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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts

Wie leicht die Ausweisungsbefugnis mißbraucht werden kann. Mehrere dänische
"Meieristen" wurden ausgewiesen mit keiner andern Begründung, als daß ihre
Stellungen den Landeskindern zukämen.

Den Ausweisungen würdig zur Seite stehen die schon erwähnten Ver¬
folgungen solcher Ausgewanderten, die ihre Angehörigen in Nordschleswig
besuchen. Großes Aufsehen hat auch das Schicksal eines nach Amerika aus¬
gewanderten Nordschleswigers erregt, der später zurückkehrte und um Wieder¬
aufnahme in den preußischen Staatsverband nachsnchte. Dies wurde ihm ver¬
weigert, er wurde ausgewiesen und ging nach Dänemark. Aber auch hier
war er nicht heimatberechtigt, er wurde von da, weil er sich als unterstützungs¬
berechtigt angemeldet hatte, wieder zurückgeschickt, ist aber seitdem mehrmals
mit Haft bestraft worden, nur weil er sich noch immer auf deutschem Boden
aufhielt.

(Schluß folgt)




Leipziger pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts
(Fortsetzung)

eit überboten wurde das "Tableau von Leipzig" durch ein Buch,
das zur Neujahrsmcsse 1787 erschien und wie eine Bombe in
Leipzig einschlug: Detlev Präses, Vertraute Briefe über den
politischen und moralischen Zustand von Leipzig. London, bey
Dodsley und Compagnie, 1787 (222 Seiten 8").(MG
"M

Die Firma Dodsley und Compagnie gab es wirklich; es war eine an¬
gesehene Londoner Buchhandlung. Schon Ende der sechziger Jahre hatte sie
der Buchhändler Schwickert in Leipzig, damals noch Handlungsdiener in der
Dykschen Buchhandlung, mißbraucht und Nachdrucke unter dieser Firma heraus¬
gegeben, z. B. Z768 die "Vermischten Gedichte" von I. C. Rost, 1769 den
Leipziger Musenalmanach, eine freche Nachahmung und Plünderung des Göt¬
tinger, und in demselben Jahre Lessings Hamburgische Dramaturgie. Nun
wurde wieder von andrer Seite Mißbrauch mit ihr getrieben: in Wahrheit
waren die "Vertrauten Briefe" in Stendal erschienen.

Von dem erdichteten Verfasferuamen waren wenigstens die Anfangsbuchstaben



" Die verhnltuisinnßig gros;e Anzahl dänischer Staatsangehörigen in Nordschleswig erklärt
sich daraus, das; dort noch eine Art von Übergangszustand aus der Zeit der dänischen Herr¬
schaft besteht,
Grenzboten II 1896 70
Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts

Wie leicht die Ausweisungsbefugnis mißbraucht werden kann. Mehrere dänische
„Meieristen" wurden ausgewiesen mit keiner andern Begründung, als daß ihre
Stellungen den Landeskindern zukämen.

Den Ausweisungen würdig zur Seite stehen die schon erwähnten Ver¬
folgungen solcher Ausgewanderten, die ihre Angehörigen in Nordschleswig
besuchen. Großes Aufsehen hat auch das Schicksal eines nach Amerika aus¬
gewanderten Nordschleswigers erregt, der später zurückkehrte und um Wieder¬
aufnahme in den preußischen Staatsverband nachsnchte. Dies wurde ihm ver¬
weigert, er wurde ausgewiesen und ging nach Dänemark. Aber auch hier
war er nicht heimatberechtigt, er wurde von da, weil er sich als unterstützungs¬
berechtigt angemeldet hatte, wieder zurückgeschickt, ist aber seitdem mehrmals
mit Haft bestraft worden, nur weil er sich noch immer auf deutschem Boden
aufhielt.

