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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Die arischen Religionen und das Christentum

Vielleicht findet ein kasuistischer Philosoph, daß das sür die Bewährung echter
Männlichkeit unentbehrlich sei.

Ein Freund des studentischen Duells bin ich natürlich nicht. Aber daß
ich das studentische Duell uicht sür das gefährlichste ansehe, ergiebt sich schon
aus meinen Ausführungen über den Rückgang des studentischen Duells. Das
gefährlichste Duell ist heute das Zwangsduell, dem die aktiven Offiziere und
auch -- darin liegt die Hauptgefahr -- die Offiziere des Beurlaubtenstandes
unterworfen sind.


G. v. Below


Die arischen Religionen und das Christentum

WU
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iMd^in zu verstehen, wie die Religionen geworden sind, muß man
das unverfälschte Kinderbewußtsein kennen. Dessen Ergründung
ist freilich nicht ganz leicht. Das Bewußtsein der ersten zwei
bis drei Jahre ist so sehr nur ein Augenblicksbewußtscin, daß
der Erwachsene von den innern Zustünden seiner frühesten Kind¬
heit keine Erinnerung hat. Von der Zeit an aber, wo das Gedächtnis wirksam
wird und in die auf einander folgenden Bewußtseinszustände Zusammenhang
bringt, greift die Belehrung so kräftig ein. daß ein gewecktes vierjähriges Kind
bei uns schou viel mehr weiß und die Naturvorgänge teilweise richtiger be¬
urteilt als der Erwachsene bei einem vom Verkehr abgesperrten Naturvolke.
Doch so viel wissen wir heute, daß das Kind, ehe es das perspektivische Sehen
erlernt hat, nichts sieht als eine farbige Fläche, auf der die bewegten Gegen¬
stande hin und her huschen oder sich (beim Heraunahen) wunderlich vergrößern,
daß es den Unterschied zwischen belebten und unbelebten Gegenständen anfangs
nicht kennt, daher, wenn es den Begriff "belebt" Hütte, alle Gegenstände für
belebt halten würde, die es in Bewegung sieht, daß es die Gegenstände liebt,
die ihm angenehme Empfindungen verursachen, und daß es, nachdem es auch
unangenehme Empfindungen kennen gelernt hat. die von außen verursacht
werden, die Urheber dieser Empfindungen fürchtet und haßt. Es ist also
eigentlich keine poetische Phantasiethätigkeit, wenn der Knabe einen stecken als
Pferd gebraucht, wenn das Mädchen die Puppe als ein lebendes Wesen be¬
handelt und im Notfall mit einem Holzhasen als Puppe vorlieb nimmt; viel¬
mehr ist die Annahme, daß alle Dinge in gleicher Weise lebendig oder beseelt
seien wie die Menschen und Tiere, das natürliche und ursprüngliche, und mit
diesem Animismus stellt sich von selber auch der Fetischismus ein. Auch unsre
Kinder würden fliegende Steine, fallende Balken und zuckende Blitze schön


Die arischen Religionen und das Christentum

Vielleicht findet ein kasuistischer Philosoph, daß das sür die Bewährung echter
Männlichkeit unentbehrlich sei.

Ein Freund des studentischen Duells bin ich natürlich nicht. Aber daß
ich das studentische Duell uicht sür das gefährlichste ansehe, ergiebt sich schon
aus meinen Ausführungen über den Rückgang des studentischen Duells. Das
gefährlichste Duell ist heute das Zwangsduell, dem die aktiven Offiziere und
auch — darin liegt die Hauptgefahr — die Offiziere des Beurlaubtenstandes
unterworfen sind.


