm Gefühl eine kleine An¬
zahl mystisch-trunkner Strophen, die sich auch mit dem geläutertsten Christentum
nicht in Einklang bringen lassen.

Die kleine Sammlung ist geschmackvoll ausgestattet.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Mnrquart in Leipzig
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dem Vaterlnnde der großen Humoristen eigen ist, haben Balfour und seine Freunde
eingestanden, daß es ihnen gar nicht einfällt, den Bimetallismus für Eng land zu
wünschen; sie wollen bloß die Ausländer'dazu überreden, damit England, der
Gläubiger der ganzen Welt, die Vorteile der Goldwährung allein genieße; damit
nicht allein die Goldschulden des Auslands an England wie bisher in Gold verzinst
werden, sondern auch die Silberschulden einen höhern Zins bringen als bisher.
Die Herren Balfour und Genossen sind, wie alle Engländer, so oft sie Ausländern
predigen, Füchse gewesen und haben vorausgesetzt oder wenigstens gewünscht, daß
ihr Publikum aus Gänsen bestehe.




Litteratur

Angelus Silesius. Von Otto Erich Hartlebe». Dresden, Georg Vondi, 18W

Auf den religiös genialen Johann Scheffler, der unter dem Pseudonym Angelus
Silesius seinen berühmten cherubinischen Wandersmann herausgegeben hat, ist in
jüngster Zeit wiederholt aufmerksam gemacht worden, zuletzt von Franz Kern in
dem ersten Aufsatz seiner Kleinen Schriften (vergl. Grenzboten 1895, III, S36).
Jetzt bietet hier einer seiner unbedingten Verehrer („so Gott — der Gott des
Angelus Silesius — will," sagt er einmal in dem romantisch-burschikosen Vorwort),
zu denen wir nicht gehören, eine Auswahl aus dem Wandersmann, ein Epigrammen¬
brevier, zusammengesetzt aus den bedeutendsten und charakteristischsten Sprüchen des
tiefsinnigen Mannes, an Umfang etwa ein Zehntel des Originals. Daß er mit
dieser Auslese „den ewigen Kern aus der rauhen historischen Schale herausgeschält"
habe — ein Bild, das für das bloße Auflesen doch nicht recht passen will —,
der Ansicht sind wir nicht, dem widerspricht uach unserm Gefühl eine kleine An¬
zahl mystisch-trunkner Strophen, die sich auch mit dem geläutertsten Christentum
nicht in Einklang bringen lassen.

Die kleine Sammlung ist geschmackvoll ausgestattet.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Mnrquart in Leipzig
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[0152] Litteratur dem Vaterlnnde der großen Humoristen eigen ist, haben Balfour und seine Freunde eingestanden, daß es ihnen gar nicht einfällt, den Bimetallismus für Eng land zu wünschen; sie wollen bloß die Ausländer'dazu überreden, damit England, der Gläubiger der ganzen Welt, die Vorteile der Goldwährung allein genieße; damit nicht allein die Goldschulden des Auslands an England wie bisher in Gold verzinst werden, sondern auch die Silberschulden einen höhern Zins bringen als bisher. Die Herren Balfour und Genossen sind, wie alle Engländer, so oft sie Ausländern predigen, Füchse gewesen und haben vorausgesetzt oder wenigstens gewünscht, daß ihr Publikum aus Gänsen bestehe. Litteratur Angelus Silesius. Von Otto Erich Hartlebe». Dresden, Georg Vondi, 18W Auf den religiös genialen Johann Scheffler, der unter dem Pseudonym Angelus Silesius seinen berühmten cherubinischen Wandersmann herausgegeben hat, ist in jüngster Zeit wiederholt aufmerksam gemacht worden, zuletzt von Franz Kern in dem ersten Aufsatz seiner Kleinen Schriften (vergl. Grenzboten 1895, III, S36). Jetzt bietet hier einer seiner unbedingten Verehrer („so Gott — der Gott des Angelus Silesius — will," sagt er einmal in dem romantisch-burschikosen Vorwort), zu denen wir nicht gehören, eine Auswahl aus dem Wandersmann, ein Epigrammen¬ brevier, zusammengesetzt aus den bedeutendsten und charakteristischsten Sprüchen des tiefsinnigen Mannes, an Umfang etwa ein Zehntel des Originals. Daß er mit dieser Auslese „den ewigen Kern aus der rauhen historischen Schale herausgeschält" habe — ein Bild, das für das bloße Auflesen doch nicht recht passen will —, der Ansicht sind wir nicht, dem widerspricht uach unserm Gefühl eine kleine An¬ zahl mystisch-trunkner Strophen, die sich auch mit dem geläutertsten Christentum nicht in Einklang bringen lassen. Die kleine Sammlung ist geschmackvoll ausgestattet. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Mnrquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/152>, abgerufen am 27.04.2024.