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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Gin Wort zum deutsch-dänischen Streit
Th. Brix von (Schluß)

lie diese kleinen Reibungen lassen erkennen, wie sehr die nationalen
Gegensätze in das tägliche Leben des Volkes eindringen, und
so immer die Erinnerung daran wachgehalten wird, daß man
nur gezwungen und ungern dem deutschen Reiche angehört.
Mag der Einzelne mehr oder weniger hart betroffen werden
von Maßregeln der Behörden, immer steht die gesamte dänisch gesinnte Be¬
völkerung mit ihren Sympathien auf seiner Seite. Besonders bezeichnend sür
den unnatürlichen Kampfeszustand ist auch, daß das Singen, sonst der Aus¬
druck harmloser Fröhlichkeit des Volkes, öfters Anlaß zu politischen Straf¬
prozessen giebt. Und da ist es nun wieder eine durchaus willkürliche Be¬
stimmung, welche Ausdrücke als aufreizend und staatsgefährlich anzusehen
seien, ein wie hoher Grad von Deutschfeindlichkeit dazu gehöre, um das Verbot
eines dänischen Liedes zu rechtfertigen. Die in dieser Hinsicht gefüllten Urteile
lassen deutlich Schwanken und Unsicherheit erkennen, aber auch hierbei scheint
neuerdings eine strengere Auffassung Platz zu greifen. Da wird z. B. eine
Gesellschaft wegen Singens eines dänischen Liedes verurteilt, obgleich dasselbe
Lied in einem frühern Falle für harmlos erklärt worden ist. Aber der be¬
aufsichtigende strenge Gesetzeswächter hatte etwas wie Schalkhaftigkeit in den
Mienen der Sänger entdeckt, und auf Grund dieses erschwerenden Umstandes
wird das Strafurteil gefällt.

Als bezeichnend für den Zustand, der durch den Kampf gegen das Singen
dänischer Lieder erzeugt wird, gebe ich folgende kleine Erzählung nach einer
dünischen Zeitung wieder. Die Quelle ist nach der Ansicht meiner Gegner
in dieser Frage gewiß sehr verdächtig, aber die Erzählung trägt den Stempel
der Wahrheit. Der Berichterstatter des Blattes trifft auf dem Felde einen
Knaben, der laut singt, beim Herannahen eines Fremden aber plötzlich ver¬
stummt. Dieser, dessen Aufmerksamkeit dadurch erregt wird, tritt an den Knaben
heran und forscht nach dem Grunde des Schweigens. Da sagt der Bursche,
mißtrauisch auf den Fremden blickend: "Es war keins von den verbotnen




Gin Wort zum deutsch-dänischen Streit
Th. Brix von (Schluß)

lie diese kleinen Reibungen lassen erkennen, wie sehr die nationalen
Gegensätze in das tägliche Leben des Volkes eindringen, und
so immer die Erinnerung daran wachgehalten wird, daß man
nur gezwungen und ungern dem deutschen Reiche angehört.
Mag der Einzelne mehr oder weniger hart betroffen werden
von Maßregeln der Behörden, immer steht die gesamte dänisch gesinnte Be¬
völkerung mit ihren Sympathien auf seiner Seite. Besonders bezeichnend sür
den unnatürlichen Kampfeszustand ist auch, daß das Singen, sonst der Aus¬
druck harmloser Fröhlichkeit des Volkes, öfters Anlaß zu politischen Straf¬
prozessen giebt. Und da ist es nun wieder eine durchaus willkürliche Be¬
stimmung, welche Ausdrücke als aufreizend und staatsgefährlich anzusehen
seien, ein wie hoher Grad von Deutschfeindlichkeit dazu gehöre, um das Verbot
eines dänischen Liedes zu rechtfertigen. Die in dieser Hinsicht gefüllten Urteile
lassen deutlich Schwanken und Unsicherheit erkennen, aber auch hierbei scheint
neuerdings eine strengere Auffassung Platz zu greifen. Da wird z. B. eine
Gesellschaft wegen Singens eines dänischen Liedes verurteilt, obgleich dasselbe
Lied in einem frühern Falle für harmlos erklärt worden ist. Aber der be¬
aufsichtigende strenge Gesetzeswächter hatte etwas wie Schalkhaftigkeit in den
Mienen der Sänger entdeckt, und auf Grund dieses erschwerenden Umstandes
wird das Strafurteil gefällt.

