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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Nationalökonomik und Rechtswissenschaft

eher den Zusammenhang zwischen Nationalökonomik und Rechts¬
wissenschaft hat sich im Jahre 1862 Wilhelm Röscher sehr lehr¬
reich in einem Vorwort zu Dankwarth "Nationalökonomisch-
zivilistischen Studien"") geäußert. Vou diesen Noscherscheu
Äußerungen ausgehend wollen wir noch einmal auf die in Ur. 20
der Grenzboten schon kurz behandelte Frage der Vorbildung für den höhern
Verwaltungsdienst in Preußen zurückkommen, weil wir überzeugt sind, daß
die Frage dringend der Lösung bedarf, und daß diese Lösung in der einheit¬
lichen Vorbildung für die Justiz- und Verwaltungsbeamten zu suchen ist.
Wie Preußens "großer Ökonomus," Friedrich Wilhelm I., 1727 in der Er¬
richtung des ersten Lehrstuhls für "Ökonomie, Polizei und Kcimeralsachen"
in Deutschland an seiner Universität Halle ein Mittel sah zur Erziehung
des altpreußischen Beamtentums, so darf heute der König von Preußen in
einer dem Zusammenhang von Nationalökonomik und Rechtswissenschaft ent¬
sprechenden Reform der Vorbildung seiner Verwaltungs- und Justizbecunten fast
noch mehr ein geeignetes Mittel erblicken, die preußische Beamtentüchtigkeit vor
Verfall zu bewahren. Wie es scheint, fehlt es schon etwas an dem erwünschten
Zusammenhange zwischen den Ministern in Berlin, und es besteht die Gefahr,
daß durch Flickwerk in den einzelnen Ministerien die Assessorenfrage nicht zur
Lösung, sondern zur Versumpfung gebracht wird. Die ernste Mahnung, endlich
darin "ganze Arbeit" zu machen, die jüngst in den Preußischen Jahrbüchern
laut geworden ist, kann in Berlin, wie die Verhältnisse liegen, sehr leicht in
den Wind geschlagen werden, wenn ihr nicht in Deutschland gebührend Nach¬
druck gegeben wird. Die Frage, wie Preußen seine Richter und Verwaltungs¬
beamten erzieht, fängt an eine deutsche Frage, manchmal von schmerzlicher Be¬
deutung, zu werden; der preußische Asfesforismus erscheint ja sogar vielen schon
als deutscher Übelstand, zu Hause und in Afrika. Das muß abgewendet werden,
und es kann auch abgewendet werden, wenn der König von Preußen den
Ernst der Sache erkennt, obgleich der "große Ökonomus" schon anderthalb
Jahrhunderte im Grabe liegt.



Ausgenommen in die "Ansichten der Volkswirtschaft aus dem geschichtlichen Stand¬
punkte." Dritte Auflage. Leipzig und Heidelberg, 1878. Seite 87 ff.


Nationalökonomik und Rechtswissenschaft

eher den Zusammenhang zwischen Nationalökonomik und Rechts¬
wissenschaft hat sich im Jahre 1862 Wilhelm Röscher sehr lehr¬
reich in einem Vorwort zu Dankwarth „Nationalökonomisch-
zivilistischen Studien"") geäußert. Vou diesen Noscherscheu
Äußerungen ausgehend wollen wir noch einmal auf die in Ur. 20
der Grenzboten schon kurz behandelte Frage der Vorbildung für den höhern
Verwaltungsdienst in Preußen zurückkommen, weil wir überzeugt sind, daß
die Frage dringend der Lösung bedarf, und daß diese Lösung in der einheit¬
lichen Vorbildung für die Justiz- und Verwaltungsbeamten zu suchen ist.
Wie Preußens „großer Ökonomus," Friedrich Wilhelm I., 1727 in der Er¬
richtung des ersten Lehrstuhls für „Ökonomie, Polizei und Kcimeralsachen"
in Deutschland an seiner Universität Halle ein Mittel sah zur Erziehung
des altpreußischen Beamtentums, so darf heute der König von Preußen in
einer dem Zusammenhang von Nationalökonomik und Rechtswissenschaft ent¬
sprechenden Reform der Vorbildung seiner Verwaltungs- und Justizbecunten fast
noch mehr ein geeignetes Mittel erblicken, die preußische Beamtentüchtigkeit vor
Verfall zu bewahren. Wie es scheint, fehlt es schon etwas an dem erwünschten
Zusammenhange zwischen den Ministern in Berlin, und es besteht die Gefahr,
daß durch Flickwerk in den einzelnen Ministerien die Assessorenfrage nicht zur
Lösung, sondern zur Versumpfung gebracht wird. Die ernste Mahnung, endlich
darin „ganze Arbeit" zu machen, die jüngst in den Preußischen Jahrbüchern
laut geworden ist, kann in Berlin, wie die Verhältnisse liegen, sehr leicht in
den Wind geschlagen werden, wenn ihr nicht in Deutschland gebührend Nach¬
druck gegeben wird. Die Frage, wie Preußen seine Richter und Verwaltungs¬
beamten erzieht, fängt an eine deutsche Frage, manchmal von schmerzlicher Be¬
deutung, zu werden; der preußische Asfesforismus erscheint ja sogar vielen schon
als deutscher Übelstand, zu Hause und in Afrika. Das muß abgewendet werden,
und es kann auch abgewendet werden, wenn der König von Preußen den
Ernst der Sache erkennt, obgleich der „große Ökonomus" schon anderthalb
Jahrhunderte im Grabe liegt.