(Schluß folgt)




Leipziger pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts
(Fortsetzung)

eit überboten wurde das „Tableau von Leipzig" durch ein Buch,
das zur Neujahrsmcsse 1787 erschien und wie eine Bombe in
Leipzig einschlug: Detlev Präses, Vertraute Briefe über den
politischen und moralischen Zustand von Leipzig. London, bey
Dodsley und Compagnie, 1787 (222 Seiten 8»).(MG
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Die Firma Dodsley und Compagnie gab es wirklich; es war eine an¬
gesehene Londoner Buchhandlung. Schon Ende der sechziger Jahre hatte sie
der Buchhändler Schwickert in Leipzig, damals noch Handlungsdiener in der
Dykschen Buchhandlung, mißbraucht und Nachdrucke unter dieser Firma heraus¬
gegeben, z. B. Z768 die „Vermischten Gedichte" von I. C. Rost, 1769 den
Leipziger Musenalmanach, eine freche Nachahmung und Plünderung des Göt¬
tinger, und in demselben Jahre Lessings Hamburgische Dramaturgie. Nun
wurde wieder von andrer Seite Mißbrauch mit ihr getrieben: in Wahrheit
waren die „Vertrauten Briefe" in Stendal erschienen.

Von dem erdichteten Verfasferuamen waren wenigstens die Anfangsbuchstaben



" Die verhnltuisinnßig gros;e Anzahl dänischer Staatsangehörigen in Nordschleswig erklärt
sich daraus, das; dort noch eine Art von Übergangszustand aus der Zeit der dänischen Herr¬
schaft besteht,
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[0561] Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts Wie leicht die Ausweisungsbefugnis mißbraucht werden kann. Mehrere dänische „Meieristen" wurden ausgewiesen mit keiner andern Begründung, als daß ihre Stellungen den Landeskindern zukämen. Den Ausweisungen würdig zur Seite stehen die schon erwähnten Ver¬ folgungen solcher Ausgewanderten, die ihre Angehörigen in Nordschleswig besuchen. Großes Aufsehen hat auch das Schicksal eines nach Amerika aus¬ gewanderten Nordschleswigers erregt, der später zurückkehrte und um Wieder¬ aufnahme in den preußischen Staatsverband nachsnchte. Dies wurde ihm ver¬ weigert, er wurde ausgewiesen und ging nach Dänemark. Aber auch hier war er nicht heimatberechtigt, er wurde von da, weil er sich als unterstützungs¬ berechtigt angemeldet hatte, wieder zurückgeschickt, ist aber seitdem mehrmals mit Haft bestraft worden, nur weil er sich noch immer auf deutschem Boden aufhielt. (Schluß folgt) Leipziger pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts (Fortsetzung) eit überboten wurde das „Tableau von Leipzig" durch ein Buch, das zur Neujahrsmcsse 1787 erschien und wie eine Bombe in Leipzig einschlug: Detlev Präses, Vertraute Briefe über den politischen und moralischen Zustand von Leipzig. London, bey Dodsley und Compagnie, 1787 (222 Seiten 8»).(MG «M Die Firma Dodsley und Compagnie gab es wirklich; es war eine an¬ gesehene Londoner Buchhandlung. Schon Ende der sechziger Jahre hatte sie der Buchhändler Schwickert in Leipzig, damals noch Handlungsdiener in der Dykschen Buchhandlung, mißbraucht und Nachdrucke unter dieser Firma heraus¬ gegeben, z. B. Z768 die „Vermischten Gedichte" von I. C. Rost, 1769 den Leipziger Musenalmanach, eine freche Nachahmung und Plünderung des Göt¬ tinger, und in demselben Jahre Lessings Hamburgische Dramaturgie. Nun wurde wieder von andrer Seite Mißbrauch mit ihr getrieben: in Wahrheit waren die „Vertrauten Briefe" in Stendal erschienen. Von dem erdichteten Verfasferuamen waren wenigstens die Anfangsbuchstaben " Die verhnltuisinnßig gros;e Anzahl dänischer Staatsangehörigen in Nordschleswig erklärt sich daraus, das; dort noch eine Art von Übergangszustand aus der Zeit der dänischen Herr¬ schaft besteht, Grenzboten II 1896 70

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/561>, abgerufen am 27.04.2024.