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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Aennst du das Land?

Wirkungen seiner akademischen Meisterjcchre ihn selbst zu vernehmen, man fühlt
so gewiß voraus, daß die innern Entwicklungen eines Mannes wie Beyschlag
nicht auf die erste Lebenshälfte beschränkt geblieben sind, daß man lebhaft
nach dem zweiten Teil dieser Erinnerungen und Bekenntnisse verlangen muß.

Der erste Teil schließt einigermaßen schrill ab, der Verfasser erzählt, daß
er sich bei seiner Übersiedlung nach Baden das preußische Bürgerrecht gern
erhalten und ein hierauf gerichtetes Gesuch samt den dazu gehörigen Papieren
an das preußische Kultusministerium eingesandt habe. Nach anderthalb Jahren
erhielt er auf fein Ersuchen seine Papiere mit einem Entschuldigungsschreiben
des Oberpräsidenten von Kleist: Herr von Raumer habe ihn angewiesen gehabt,
Beyschlags Papiere ohne einen Bescheid einfach liegen zu lassen, bis er sich
darum melden würde. "Das war der Dank, den dieser Kultusminister für
siebenjährige hingebende Arbeit an Kirche und Schule in Preußen übrig hatte:
der Gedanke, jemals wieder nach Preußen zu kommen, sollte mir durch die
ausgesuchteste Ungezogenheit ausgetrieben werden. Indessen war es, wie ich
meinem Bruder geschrieben hatte: "Diese Herren regieren, so lange Gott sie
regieren läßt." Meine Geschicke ruhten in seiner Vaterhand."




Kennst du das Land?

in guter Titel -- sagte einst der alte Buchdrucker, der mein erstes
Büchlein zu drucken hatte -- ist die Hauptsache um einem Buche.
Denn, so fügte er hinzu, ein Buch schreiben, das kann jeder, aber
einen richtigen Titel dazu machen, kann lange nicht jeder.

"Kennst du das Land?" ist jedenfalls ein sehr guter Titel. Er
gilt einer Büchersammlung für Freunde Italiens, deren in bunter
Folge erscheinende Hefte sich mit Volksleben, Litteratur, Kunst und allem, was uns
Deutsche an den Italienern interessirt, beschäftigen sollen. Jährlich sollen "etwa
zehn" solcher Bändchen erscheine". Vielleicht etwas viel! "Das heißt, würde
mein Buchdrucker wieder sagen, drucken kann man sie schon, aber sie werden auch
darnach." Doch wird das wohl auch etwas mit ans die Verfasser ankommen.
Das lautet trivial oder gar einfältig, ist es aber, wie wir sehen werden, nicht so
ganz. Einstweilen erhalten wir eine reiche Liste von Mitarbeitern, geprüften und
ungeprüfter (hätte mein guter alter Korrektor gesagt, für den sich jede Bewährung
irgend einer Art mit der Vorstellung von einem bestandnen Examen zu verbinden
Pflegte), darunter sind auch Dichter und Universitntsprofcssvren. Das Ganze wird
herausgegeben von Julius R. Haarhaus (Leipzig, Naumann) und kann, wenn es
richtig angefaßt wird, recht nützlich und interessant werden. Die Italiener sind
nicht nur zur Zeit unsre politischen Freunde, fondern sie sind uns auch seit der


Aennst du das Land?

Wirkungen seiner akademischen Meisterjcchre ihn selbst zu vernehmen, man fühlt
so gewiß voraus, daß die innern Entwicklungen eines Mannes wie Beyschlag
nicht auf die erste Lebenshälfte beschränkt geblieben sind, daß man lebhaft
nach dem zweiten Teil dieser Erinnerungen und Bekenntnisse verlangen muß.

Der erste Teil schließt einigermaßen schrill ab, der Verfasser erzählt, daß
er sich bei seiner Übersiedlung nach Baden das preußische Bürgerrecht gern
erhalten und ein hierauf gerichtetes Gesuch samt den dazu gehörigen Papieren
an das preußische Kultusministerium eingesandt habe. Nach anderthalb Jahren
erhielt er auf fein Ersuchen seine Papiere mit einem Entschuldigungsschreiben
des Oberpräsidenten von Kleist: Herr von Raumer habe ihn angewiesen gehabt,
Beyschlags Papiere ohne einen Bescheid einfach liegen zu lassen, bis er sich
darum melden würde. „Das war der Dank, den dieser Kultusminister für
siebenjährige hingebende Arbeit an Kirche und Schule in Preußen übrig hatte:
der Gedanke, jemals wieder nach Preußen zu kommen, sollte mir durch die
ausgesuchteste Ungezogenheit ausgetrieben werden. Indessen war es, wie ich
meinem Bruder geschrieben hatte: »Diese Herren regieren, so lange Gott sie
regieren läßt.« Meine Geschicke ruhten in seiner Vaterhand."




Kennst du das Land?

in guter Titel — sagte einst der alte Buchdrucker, der mein erstes
Büchlein zu drucken hatte — ist die Hauptsache um einem Buche.
Denn, so fügte er hinzu, ein Buch schreiben, das kann jeder, aber
einen richtigen Titel dazu machen, kann lange nicht jeder.

„Kennst du das Land?" ist jedenfalls ein sehr guter Titel. Er
gilt einer Büchersammlung für Freunde Italiens, deren in bunter
Folge erscheinende Hefte sich mit Volksleben, Litteratur, Kunst und allem, was uns
Deutsche an den Italienern interessirt, beschäftigen sollen. Jährlich sollen „etwa
zehn" solcher Bändchen erscheine». Vielleicht etwas viel! „Das heißt, würde
mein Buchdrucker wieder sagen, drucken kann man sie schon, aber sie werden auch
darnach." Doch wird das wohl auch etwas mit ans die Verfasser ankommen.
Das lautet trivial oder gar einfältig, ist es aber, wie wir sehen werden, nicht so
ganz. Einstweilen erhalten wir eine reiche Liste von Mitarbeitern, geprüften und
ungeprüfter (hätte mein guter alter Korrektor gesagt, für den sich jede Bewährung
irgend einer Art mit der Vorstellung von einem bestandnen Examen zu verbinden
Pflegte), darunter sind auch Dichter und Universitntsprofcssvren. Das Ganze wird
herausgegeben von Julius R. Haarhaus (Leipzig, Naumann) und kann, wenn es
richtig angefaßt wird, recht nützlich und interessant werden. Die Italiener sind
nicht nur zur Zeit unsre politischen Freunde, fondern sie sind uns auch seit der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/339>, abgerufen am 30.05.2024.