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punkte." Dritte Auflage. Leipzig und Heidelberg, 1878. Seite 87 ff.
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[0496] [Abbildung] Nationalökonomik und Rechtswissenschaft eher den Zusammenhang zwischen Nationalökonomik und Rechts¬ wissenschaft hat sich im Jahre 1862 Wilhelm Röscher sehr lehr¬ reich in einem Vorwort zu Dankwarth „Nationalökonomisch- zivilistischen Studien"") geäußert. Vou diesen Noscherscheu Äußerungen ausgehend wollen wir noch einmal auf die in Ur. 20 der Grenzboten schon kurz behandelte Frage der Vorbildung für den höhern Verwaltungsdienst in Preußen zurückkommen, weil wir überzeugt sind, daß die Frage dringend der Lösung bedarf, und daß diese Lösung in der einheit¬ lichen Vorbildung für die Justiz- und Verwaltungsbeamten zu suchen ist. Wie Preußens „großer Ökonomus," Friedrich Wilhelm I., 1727 in der Er¬ richtung des ersten Lehrstuhls für „Ökonomie, Polizei und Kcimeralsachen" in Deutschland an seiner Universität Halle ein Mittel sah zur Erziehung des altpreußischen Beamtentums, so darf heute der König von Preußen in einer dem Zusammenhang von Nationalökonomik und Rechtswissenschaft ent¬ sprechenden Reform der Vorbildung seiner Verwaltungs- und Justizbecunten fast noch mehr ein geeignetes Mittel erblicken, die preußische Beamtentüchtigkeit vor Verfall zu bewahren. Wie es scheint, fehlt es schon etwas an dem erwünschten Zusammenhange zwischen den Ministern in Berlin, und es besteht die Gefahr, daß durch Flickwerk in den einzelnen Ministerien die Assessorenfrage nicht zur Lösung, sondern zur Versumpfung gebracht wird. Die ernste Mahnung, endlich darin „ganze Arbeit" zu machen, die jüngst in den Preußischen Jahrbüchern laut geworden ist, kann in Berlin, wie die Verhältnisse liegen, sehr leicht in den Wind geschlagen werden, wenn ihr nicht in Deutschland gebührend Nach¬ druck gegeben wird. Die Frage, wie Preußen seine Richter und Verwaltungs¬ beamten erzieht, fängt an eine deutsche Frage, manchmal von schmerzlicher Be¬ deutung, zu werden; der preußische Asfesforismus erscheint ja sogar vielen schon als deutscher Übelstand, zu Hause und in Afrika. Das muß abgewendet werden, und es kann auch abgewendet werden, wenn der König von Preußen den Ernst der Sache erkennt, obgleich der „große Ökonomus" schon anderthalb Jahrhunderte im Grabe liegt. Ausgenommen in die „Ansichten der Volkswirtschaft aus dem geschichtlichen Stand¬ punkte." Dritte Auflage. Leipzig und Heidelberg, 1878. Seite 87 ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/496>, abgerufen am 27.04.2024.