Als bezeichnend für den Zustand, der durch den Kampf gegen das Singen
dänischer Lieder erzeugt wird, gebe ich folgende kleine Erzählung nach einer
dünischen Zeitung wieder. Die Quelle ist nach der Ansicht meiner Gegner
in dieser Frage gewiß sehr verdächtig, aber die Erzählung trägt den Stempel
der Wahrheit. Der Berichterstatter des Blattes trifft auf dem Felde einen
Knaben, der laut singt, beim Herannahen eines Fremden aber plötzlich ver¬
stummt. Dieser, dessen Aufmerksamkeit dadurch erregt wird, tritt an den Knaben
heran und forscht nach dem Grunde des Schweigens. Da sagt der Bursche,
mißtrauisch auf den Fremden blickend: „Es war keins von den verbotnen


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[0595] [Abbildung] Gin Wort zum deutsch-dänischen Streit Th. Brix von (Schluß) lie diese kleinen Reibungen lassen erkennen, wie sehr die nationalen Gegensätze in das tägliche Leben des Volkes eindringen, und so immer die Erinnerung daran wachgehalten wird, daß man nur gezwungen und ungern dem deutschen Reiche angehört. Mag der Einzelne mehr oder weniger hart betroffen werden von Maßregeln der Behörden, immer steht die gesamte dänisch gesinnte Be¬ völkerung mit ihren Sympathien auf seiner Seite. Besonders bezeichnend sür den unnatürlichen Kampfeszustand ist auch, daß das Singen, sonst der Aus¬ druck harmloser Fröhlichkeit des Volkes, öfters Anlaß zu politischen Straf¬ prozessen giebt. Und da ist es nun wieder eine durchaus willkürliche Be¬ stimmung, welche Ausdrücke als aufreizend und staatsgefährlich anzusehen seien, ein wie hoher Grad von Deutschfeindlichkeit dazu gehöre, um das Verbot eines dänischen Liedes zu rechtfertigen. Die in dieser Hinsicht gefüllten Urteile lassen deutlich Schwanken und Unsicherheit erkennen, aber auch hierbei scheint neuerdings eine strengere Auffassung Platz zu greifen. Da wird z. B. eine Gesellschaft wegen Singens eines dänischen Liedes verurteilt, obgleich dasselbe Lied in einem frühern Falle für harmlos erklärt worden ist. Aber der be¬ aufsichtigende strenge Gesetzeswächter hatte etwas wie Schalkhaftigkeit in den Mienen der Sänger entdeckt, und auf Grund dieses erschwerenden Umstandes wird das Strafurteil gefällt. Als bezeichnend für den Zustand, der durch den Kampf gegen das Singen dänischer Lieder erzeugt wird, gebe ich folgende kleine Erzählung nach einer dünischen Zeitung wieder. Die Quelle ist nach der Ansicht meiner Gegner in dieser Frage gewiß sehr verdächtig, aber die Erzählung trägt den Stempel der Wahrheit. Der Berichterstatter des Blattes trifft auf dem Felde einen Knaben, der laut singt, beim Herannahen eines Fremden aber plötzlich ver¬ stummt. Dieser, dessen Aufmerksamkeit dadurch erregt wird, tritt an den Knaben heran und forscht nach dem Grunde des Schweigens. Da sagt der Bursche, mißtrauisch auf den Fremden blickend: „Es war keins von den verbotnen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/595>, abgerufen am 27.04.2024.