G. v. Below


Die arischen Religionen und das Christentum

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iMd^in zu verstehen, wie die Religionen geworden sind, muß man
das unverfälschte Kinderbewußtsein kennen. Dessen Ergründung
ist freilich nicht ganz leicht. Das Bewußtsein der ersten zwei
bis drei Jahre ist so sehr nur ein Augenblicksbewußtscin, daß
der Erwachsene von den innern Zustünden seiner frühesten Kind¬
heit keine Erinnerung hat. Von der Zeit an aber, wo das Gedächtnis wirksam
wird und in die auf einander folgenden Bewußtseinszustände Zusammenhang
bringt, greift die Belehrung so kräftig ein. daß ein gewecktes vierjähriges Kind
bei uns schou viel mehr weiß und die Naturvorgänge teilweise richtiger be¬
urteilt als der Erwachsene bei einem vom Verkehr abgesperrten Naturvolke.
Doch so viel wissen wir heute, daß das Kind, ehe es das perspektivische Sehen
erlernt hat, nichts sieht als eine farbige Fläche, auf der die bewegten Gegen¬
stande hin und her huschen oder sich (beim Heraunahen) wunderlich vergrößern,
daß es den Unterschied zwischen belebten und unbelebten Gegenständen anfangs
nicht kennt, daher, wenn es den Begriff „belebt" Hütte, alle Gegenstände für
belebt halten würde, die es in Bewegung sieht, daß es die Gegenstände liebt,
die ihm angenehme Empfindungen verursachen, und daß es, nachdem es auch
unangenehme Empfindungen kennen gelernt hat. die von außen verursacht
werden, die Urheber dieser Empfindungen fürchtet und haßt. Es ist also
eigentlich keine poetische Phantasiethätigkeit, wenn der Knabe einen stecken als
Pferd gebraucht, wenn das Mädchen die Puppe als ein lebendes Wesen be¬
handelt und im Notfall mit einem Holzhasen als Puppe vorlieb nimmt; viel¬
mehr ist die Annahme, daß alle Dinge in gleicher Weise lebendig oder beseelt
seien wie die Menschen und Tiere, das natürliche und ursprüngliche, und mit
diesem Animismus stellt sich von selber auch der Fetischismus ein. Auch unsre
Kinder würden fliegende Steine, fallende Balken und zuckende Blitze schön


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[0309] Die arischen Religionen und das Christentum Vielleicht findet ein kasuistischer Philosoph, daß das sür die Bewährung echter Männlichkeit unentbehrlich sei. Ein Freund des studentischen Duells bin ich natürlich nicht. Aber daß ich das studentische Duell uicht sür das gefährlichste ansehe, ergiebt sich schon aus meinen Ausführungen über den Rückgang des studentischen Duells. Das gefährlichste Duell ist heute das Zwangsduell, dem die aktiven Offiziere und auch — darin liegt die Hauptgefahr — die Offiziere des Beurlaubtenstandes unterworfen sind. G. v. Below Die arischen Religionen und das Christentum WU -^^» - iMd^in zu verstehen, wie die Religionen geworden sind, muß man das unverfälschte Kinderbewußtsein kennen. Dessen Ergründung ist freilich nicht ganz leicht. Das Bewußtsein der ersten zwei bis drei Jahre ist so sehr nur ein Augenblicksbewußtscin, daß der Erwachsene von den innern Zustünden seiner frühesten Kind¬ heit keine Erinnerung hat. Von der Zeit an aber, wo das Gedächtnis wirksam wird und in die auf einander folgenden Bewußtseinszustände Zusammenhang bringt, greift die Belehrung so kräftig ein. daß ein gewecktes vierjähriges Kind bei uns schou viel mehr weiß und die Naturvorgänge teilweise richtiger be¬ urteilt als der Erwachsene bei einem vom Verkehr abgesperrten Naturvolke. Doch so viel wissen wir heute, daß das Kind, ehe es das perspektivische Sehen erlernt hat, nichts sieht als eine farbige Fläche, auf der die bewegten Gegen¬ stande hin und her huschen oder sich (beim Heraunahen) wunderlich vergrößern, daß es den Unterschied zwischen belebten und unbelebten Gegenständen anfangs nicht kennt, daher, wenn es den Begriff „belebt" Hütte, alle Gegenstände für belebt halten würde, die es in Bewegung sieht, daß es die Gegenstände liebt, die ihm angenehme Empfindungen verursachen, und daß es, nachdem es auch unangenehme Empfindungen kennen gelernt hat. die von außen verursacht werden, die Urheber dieser Empfindungen fürchtet und haßt. Es ist also eigentlich keine poetische Phantasiethätigkeit, wenn der Knabe einen stecken als Pferd gebraucht, wenn das Mädchen die Puppe als ein lebendes Wesen be¬ handelt und im Notfall mit einem Holzhasen als Puppe vorlieb nimmt; viel¬ mehr ist die Annahme, daß alle Dinge in gleicher Weise lebendig oder beseelt seien wie die Menschen und Tiere, das natürliche und ursprüngliche, und mit diesem Animismus stellt sich von selber auch der Fetischismus ein. Auch unsre Kinder würden fliegende Steine, fallende Balken und zuckende Blitze schön

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/309>, abgerufen am 27.04.2024.