Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Vorbildung unsrer Aolonialbeamten

Seehandels*), der viel bedeutender ist, als der Frankreichs und Rußlands zu¬
sammengenommen, und dessen wachsender Reichtum die Quelle des britischen
Neides, der britischen Feindschaft gegen uns bildet. Frankreich und Rußland
scheuen keine Mittel und Anstrengungen, um ihre Mariner auszubauen. Aber
gegenüber den mächtigen englischen Rüstungen sind ihre Flotten zusammen¬
genommen schon beträchtlich zurückgeblieben.

Wollen wir unsre westlichen und östlichen Nachbarn, unsre natürlichen
Verbündeten in der gegen England gerichteten Weltpolitik und damit uns selbst
nicht im Stiche lassen, so müssen auch wir so schnell als möglich und in
größerm Umfange unsre Flotte verstärken, oder wir werden uns darein fügen
müssen, daß England sein Ziel erreicht: die Seeherrschaft und die Welt¬
beherrschung mit all den verhängnisvollen Folgen, die sich daraus sür die
Zukunft Deutschlands und der Millionen von Deutschen im Auslande ergeben.




Die Vorbildung unsrer Kolonialbeamten

as deutsche Reich als solches ist ein alter, gefesteter Kulturstaat,
dessen Bürger mit ruhigem Behagen den verworrenen Entwick¬
lungsgängen unfertiger Staatengebilde zusehen können; als Ko¬
lonialmacht aber hat es alle Kinderkrankheiten zu überwinden,
die den Anfänger auf dem heikeln Gebiete überseeischer und gar
tropischer Besiedlung bedrohen. Das ist um so niederdrückender, als wir ur¬
sprünglich mit großem Siegesbewußtsein an die schwierige Aufgabe heran¬
getreten sind, anscheinend vollkommen klar über die Fehler der ältern Kolonial¬
völker, außerdem mit der Bescheinigung dieser andern Völker in der Tasche,
daß sich der Deutsche überall in ihren Gebieten als vorzüglicher Kolonisator
erwiesen habe, endlich mit dem sichern Gefühle, daß wir es an Bildung und
Menschlichkeit mit allen Bewohnern Europas aufnehmen könnten. Und nun
folgt ein Mißgriff und ein widerwärtiger Skandal auf den andern. Während
Kür die Engländer und Holländer noch zu übertreffen hofften, sehen wir uns
auf einmal in einer Reihe mit den Franzosen, deren mangelhafte Begabung
sür Kolonisation uns früher ein überlegnes Lächeln abnötigte, und dieselbe
verständnislose Bureaukratie, die alle französischen Bestrebungen verdorben
und vereitelt hat, scheint auch der Fluch der deutschen Besitzungen werden
zu sollen.



Sein Wert belief sich im Jahre IMü schon im Verkehr mit Amerika, Asien und
Australien, also abgesehen von Afrika, auf 1822 Millionen Mark und ist seitdem noch bedeutend
gewachsen.
Die Vorbildung unsrer Aolonialbeamten

Seehandels*), der viel bedeutender ist, als der Frankreichs und Rußlands zu¬
sammengenommen, und dessen wachsender Reichtum die Quelle des britischen
Neides, der britischen Feindschaft gegen uns bildet. Frankreich und Rußland
scheuen keine Mittel und Anstrengungen, um ihre Mariner auszubauen. Aber
gegenüber den mächtigen englischen Rüstungen sind ihre Flotten zusammen¬
genommen schon beträchtlich zurückgeblieben.

Wollen wir unsre westlichen und östlichen Nachbarn, unsre natürlichen
Verbündeten in der gegen England gerichteten Weltpolitik und damit uns selbst
nicht im Stiche lassen, so müssen auch wir so schnell als möglich und in
größerm Umfange unsre Flotte verstärken, oder wir werden uns darein fügen
müssen, daß England sein Ziel erreicht: die Seeherrschaft und die Welt¬
beherrschung mit all den verhängnisvollen Folgen, die sich daraus sür die
Zukunft Deutschlands und der Millionen von Deutschen im Auslande ergeben.




Die Vorbildung unsrer Kolonialbeamten

as deutsche Reich als solches ist ein alter, gefesteter Kulturstaat,
dessen Bürger mit ruhigem Behagen den verworrenen Entwick¬
lungsgängen unfertiger Staatengebilde zusehen können; als Ko¬
lonialmacht aber hat es alle Kinderkrankheiten zu überwinden,
die den Anfänger auf dem heikeln Gebiete überseeischer und gar
tropischer Besiedlung bedrohen. Das ist um so niederdrückender, als wir ur¬
sprünglich mit großem Siegesbewußtsein an die schwierige Aufgabe heran¬
getreten sind, anscheinend vollkommen klar über die Fehler der ältern Kolonial¬
völker, außerdem mit der Bescheinigung dieser andern Völker in der Tasche,
daß sich der Deutsche überall in ihren Gebieten als vorzüglicher Kolonisator
erwiesen habe, endlich mit dem sichern Gefühle, daß wir es an Bildung und
Menschlichkeit mit allen Bewohnern Europas aufnehmen könnten. Und nun
folgt ein Mißgriff und ein widerwärtiger Skandal auf den andern. Während
Kür die Engländer und Holländer noch zu übertreffen hofften, sehen wir uns
auf einmal in einer Reihe mit den Franzosen, deren mangelhafte Begabung
sür Kolonisation uns früher ein überlegnes Lächeln abnötigte, und dieselbe
verständnislose Bureaukratie, die alle französischen Bestrebungen verdorben
und vereitelt hat, scheint auch der Fluch der deutschen Besitzungen werden
zu sollen.



Sein Wert belief sich im Jahre IMü schon im Verkehr mit Amerika, Asien und
Australien, also abgesehen von Afrika, auf 1822 Millionen Mark und ist seitdem noch bedeutend
gewachsen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0399" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222703"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Vorbildung unsrer Aolonialbeamten</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1157" prev="#ID_1156"> Seehandels*), der viel bedeutender ist, als der Frankreichs und Rußlands zu¬<lb/>
sammengenommen, und dessen wachsender Reichtum die Quelle des britischen<lb/>
Neides, der britischen Feindschaft gegen uns bildet. Frankreich und Rußland<lb/>
scheuen keine Mittel und Anstrengungen, um ihre Mariner auszubauen. Aber<lb/>
gegenüber den mächtigen englischen Rüstungen sind ihre Flotten zusammen¬<lb/>
genommen schon beträchtlich zurückgeblieben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1158"> Wollen wir unsre westlichen und östlichen Nachbarn, unsre natürlichen<lb/>
Verbündeten in der gegen England gerichteten Weltpolitik und damit uns selbst<lb/>
nicht im Stiche lassen, so müssen auch wir so schnell als möglich und in<lb/>
größerm Umfange unsre Flotte verstärken, oder wir werden uns darein fügen<lb/>
müssen, daß England sein Ziel erreicht: die Seeherrschaft und die Welt¬<lb/>
beherrschung mit all den verhängnisvollen Folgen, die sich daraus sür die<lb/>
Zukunft Deutschlands und der Millionen von Deutschen im Auslande ergeben.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Vorbildung unsrer Kolonialbeamten</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1159"> as deutsche Reich als solches ist ein alter, gefesteter Kulturstaat,<lb/>
dessen Bürger mit ruhigem Behagen den verworrenen Entwick¬<lb/>
lungsgängen unfertiger Staatengebilde zusehen können; als Ko¬<lb/>
lonialmacht aber hat es alle Kinderkrankheiten zu überwinden,<lb/>
die den Anfänger auf dem heikeln Gebiete überseeischer und gar<lb/>
tropischer Besiedlung bedrohen. Das ist um so niederdrückender, als wir ur¬<lb/>
sprünglich mit großem Siegesbewußtsein an die schwierige Aufgabe heran¬<lb/>
getreten sind, anscheinend vollkommen klar über die Fehler der ältern Kolonial¬<lb/>
völker, außerdem mit der Bescheinigung dieser andern Völker in der Tasche,<lb/>
daß sich der Deutsche überall in ihren Gebieten als vorzüglicher Kolonisator<lb/>
erwiesen habe, endlich mit dem sichern Gefühle, daß wir es an Bildung und<lb/>
Menschlichkeit mit allen Bewohnern Europas aufnehmen könnten. Und nun<lb/>
folgt ein Mißgriff und ein widerwärtiger Skandal auf den andern. Während<lb/>
Kür die Engländer und Holländer noch zu übertreffen hofften, sehen wir uns<lb/>
auf einmal in einer Reihe mit den Franzosen, deren mangelhafte Begabung<lb/>
sür Kolonisation uns früher ein überlegnes Lächeln abnötigte, und dieselbe<lb/>
verständnislose Bureaukratie, die alle französischen Bestrebungen verdorben<lb/>
und vereitelt hat, scheint auch der Fluch der deutschen Besitzungen werden<lb/>
zu sollen.</p><lb/>
          <note xml:id="FID_59" place="foot"> Sein Wert belief sich im Jahre IMü schon im Verkehr mit Amerika, Asien und<lb/>
Australien, also abgesehen von Afrika, auf 1822 Millionen Mark und ist seitdem noch bedeutend<lb/>
gewachsen.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0399] Die Vorbildung unsrer Aolonialbeamten Seehandels*), der viel bedeutender ist, als der Frankreichs und Rußlands zu¬ sammengenommen, und dessen wachsender Reichtum die Quelle des britischen Neides, der britischen Feindschaft gegen uns bildet. Frankreich und Rußland scheuen keine Mittel und Anstrengungen, um ihre Mariner auszubauen. Aber gegenüber den mächtigen englischen Rüstungen sind ihre Flotten zusammen¬ genommen schon beträchtlich zurückgeblieben. Wollen wir unsre westlichen und östlichen Nachbarn, unsre natürlichen Verbündeten in der gegen England gerichteten Weltpolitik und damit uns selbst nicht im Stiche lassen, so müssen auch wir so schnell als möglich und in größerm Umfange unsre Flotte verstärken, oder wir werden uns darein fügen müssen, daß England sein Ziel erreicht: die Seeherrschaft und die Welt¬ beherrschung mit all den verhängnisvollen Folgen, die sich daraus sür die Zukunft Deutschlands und der Millionen von Deutschen im Auslande ergeben. Die Vorbildung unsrer Kolonialbeamten as deutsche Reich als solches ist ein alter, gefesteter Kulturstaat, dessen Bürger mit ruhigem Behagen den verworrenen Entwick¬ lungsgängen unfertiger Staatengebilde zusehen können; als Ko¬ lonialmacht aber hat es alle Kinderkrankheiten zu überwinden, die den Anfänger auf dem heikeln Gebiete überseeischer und gar tropischer Besiedlung bedrohen. Das ist um so niederdrückender, als wir ur¬ sprünglich mit großem Siegesbewußtsein an die schwierige Aufgabe heran¬ getreten sind, anscheinend vollkommen klar über die Fehler der ältern Kolonial¬ völker, außerdem mit der Bescheinigung dieser andern Völker in der Tasche, daß sich der Deutsche überall in ihren Gebieten als vorzüglicher Kolonisator erwiesen habe, endlich mit dem sichern Gefühle, daß wir es an Bildung und Menschlichkeit mit allen Bewohnern Europas aufnehmen könnten. Und nun folgt ein Mißgriff und ein widerwärtiger Skandal auf den andern. Während Kür die Engländer und Holländer noch zu übertreffen hofften, sehen wir uns auf einmal in einer Reihe mit den Franzosen, deren mangelhafte Begabung sür Kolonisation uns früher ein überlegnes Lächeln abnötigte, und dieselbe verständnislose Bureaukratie, die alle französischen Bestrebungen verdorben und vereitelt hat, scheint auch der Fluch der deutschen Besitzungen werden zu sollen. Sein Wert belief sich im Jahre IMü schon im Verkehr mit Amerika, Asien und Australien, also abgesehen von Afrika, auf 1822 Millionen Mark und ist seitdem noch bedeutend gewachsen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/399
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/399>, abgerufen am 27.04.2024.